Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
318/2020
GZ:
JB
Sitzungstermin: 27.05.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Weiterförderung der Jugendhilfeangebote in freier
Trägerschaft trotz Betriebseinschränkungen nach CoronaVO

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 13.05.2020, öffentlich, Nr. 123
Ergebnis: Vertagung
Gemeinderat vom 14.05.2020, öffentlich, Nr. 105
Ergebnis: Vertagung wegen Beschlussunfähigkeit gem. § 37 Abs. 3 GemO
Gemeinderat vom 14.05.2020, öffentlich, Nr. 111
Ergebnis: Vertagung
Jugendhilfeausschuss vom 25.05.2020, öffentlich, Nr. 51
Ergebnis: Vorberatung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 11.05.2020, GRDrs 318/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Weiterförderung der Stuttgarter Jugendhilfeangebote in freier Trägerschaft wird trotz angeordneter Schließungen bzw. Angebotseinschränkungen zugestimmt. Grundsätzlich erfolgt die Förderung auf der Grundlage der beschlossenen Fördergrundsätze. Das Jugendamt wird ermächtigt, in den Fällen, in denen aufgrund der veränderten Angebote Anpassungen in der Fördersystematik erfolgen müssen, diese im Rahmen der vorhandenen Förderbudgets vorzunehmen.
2. Die Weiterförderung im bisherigen Umfang erfolgt unter der Voraussetzung, dass die Träger der Jugendhilfe ihre freien Ressourcen im Rahmen des Sozialdienstleistereinsatzgesetzes (SodEG) zur Verfügung stellen.

3. Zur Schadensminimierung sind die Träger verpflichtet, nach Möglichkeit vorrangige Ersatzleistungen (z. B. Kurzarbeitergeld) durch Bund und Land in Anspruch zu nehmen.

4. Um freiwillige Kurzarbeit zu ermöglichen, wird den Trägern gestattet, das Kurzarbeitergeld auf 100 % des bisherigen Nettolohns aufzustocken.


Weitere Beratungsunterlage ist der Antrag Nr. 190/2020 vom 20.05.2020 (CDU).

In ihrer Einleitung unterstreicht BMin Fezer, Ziel der Vorlage sei es, die Handlungs- und Arbeitsfähigkeit der freien Träger während der Coronakrise und in der Zeit nach dieser Pandemie sicherzustellen.

Bezug nehmend auf den Antrag Nr. 190/2020 sowie nicht zuletzt auf die im Jugendhilfeausschuss vorgestern stattgefundene Aussprache verweist sie hinsichtlich der Frage "Was ist von den freien Trägern während der Schließung zahlreicher Einrichtungen geleistet worden?" auf die in dieser JHA-Sitzung erfolgte ausführliche Beantwortung. Zusammengefasst sei dort auf die Angebotsumstellungen, auf die Erschließung neuer Tätigkeitsfelder, auf die Umstellung auf telefonische Angebote sowie auf die Entwicklung digitaler Angebote hingewiesen worden. Zudem hätten sowohl das Schließ- als auch das Wiederinbetriebnahme-Management einen erheblichen Aufwand verursacht. Mittlerweile würden einer von ihr geäußerten Bitte entsprechend dazu ausführliche Stellungnahmen der Caritas, der EVA, der Jugendhausgesellschaft und diverser Beratungsstellen vorliegen. Darin werde mitgeteilt, dass soweit möglich Urlaubsansprüche und Überstunden abgebaut worden seien. Darüber hinaus teilten viele Träger mit, dass auch das Thema Kurzarbeit erwogen und mit den Mitarbeitervertretungen verhandelt worden sei. Allerdings benötigten die Träger in jedem Einzelfall die Zustimmung der Personalvertretungen, und diese sei nicht erfolgt.

Insgesamt könne festgestellt werden, dass die Träger mit den noch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern volle Leistungen erbracht hätten. Heute könne sie ankündigen, dass die Träger nun kurzfristig in die Ferienbetreuung für die Notbetreuung einstiegen; in den Pfingstferien werde für die Kinder/Jugendlichen (bis zu der 7. Schulklasse), die eine Notbetreuung besuchten, ein solches Angebot unterbreitet. Über die Fortsetzung nach den Pfingstferien liefen derzeit noch Verhandlungen mit dem Land.

Die Anlage der Vorlage zeigt StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) die Angebotsvielfalt seitens der freien Träger und des Jugendamtes auf. Ihrer Kenntnis nach haben die freien Träger, mit denen sie zusammenarbeitet, sehr flexibel und schnell durch Angebotsumstellungen auf die Krise reagiert. Die ihr vorliegenden Informationen zeigten, dass freie Ressourcen für auftretende Bedarfe zur Verfügung gestellt worden seien. Ihre Fraktion stimme dem Beschlussantrag zu.
Angesichts der Notwendigkeit, wichtige Infrastruktur zu erhalten, kündigt StR Perc (SPD) die Unterstützung der Vorlage an. Zu loben sei das flexible Handeln der freien Träger. Ebenfalls zustimmend äußert sich StRin Yüksel (FDP). Die freien Träger hätten durchaus in der Krise Leistungen umgestellt und alternative Leistungen angeboten, auch wenn diese wohl vom Umfang her nicht dem Vor-Corona-Angebot entsprächen. Dass der befürchtete Anstieg von Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht stattgefunden habe, sei wohl auch auf diese alternativen Angebote der freien Träger zurückzuführen. StR Zaiß (FW), der sich ebenfalls zustimmend äußert, erachtet die Aufstockung des Nettolohns auf 100 % im Namen seiner Fraktion als sehr weit gegriffen. 90 % hätten ausgereicht. Als unpassend erachtet StR Walter (PULS) in einer Krisensituation wie derzeit Angebote für Kinder und Jugendliche zusammenzustreichen. Er bedankt sich für das Vorgehen der Verwaltung bei BMin Fezer und ihrer Mitarbeiterschaft.

StRin Nuber-Schöllhammer hebt auf Gespräche mit freien Trägern ab und berichtet, "die meisten sozusagen" hätten keine Kurzarbeit gehabt. Laut StRin Ripsam (CDU) hat ein Träger in der vorgestern stattgefundenen JHA-Sitzung bekannt, dass Kurzarbeit beantragt wurde und dass sich andere Träger intensiver mit dieser Thematik auseinandergesetzt hätten. Der Verwaltung komme hier eine entscheidende Rolle zu. Die Verwaltung müsse prinzipiell die Träger darauf hinweisen, dass, wenn Leistungen, für die städtische Gelder bereitgestellt würden, nicht mehr erbracht werden könnten, die Träger schauen müssten, wie sie im bestehenden System weiter vorgehen. Sicherlich sei es nicht so gewesen, dass die Träger in der Krise unverändert weitergearbeitet haben. In der Vorlage hätte detaillierter zu den Themen "Umfang des Überstundenabbaus" und "Umfang des Abbaus von Urlaubsansprüchen" informiert gehört. Nachdem die Träger erst jetzt Unterlagen bereitstellten, stelle sich für sie die Frage, was die Stadt seither den Trägern abverlangt habe. Es gehe hier um öffentliche Gelder, und die Stadt stehe in der Verantwortung, wie diese Mittel verwendet werden. Ein Viertel der baden-württembergischen Arbeitnehmer befinde sich in Kurzarbeit, und vor diesem Hintergrund könne die Stadt für freie Träger keine Schutzschilde aufbauen, die letztlich von der Bürgerschaft, und damit auch von Menschen, die von Kurzarbeit betroffen seien, finanziert werden müssten. Daher werde eine detaillierte schriftliche Beantwortung des Antrags Nr. 190/2020 erwartet. Zwar sei eine Zustimmung zum Beschlussantrag alternativlos, aber letztlich werde diese Zustimmung als "bitter" empfunden. Hierbei bezieht sie sich auf die heutige, außerhalb der Tagesordnung stattgefundene Beratung "Abgabe von Erklärungen zum Antrag Nr. 196/2020 'Haushaltserlass vor Inkrafttreten im VA vorstellen und diskutieren!' vom 26.05.2020 (SPD)", heutige NNr. 169. Sollte es in Zukunft zu einem zweiten Shutdown oder zu einer ähnlichen Situation kommen, müssten die Träger die Inanspruchnahme von Kurzarbeit hinterfragen.

Um Klarheit über die Geschehnisse zu erhalten, spricht sich auch StR Perc dafür aus, die im genannten Antrag gestellten Fragen zu beantworten. Mit öffentlichen Mitteln gehöre verantwortungsbewusst umgegangen, und es sei nicht denkbar, bestimmte Bereiche von Sparanstrengungen auszuklammern. Eine Beantwortung der Antragsfragen erachtet StRin Yüksel ebenfalls für notwendig. Für die Ausführungen von StRin Ripsam zeigt StR Walter gewisses Verständnis. Berücksichtigt gehöre allerdings, dass die Träger auf das Handeln der Verwaltung geachtet hätten, die Stadt habe in ihren Einrichtungen bei Erzieherinnen und Erziehern nicht auf Kurzarbeit gesetzt, sondern diese seien anderweitig eingesetzt worden. Eine hochproblematische Situation hätte sich dann ergeben, wenn die Stadt beim Personal der freien Träger auf Kurzarbeit bestanden hätte.

In der Folge betont die Vorsitzende, eine Zustimmung mit Bedauern sei nicht gerechtfertigt. Dem Beschlussantrag könne heute mit gutem Gewissen zugestimmt werden. Zu Beginn der Krise habe man aus der Presse erfahren, dass der Bundestag ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen wolle. Auf dieser Grundlage habe sie dann sofort Kontakt mit den Liga-Vertretern aufgenommen. Zwei Tage später sei eine gemeinsame Arbeitsgruppe auf den Weg gebracht worden, die sich mit der Fragestellung befasst habe, welche, auch alternative Leistungen von den freien Träger benötigt werden und ob dafür Bereitschaft besteht. Danach ruft sie in Erinnerung, vor einigen Wochen seien Notunterkünfte angemietet worden und Not-Essenspakete bestellt worden. Es sei nicht absehbar gewesen, ob die Pandemie zu einer großen Krisensituation in der Stadt führe, in der Menschen ernährt und als Quarantänemaßnahme in Fürsorgeunterkünften untergebracht werden müssten. In dieser Zeit seien die Träger bereit gestanden, und in dieser Phase hätten diese ihre Angebote umgestellt. Kein Träger sei beschäftigungslos gewesen, sondern diese hätten weiter volle Leistungen erbracht. Dies habe sie auch von den Trägern erwartet. Den Trägern gegenüber habe sie zugesagt, sie werde sich für ihre Weiterförderung einsetzen, wenn sie bereit seien, die volle Flexibilität für alle notwendigen Leistungen zu erbringen. Um zusätzliche Mittel sei es nicht gegangen, sondern um eine Fortsetzung der bestehenden Förderung. Die freien Träger hätten das Eingeforderte bis heute eingehalten. Dies könne sie mit gutem Gewissen sagen, da z. B. Träger innerhalb weniger Tage eine Ferien-Notbetreuung organisiert hätten.

Eine Information von EBM Dr. Mayer aufgreifend fährt BMin Fezer fort, für städtische Erzieher/-innen sei es aufgrund fehlender Voraussetzungen überhaupt nicht möglich gewesen, in Kurzarbeit zu gehen. Gleiches gelte auch für die freien Träger. Die Tatsache, dass die freien Träger mit ihren Personalvertretungen verhandelt hätten, beruhe darauf, dass sie in der angesprochenen Arbeitsgruppe gebeten habe, abzuklären, ob Kurzarbeit möglich sei. Diese Abklärung sei auch erfolgt, aber weder im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeits- und Angebotskapazitäten noch im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben seien Anträge auf Kurzarbeit möglich und auch nicht sinnvoll gewesen. Die einzige Ausnahme sei ein Kitabetreiber gewesen. Dieser Betreiber habe allerdings nur seinen Kitabetrieb im Angebot.

Ergänzend wird von Frau Dr. Heynen (JugA) vorgetragen, die von StRin Ripsam geäußerte Sorge um den städtischen Haushalt könne sie, da es ihr wichtig sei, die Jugendhilfe zu erhalten und weiterzuentwickeln, nachvollziehen. Die 314 Stuttgarter Jugendhilfeträger seien bereits am 17.03.2020 aufgefordert worden, gemeinsam zu überlegen, wie sie reagieren könnten. Zwar seien Kindertagesstätten und Jugendhäuser geschlossen worden, aber dies bedeute ja nicht, dass die Fachlichkeit bzw. dass personelle Angebote damit entfallen seien. Vielmehr sei das Angebot zurückgefahren worden.

Kurzarbeit sei für städtische Beschäftigte, aber auch für Beschäftigte von kirchlichen Trägern nicht möglich. In der letzten Nacht sei dies durch ein offizielles Schreiben des Städtetags bestätigt worden. Neben der Stadt und den kirchlichen Trägern gebe es in Stuttgart sehr viele Komplexträger. Diese leisteten wie im Übrigen auch die Stadt neben ihren Kindertageseinrichtungen z. B. Hilfen zur Erziehung. Die städtischen Mitarbeiter/-innen von Kitas seien nicht nur beim Gesundheitsamt und beim Bürgertelefon, sondern zudem bei den Erziehungshilfen, da vulnerable Personen die persönlichen Arbeiten nicht mehr leisten konnten, eingesprungen. Anallog seien die Komplexträger vorgegangen.

Stationäre Träger seien gezwungen gewesen, die Schließzeiten der Schulen zu kompensieren. Dafür sei in dem Entgelt für stationäre Hilfe allerdings überhaupt nichts vorgesehen, da, wenn Kinder morgens den Schulunterricht besuchten, in diesen Einrichtungen kein Fachpersonal benötigt werde. Die externen, Nicht-Stuttgarter Träger stellten der Stadt dieses zusätzliche Modul in Rechnung. Mit den Stuttgarter Trägern sei vereinbart worden, dass diese davon absehen, da sie mit eigenem Personal hier hätten aushelfen können. Außer Frage sei gestanden, dass sich die gesamte Situation sehr schnell verändern könne. So wisse man seit heute Nacht, dass ab 02.06.2020 die Jugendhäuser wieder öffnen könnten. Insgesamt könne gesagt werden, es sei versucht worden, mit den Trägern alle denkbaren Möglichkeiten auszuschöpfen.

Für StRin Ripsam ergibt sich die Frage, weshalb diese Informationen nicht in der Vorlage aufgeführt sind.

Abschließend stellt BMin Fezer fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.
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