Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
415/2015
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 28.10.2015
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, BMin Fezer
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Stuttgarter Fokus-Aktionsplan zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

Vorgang:

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 19.10.2015, öffentlich, Nr. 143
Ergebnis: Kenntnisnahme


Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 06.10.2015, GRDrs 415/2015.

Bekanntlich, so OB Kuhn, habe man einen umfangreichen Prozess gestartet, um auf städtischer Ebene, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu gewährleisten. Mit dem in der GRDrs 415/2015 enthaltenen Bericht, sei dieser Prozess sozusagen programmatisch abgeschlossen. In Arbeitsgruppen seien die Themenfelder identifiziert und beschrieben worden, bei denen die Behindertenrechtskonvention, das Thema der Inklusion, umgesetzt werden soll. Zur Kritik, weshalb sich dies noch nicht im Doppelhaushaltsplanentwurf 2016/2017 niedergeschlagen hat, betont der Vorsitzende, erst nach der Vorlage des Berichts könne über Konsequenzen für den Haushalt gesprochen werden. Der Etatentwurf 2016/2017 beinhalte durchaus Inklusionselemente (z.B. Maßnahmen in Schulgebäuden). Inklusionspolitik finde also statt, und zugesichert werde, dass die Verwaltung die Anträge der Fraktionen bis zur 2. Lesung bewertet. Anschließend habe der Gemeinderat zu entscheiden, was er noch im Etat berücksichtigen möchte.
Der Inklusionsprozess in Stuttgart, d. h. die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, sei ein sehr langfristiger Prozess. Bis sich die Stadt im Sinne der Konvention vollumfänglich in eine inklusive Stadt entwickelt, würden noch viele Jahre vergehen.

Von BMin Fezer, der verantwortlichen Prozessleiterin, wird ergänzt, der heutigen Beratung wohnten Vertreter der Gruppen bei, die sich in Arbeitsgruppen über Monate hinweg intensiv mit einer Vorschlagsliste im Rahmen der Erarbeitung des Fokus-Aktionsplans befasst haben. Das nun Vorgelegte stelle noch nicht den Fokus-Aktionsplan Inklusion dar, sondern es handle sich um einen ersten Aufschlag mit vielen Vorschlägen. Mit diesen Vorschlägen müsse man sich nun auf kommunalpolitischer Ebene auseinandersetzen.

Vorgeschlagen werde eine Reihe von Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind. Diese seien bereits beziffert. Insofern erfolge in der Vorlage eine abgestufte Darstellung. In den Querlisten der Anlage, habe man alle Vorschläge, die in diesen Arbeitsgruppen erarbeitet wurden, insgesamt mit Zuständigkeiten und mit ersten Ansätzen beschrieben. Diese Vorschläge sollen nicht nur für die anstehenden, sondern auch für zukünftige Etatberatungen als Beratungsgrundlagen dienen. In den Arbeitsgruppen sei immer wieder deutlich gemacht worden, dass am Ende der Gemeinderat als politischer Souverän entscheidet. Natürlich müsse nun signalisiert werden, dass der vom Rat angestoßene partizipative Prozess ernst genommen wird, indem sich der Gemeinderat ernsthaft mit den Vorschlägen auseinandersetzt.

Die Fraktionen bedanken sich bei den Teilnehmerinnen/Teilnehmern des Beteiligungsprozesses sowie bei der Verwaltung für die gute Organisation des Prozesses.

Die im Aktionsplan enthaltenen Maßnahmen werden von StRin Ripsam (CDU) im Namen ihrer Fraktion als diskussionswürdig bezeichnet. Eines der Themen, nämlich "die Toilette für alle", habe sie bereits während der Sommerpause aufgegriffen. Ihre Hoffnung ist, dass einige der Maßnahmen, also Maßnahmen, die keinen umfänglichen Planungsprozess benötigen, in den Etatberatungen bereits aufgegriffen und schnell umgesetzt werden. Die Vorlage sei spät, wahrscheinlich für die internen Etatberatungen der Fraktionen zu spät, vorgelegt worden. Da die Fraktionen sich aber an verschiedenen Veranstaltungen beteiligt haben und über diverse Kontakte verfügen, sei ihnen bekannt, wo Dinge auf den Weg gebracht werden müssen. Insofern könne in den Haushaltsplanberatungen in die Umsetzung einzelner Maßnahmen eingetreten werden.

Auf die intensive Erörterung im Sozial- und Gesundheitsausschuss hebt StR Stopper (90/GRÜNE) ab. Da es sich um ein ämterübergreifendes, um ein Thema, das sich an die gesamte Stadtgesellschaft richtet, handle, sei es gut, dass sich damit auch der Finanzausschuss des Gemeinderates befasst. Alle Teile der Gesellschaft hätten sich beispielsweise um das Thema barrierefreies Bauen zu kümmern. Auch seine Fraktion habe hinsichtlich der Haushaltsplanberatungen die späte Vorlage der Gemeinderatsvorlage kritisiert. Letztlich gehe es aber um eine Frage des Erwartungsmanagements; in den Beteiligungsprozess seien Erwartungen, die sich stark an den Gemeinderat richten, geweckt worden.

Mit Blick auf gestellte Haushaltsanträge geht er ebenfalls davon aus, dass im Etat 2016/2017 im Sinne des Aktionsplans bereits einiges auf den Weg gebracht werden kann.

Von StRin Gröger (SPD) wird erklärt, durch die Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention müsse in Deutschland die gesamte Gesellschaft auch bei Beteiligungsverfahren umlernen. Schon bei den letzten Etatberatungen sei versucht worden, den Aktionsplan aufzustellen. Es gebe bereits eine Reihe von Städten in Deutschland, die über solche Aktionspläne verfügen, allerdings gebe es keine Stadt, die ihrem Aktionsplan noch das Wort "Fokus" voranstellt. Der mit dem Umdenken verbundene Lernprozess gehöre im Interesse einer schnellen Umsetzung gestrafft. Dinge, die sofort angegangen werden können, seien bereits angesprochen. Die SPD-Gemeinderatsfraktion habe darüber hinaus noch Themen in ihren Haushaltsanträgen benannt. Eine Stadt, die alle Menschen, unabhängig von deren Handicap, mitnimmt, sei eine Stadt, in der alle Menschen gut leben. An Maßnahmen, wie die Begleitung von Gemeinderatssitzungen durch Gebärdendolmetscher, wolle man weiter arbeiten. Der erste Einsatz von Gebärdendolmetschern während der Allgemeinen Aussprache zum Doppelhaushaltsplanentwurf 2016/2017 am 22.10.2015 sei für viele Menschen, die bisher von solchen Sitzungen ausgeschlossen waren, ein wichtiger Schritt gewesen.

Danach unterstreicht StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS), für einen Gemeinderat könne es nichts Schöneres geben, als für alle Menschen in einer Stadt Teilhabe-chancen zu schaffen, sodass ein Leben in Würde und Selbstbestimmung möglich ist. Einerseits begrüßt er, dass seitens der Verwaltung auch schon umsetzbare Punkte benannt werden, andererseits kann er nicht nachvollziehen, warum die im Zusammenhang mit diesem Aktionsplan stehenden grundsätzlichen Dinge sich nicht in der grünen Liste der Verwaltung zum Doppelhaushaltsplanentwurf 2016/2017 wiederfinden. Für Beteiligungsprozesse erwartet er mehr Ernsthaftigkeit im Sinne von Verbindlichkeit. Mit der Erklärung "Letztlich entscheidet der Gemeinderat", machen es sich der Herr Oberbürgermeister und die Verwaltung zu leicht.

Das Inklusionsthema hat für StRin von Stein (FW) auch mit einem Paradigmenwechsel "weg von Sondereinrichtungen etc." zu tun. Richtig und nachvollziehbar sei, dass nun eine über viele Jahre entwickelte gewachsene Infrastruktur verändert werden muss. Dies benötige jedoch Zeit. So werde beispielsweise seitens der SSB erklärt, wie unglaublich komplex es sich darstellt, die Stadtbahnhaltestelle Charlottenplatz barrierefrei zu gestalten. Zur Bewältigung dieser Querschnittsaufgabe sei es erforderlich, die gesamte Gesellschaft zu sensibilisieren.

Insgesamt positiv zum Bericht äußert sich StR Prof. Dr. Maier (AfD). Im Detail begrüßt er, dass die mit überschaubarem Aufwand realisierbaren Maßnahmen bereits im Ansatz beziffert sind. Schwierigkeiten, auch in zeitlicher Hinsicht, erwartet er bei der Forderung, den gesamten ÖPNV binnen sieben Jahren barrierefrei zu machen.



Dass auch ihre Fraktion entsprechende Haushaltsaträge gestellt hat, hebt StRin Yüksel (FDP) hervor. Insbesondere bittet sie die Fraktionen, den Antrag für einen Online-Stadtführer zu unterstützen.

Anschließend wird durch den Vorsitzenden nochmals unterstrichen, dass mit der GRDrs 415/2015 ein bedeutender Bericht vorgelegt worden ist. Dass Dinge im Haushaltsplanentwurf noch nicht enthalten seien, sage nichts über die Wertschätzung dieses Themas durch die Verwaltung aus. Nun könne der Fokus-Aktionsplan diskutiert werden, und in der Folge entscheide der Gemeinderat, was zusätzlich in den Haushaltsentwurf aufgenommen werden soll.

Im weiteren Verlauf bedankt er sich bei der Breuninger Stiftung für die hervorragende Moderation des Prozesses. Von Anfang an habe er sich dafür ausgesprochen, einen Plan zu erstellen, der nicht nur in die Breite geht, sondern Schwerpunkte setzt. Ohne Prioritätensetzungen werde keine vernünftige Umsetzung stattfinden. Verhindert gehöre, dass Inklusion und die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention alleine als Kostenthemen verstanden werden. Ziel der Stadt müsse vielmehr sein, mit Maßnahmen und einer klaren Haltung zum Thema Inklusion voranzukommen. Vor diesem Hintergrund habe er die Bezeichnung Fokus-Aktionsplan gewählt.

StRin Gröger erinnert an einen Antrag ihrer Fraktion, wonach der Fokus-Aktionsplan noch in diesem Jahr auch im Gemeinderat beraten werden soll. Zu diesem Antrag nimmt OB Kuhn eine positive Haltung ein. Im der Vollversammlung sollte dann allerdings eine breite Diskussion stattfinden; Redebeiträge sollten vom Rednerpult aus erfolgen. Ins Auge fasst der Vorsitzende, bei dieser Beratung wiederum Gebärdendolmetscher einzusetzen. Konkret sagt er zu, sich noch im laufenden Jahr um eine Terminierung zu kümmern. Mit einer Beratung der GRDrs 415/2015 erhalte die Mitteilungsvorlage die ihr zustehende Bedeutung für die Stadtpolitik.

StR Stopper ermuntert alle Beteiligten, den angestoßenen Prozess, nicht nur was die Umsetzung der Planinhalte angeht, sondern auch was deren Weiterentwicklung betrifft, voranzubringen. Es gebe den Vorschlag, der sich aus dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz ableitet, einen Beirat zu gründen. Dieses sollte im nächsten Jahr angegangen werden. Mit der Bildung dieses Beirats geht er davon aus, dass die Stadtpolitik eine gute Perspektive verfügt, das Thema voranzubringen.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Verwaltungsausschuss hat von der GRDrs 415/2015 Kenntnis genommen.

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