Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
369
15a
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 12.10.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:der Vorsitzende, BMin Dr. Sußmann
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: "Große administrative Herausforderung" beim Wohngeld jetzt entschlossen angehen
- Antrag Nr. 308/2022 vom 30.09.2022 (SPD)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Von BMin Dr. Sußmann wird vorgetragen, bekanntlich werde die Umsetzung der Wohngelderhöhung sowie die Umsetzung der Ausweitung der Wohngeldberechtigten zu immensen Herausforderungen führen. Die Fachverwaltung rechne mit einer Verdreifachung der Antragstellungen. Die bearbeitenden Stellen, auch die bei den Bezirksämtern, müssten so strukturiert werden, dass mit dem vorhandenen und dem zukünftigen Personal den Anforderungen Rechnung getragen werden könne. Durch die vom Bund, gekoppelt an das Wohngeld für September bis Dezember 2022 vorgesehene Pauschale werde davon ausgegangen, dass sich die für 2023 angekündigten Reformen vorverlagern. Von daher werde noch im Jahr 2022 mit steigenden Antragszahlen gerechnet. Der Verwaltung sei es wichtig, schnell entsprechend tätig zu werden. Morgen finde mit den Referaten AKR und WFB sowie mit den Personalvertretungen (GPR und örtlichem PR) ein erster Austausch darüber statt, welche ämterübergreifende Struktur sehr schnell gute Lösungen ermögliche (ohne lange Mitzeichnungen und Abstimmungen). Mit dem Herrn Oberbürgermeister sei beispielsweise noch abzustimmen, in welchem Format gearbeitet werden solle (z. B. Task Force), um zügig Handlungsfähigkeit herzustellen. Der Gemeinderat werde einbezogen.

Im weiteren Verlauf unterstreicht die Bürgermeisterin, der in Rede stehende Bereich gehöre zu den Bereichen, bei denen es spürbar an Fachkräften mangele. Hier sei festzustellen, dass das vorherrschende Gehaltsgefüge nicht sehr attraktiv sei. Damit seien auch die Umlandgemeinden konfrontiert. Der Eindruck verstärke sich, dass alle Kommunen um dieselben Kräfte ringen. Immer wieder müsse man sich mit den Themen Standortattraktivität und Bezahlgefüge/Arbeitsbedingungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung beschäftigen.

StRin Meergans (SPD), die sich für die Berichterstattung bedankt, äußert sich im Sinne der Antragsinhalte. Für die Berichterstattung bedanken sich ebenfalls StR Sauer (CDU) und StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Die Stadträtin verweist zudem auf den Antrag Nr. 281/2022 "Wohngeld ist kein Almosen! Jetzt Kampagne starten!" ihrer Fraktion vom 14.09.2022. Sie fragt nach, wie mit diesem Antrag weiter verfahren wird. Bezogen auf ein Schreiben einer Wohngeldstellen-Mitarbeiterin thematisiert StRin Meergans die Arbeitsbedingungen und das Tarifgefüge in anderen Bereichen der Leistungsgewährung. Zum letzten Aspekt bittet sie um Prüfung. Die Neuerungen beim Wohngeld stellen für StR Sauer eine administrative Herausforderung dar. Abhebend auf einen Bericht der Stuttgarter Zeitung in der letzten Woche bezeichnet er das Antragsverfahren als Bürokratiemonster. Vor diesem Hintergrund geht es für ihn auch um eine Verschlankung des Verfahrens. Weiter thematisiert er die Zulagenfrage. Die Diskussion zu den Wohngeldstellen sei dieselbe wie bei der Ausländerbehörde und bei den Bürgerbüros. Wie StR Sauer spricht StRin Rühle (90/GRÜNE) die befristeten Stellen bei den Wohngeldstellen an. Eventuell, so StRin Tiarks, sollte doch über eine allgemeine Stuttgart-Zulage nachgedacht werden.

Zugesichert wird seitens des Vorsitzenden, dass die organisatorischen Abläufe bei den Bürgerbüros, personalwirtschaftliche Gesichtspunkte (z. B. Prüfung von Bewertungsspielräume, Zulagen) und Digitalisierungspotenziale, also alle relevanten Aspekte, angeschaut werden. Er spricht von einer multiplen Krisensituation. Mit den Wohngeldstellen werde ein Bereich betroffen, der ohnehin bereits stark strapaziert sei. Reserven seien keine vorhanden. Zaubern könne die Verwaltung natürlich nicht, aber es werde versucht, so gut wie möglich vorzugehen.

Für Frau Häußler (GPR) sind fehlende bzw. nicht besetzte Stellen ein Stück weit der Normalzustand in vielen Bereichen der Stadtverwaltung. Hinzu kämen neue, große Aufgaben. Angesichts der Entwicklung des Ukrainekrieges geht sie von weiter steigenden Flüchtlingszahlen aus. Hierzu fragt sie, wie darauf die Verwaltung vorbereitet ist. Vieles ist für sie beim derzeitigen Gehaltsgefüge nicht stimmig. Dazu habe die Personalverwaltung beim Haupt- und Personalamt einen Vorschlag erarbeitet. Der GPR halte eine Stuttgart-Zulage für alle Beschäftigten, insbesondere für die unteren Gehaltsgruppen, für zwingend erforderlich. Ohne ein solch deutliches Signal werde es nicht gelingen, die Personalsituation zu normalisieren. Grundsätzlich vermisst sie eine politische Diskussion über den Personalmangel im öffentlichen Dienst. Die Fraktionen bittet sie, mit ihren politischen Kontakten zu versuchen, dieses Thema in den Vordergrund zu rücken.

Einigkeit besteht für den Ersten Bürgermeister darin, dass gerade in den Bereichen mit direktem Bürgerkontakt (Ausländerbehörde, Bürgerbüros, Wohngeldstellen, Kfz-Zulas-sungs- und Führerscheinstelle etc.) bei Fachkräften eine absolute Mangelsituation herrscht. Dort gebe es z. T. 20 bis 30 % unbesetzte Stellen. Gerade für die dort Beschäftigten wolle man ja mit Vorschlägen wie z. B. dem eines Frontoffice Hubs die Arbeitsbedingungen verbessern.

Zu bedenken gibt er, um Stellenpläne mit je 1.000 Stellenschaffungen wie sie der Gemeinderat Ende 2019 und Ende 2021 beschlossen habe umzusetzen, und dies habe er bereits in einer Sitzung des Personalbeirats dargelegt, würden, bedingt durch die Teilzeitquote, durch die Kündigungsquote und durch die Altersfluktuation 2.600 Menschen benötigt. Wenn nach diesen Personalhaushalten angeschaut werde, welche Stellen noch offen seien, müsse resümiert werden, dass sich die Verwaltung gut geschlagen habe (z. B. über 400 Einstellungen im Jahr 2022). Gleichwohl gebe es nach wie vor bei der Personalgewinnung Probleme. Dies treffe im Übrigen auf den gesamten öffentlichen Dienst zu. Nach und nach rücke dies wohl in das Bewusstsein. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL habe jüngst auf der Titelseite den Aufmacher gebracht "Wo sind denn alle hin?", und in dieser Ausgabe sei prognostiziert worden, dass im öffentlichen Dienst deutschlandweit bis zum Jahr 2030 möglicherweise 1 Mio. Menschen fehlen werden. Dieses Thema müsse zuvörderst auf Bundes- und Landesebene, bei den Tarifparteien und bei den Besoldungsreformen behandelt werden. An dieser Stelle wird von ihm mit Nachdruck der Entwurf des Landesbesoldungsanpassungsgesetzes kritisiert. Das mit diesem Gesetz Vorgesehene werde zu etlichen Schiefständen in der Verwaltungsbesoldung führen. Die Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht für die Einstiegsbesoldung im einfachen und mittleren Dienst aufgegebenen Alimentationsprinzips werde zu großen Problemen führen, da die Bezahlung innerhalb der Personalkörper erheblich durcheinandergewirbelt werde. Dies führe zu Unruhe bei der städtischen Belegschaft. Damit müssten sich höhere Ebenen beherzter befassen.

Weiter betont er, die Einführung einer Zulage werde nicht die Probleme lösen. Die Wirkungsmechanismen von Zulagen seien kompliziert. Wie schon gesagt konkurrierten alle Kommunen um dieselben Personen. In München habe eine Ballungsraumzulage dazu geführt, dass die Nachbarkommunen von München notgedrungen nachgelegt hätten. Damit sei der kurzfristige Wettbewerbsvorteil von München nahezu ausgeglichen worden.

Die Hauptaufgabe sieht er in nächster Zeit darin, den Personalkörper der Stuttgarter Stadtverwaltung weiter zu öffnen. Dies werde angegangen, indem dem Thema Quereinstieg (flankiert mit Nachqualifizierungen) eine immer größere Bedeutung zugemessen werde.

An StR Sauer gewandt fährt der Vorsitzende zum Konnexitätsprinzip fort, wenn wieder einmal Neuregelungen zulasten der Stadt gingen, würden BM Fuhrmann und er aktiv. In der Regel müssten die Kommunen bei neuen Aufgaben in Vorleistung gehen. In zähen Verhandlungen werde dann versucht zu klären, wer, in welchem Umfang und nach welchem Schlüssel für die erforderlichen Aufwendungen aufkomme. Ein Phänomen der letzten Jahre sei, dass Bund und Land Aufgaben an die Kommunen durchschieben, ohne dass entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden. Stuttgart habe in vielen Bereichen auf eigene Rechnung für die Erledigung von Pflichtaufgaben höherer Ebenen Stellenaufbau betreiben müssen.

BMin Dr. Sußmann begrüßt die Wohngeldreform, das Bürgergeld sowie die Tatsache, dass ukrainische Flüchtlinge direkt in SGB II-Bezug kommen. Sie ergänzt, die Schnelligkeit, wie diese Dinge von Bundesseite auf den Weg gebracht werden, sowie die bei der Bürgerschaft geweckte Erwartungshaltung, dass alles sehr schnell und unbürokratisch umgesetzt werden könne, bedeute allelrdings für die Stadtverwaltung komplexeste Verfahren und komplizierteste Abrechnungsmodi. Beispielhaft stellt sie die Abläufe bei der Ausbezahlung der Energiepauschale dar. Zudem gebe es viele Vorgänge mit einer hohen Prüfungsdichte.

Die Erwartungen an die Verwaltung, dass alles schnell und ohne Warteschlangen ermöglicht werden könne, ließen sich angesichts der absehbaren Entwicklungen nicht immer erfüllen. Dies müsse vielleicht auch in einer gewissen Form in die Öffentlichkeit getragen werden.

Auf Nachfrage von StRin Rühle kündigt die Bürgermeisterin an, dass die Verwaltung mittels Internet, Social Media etc. über die Neuerungen beim Wohngeld sowie darüber informiert, was die Bürgerschaft unternehmen muss, um die zustehenden Leistungen zu beantragen.

Die Stellenzahl der Wohngeldstellen beziffert BMin Dr. Sußmann auf 34 plus 10,5 Ermächtigungen. 9 Stellen seien unbesetzt.

Zum Ende ihrer Ausführungen sagt die Bürgermeisterin zu, den Gemeinderat über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

Abschließend stellt EBM Dr. Mayer, ohne dass sich Einwendungen ergeben, fest:

Der Verwaltungsausschuss hat vom Bericht der Verwaltung Kenntnis genommen.

Der Antrag Nr. 308/2022 ist behandelt.
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