Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR
GRDrs 80/2018
Stuttgart,
02/01/2018


Vergabe des Hannsmann-Poethen-Literaturstipendiums der Landeshauptstadt Stuttgart 2018



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
27.02.2018
07.03.2018

Bericht:



Das Hannsmann-Poethen-Literaturstipendium der Stadt Stuttgart wird 2018 an die Autorin Lara Hampe und an Vera Sebert, deren Arbeiten sich in den Grenzbereichen von visuellen Medien, Sprache und Film bewegen, verliehen. Eine Fachjury hat über die Vergabe des spartenübergreifenden Stipendiums an die beiden Künstlerinnen in ihrer Sitzung am 14. Dezember 2017 entschieden. Um das Stipendium hatten sich 44 Künstler-Tandems beworben.

Es nahmen als stimmberechtigte Jurorinnen und Juroren an der Sitzung zur Vergabe teil: Frau Adrienne Braun (Kulturjournalistin und Autorin), Frau Christine Fischer (Intendantin Musik der Jahrhunderte und Leitung des Festivals ECLAT), Frau Uta-Maria Heim (Autorin und Hörspiel-Redakteurin des SWR), Herr Prof. Boris Michalski (Professor für Medienproduktion und kreatives Projektmanagement an der Hochschule der Medien in Stuttgart) sowie die zuständige Fachreferentin für Literatur, Frau Eva-Maria Rembor. Die Jurorin Frau Prof. Elisabeth Schweeger (Geschäftsführerin und Direktorin der Hochschule für Darstellende Kunst in Ludwigsburg) war für die Sitzung entschuldigt.

Das Hannsmann-Poethen-Literaturstipendium wird im zweijährigen Turnus an ein Künstler-Tandem vergeben. Es umfasst einen Förderbetrag von 15.000 Euro sowie die Mietkosten für einen dreimonatigen Aufenthalt in Stuttgart, der nicht zwingend am Stück stattfinden muss.


Projektvorhaben

Die Stipendiatinnen möchten sich in Stuttgart der Frage nähern, welche Form Literatur annehmen kann. Dabei wollen sie die klassische Lesung aufbrechen und an einer vielschichtigeren und sinnlichen Form arbeiten, indem sie mit verschiedenen Formaten aus den Bereichen Film, interaktive Netzkunst und Klangkunst experimentieren. Das Arbeitsmaterial sind selbstangelegte digitale Bild-, Film-, Sound-und Textsammlungen, die durch neue Eindrücke und Erfahrungen in Stuttgart erweitert werden. Mit Hilfe von verschiedenen Computerprogrammen entwickeln Lara Hampe und Vera Sebert daraus künstlerische Versatzstücke, die miteinander kooperieren und für verschiedene Veranstaltungsformate variabel kombinierbar bleiben. Sie interessiert vor allem, partizipative, skulpturale Formate im Raum zu erproben und die Möglichkeiten elektronischer Sensoren – wie Live-Webcams und Mikrofone – miteinzubeziehen. Durch aktives Eingreifen soll zudem der Zuschauer ein eigenes stark variables Narrativ schaffen, das sich nie festschreiben lässt.

Welche Sprache vermag es, eine von Performativität geprägte Gegenwart einzufangen? Was ist in Zeiten nach dem Ende der „großen Erzählung“ noch erzählbar? Die Stipendiatinnen denken Autorschaft außerhalb des Schreibtisches und Literatur in den Zwischenräumen von Text, Bild und Aktion. Lara Hampe und Vera Sebert werden sich von Anfang Juli bis Ende September in Stuttgart aufhalten.


Begründung der Jury

Der Begriff ist derzeit allgegenwärtig: Algorithmen bestimmen unseren Alltag wie nie zuvor. Die Autorin Lara Hampe, 1994 geboren, und die Künstlerin Vera Sebert, 1987 geboren, gehören zu einer Generation, die mit den Neuen Medien aufgewachsen ist und die deren Möglichkeiten selbstverständlich in ihre künstlerische Arbeit einbeziehen. In ihrem Projekt „Text-Vektor-Raum“ wollen die beiden eine künstlerische Antwort geben auf den Umgang mit Computeralgorithmen, die sich zu verselbstständigen scheinen. Sie wollen den Zusammenhang zwischen realer Erfahrung und digitalen Technologien ausloten und untersuchen, wie digitale Technologien auch für die Literatur genutzt werden können. In einem offenen Prozess jenseits herkömmlicher Gattungsgrenzen soll künstlerisch erforscht werden, wie Wahrnehmung im digitalen Erlebnisraum funktioniert.

Damit betreten die beiden Neuland. Auch wenn das Konzept vieles offen lässt, hat die Jury die selbstbewusste und klare Position der jungen Künstlerinnen überzeugt. Unvoreingenommen, aber nicht unkritisch greifen sie hochaktuelle gesellschaftliche Fragen auf und appellieren an eine eigenständige Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit unserer medialen Wirklichkeit. Sie setzen sich mit Themen auseinander, die in ihrer Generation oft selbstverständlich adaptiert werden, und plädieren dafür, sich die Deutungshoheit über das eigene Leben zu bewahren und der virtuellen Welt die Kraft der eigenen Sprache und Körperlichkeit entgegenzusetzen.

Vielversprechend ist auch der partizipative Ansatz des Projekts, das das Publikum in einer interaktiven Rauminstallation, auf einer interaktiven Webseite oder bei einer experimentellen Lesung direkt einbinden will. Das Konzept hat die Jury auch neugierig gemacht, weil es verspricht, Antworten auf Fragen zu geben, die vielleicht noch nie gestellt wurden – etwa danach, ob das literarische Subjekt eines Tages von Big Data, Machine Learning oder einer wie auch immer gearteten Artificial Intelligence ersetzt wird – oder ob es dem durch digitale Medien Fremdbestimmten die eigene poetische Sprache entgegensetzt.


Biografien

Lara Hampe, geboren 1994 in München, studiert seit 2014 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und absolvierte 2016/17 ein Gaststudium an der Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2017 studiert Hampe daneben an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Sie war Finalistin beim Open Mike 2014 und Stipendiatin beim Klagenfurter Literaturkurs 2015 und der lit.RUHR 2017. Sie veröffentlichte in Zeitschriften und Anthologien, u. a. in "Wie wir leben wollen", Suhrkamp 2016. Ihr erster Film "Sachstand" wurde bei mehreren internationalen Filmfestivals gezeigt, unter anderem beim Kasseler Dokfest 2017.

Vera Sebert, geboren 1987 in Freiburg im Breisgau, studierte 2007 bis 2015 Freie Kunst an der Hochschule für bildende Kunst Braunschweig und an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie schloss als Meisterschülerin ab. 2015 folgt ein Studium der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien und ein DAAD Stipendium Erasmus+ für Graduierte. 2017 erhielt Sebert ein Aufenthaltsstipendium im Künstlerdorf Schöppingen. Ihre künstlerischen Arbeiten bewegen sich in den Grenzbereichen von visuellen Medien, Sprache, Film und Computerprogrammen.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Fabian Mayer
Bürgermeister





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