Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
0322-04
GRDrs
678/2021
Stuttgart,
07/23/2021
Entscheidung über die Zulässigkeit des Einwohnerantrags "Klimagerechtes Stuttgart: Neue Impulse durch einen Bürger*innenrat"
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
28.07.2021
28.07.2021
Beschlußantrag:
1. Der Einwohnerantrag „Klimagerechtes Stuttgart: Neue Impulse durch einen Bürger*innenrat“ ist mangels Erreichen des notwendigen Quorums unzulässig.
2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrags durch Bescheid bekannt zu geben.
3. Die ersten beiden Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags werden bei der noch zu terminierenden Beratung des sich weitgehend mit der im Einwohnerantrag enthaltenen Angelegenheit deckenden Antrags 227/2021 („Mehr Beteiligung beim Klimaschutz – Bürger*innenrat einrichten“) im Gemeinderat als sachkundige Einwohner gem. § 33 Abs. 3 GemO zugezogen.
Begründung:
Die Unterschriftenlisten des Einwohnerantrags wurden am 24.06.2021 an eine Vertretung der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) aus dem Bereich der Stabstelle Klimaschutz des Referats Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität (S/OB-Klimaschutz) übergeben. Der Einwohnerantrag hat folgende Angelegenheit, welche im Gemeinderat behandelt werden soll, zum Gegenstand:
„Der Gemeinderat möge beschließen, einen losbasierten Klima-Bürger*innenrat einzuberufen. Dieser soll konkrete Lösungsvorschläge zur klimagerechten Stadtentwicklung zur Einhaltung des 1.5°C-Zieles des Pariser Klimaabkommens ausarbeiten. Zusätzlich soll der Rat eindeutige Emissionsziele für Stuttgart formulieren. Die Stadtverwaltung unterstützt den Bürger*innenrat organisatorisch und fachlich. Der Gemeinderat entscheidet über die Annahme der Lösungsvorschläge.“
Der Einwohnerantrag ist wie folgt begründet:
„Stuttgart hat sein Maßnahmenpotential für die Abwendung eines gefährlichen Klimawandels noch lange nicht ausgeschöpft – Klimaneutralität deutlich vor 2050 ist auch in Stuttgart machbar. Wo angesetzt werden kann, wissen die Stuttgarter*innen am besten. Ein organisierter, geloster Bürger*innenrat ermöglicht ihnen, selbstbestimmt die klimagerechte Gestaltung ihrer Stadt voranzubringen. Gemeinsam, im Dialog und rücksichtsvoll für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Geloste Räte werden immer häufiger zur Bewältigung drängender Fragen eingesetzt. Sie werden sowohl der Komplexität der Herausforderungen durch die Klimakrise als auch der Vielfalt der Stadtbevölkerung gerecht. Dank dem repräsentativen Losverfahren wird die volle Breite der Stuttgarter Lebensrealitäten bei allen Lösungsvorschlägen mitgedacht. Diese haben eine hohe Legitimität und Akzeptanz. Bürger*innenräte ermitteln einen breiten Konsens und liefern mehrheitsfähige, lokal wirksame Lösungsvorschläge zur Vorlage an den Gemeinderat. Dessen Entscheidungen werden somit tragfähiger und bürgernäher. Eine klimagerechte Stadt ist auch eine lebenswerte Stadt. Mit Vertrauen in seine Bürger*innen kann Stuttgart ausgetreten Pfade verlassen und den Schritt in eine nachhaltige Zukunft gehen.“
Eine Blanko-Musterunterschriftenliste ist als
Anlage 1
beigefügt.
Gemäß § 20b Abs. 3 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) entscheidet der Gemeinderat über die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags. Der Gemeinderat hat zu prüfen,
·
ob der Einwohnerantrag schriftlich eingereicht wurde,
·
ob der Einwohnerantrag hinreichend bestimmt und begründet ist,
·
ob bei einem gegen einen gefassten Beschluss des Gemeinderats gerichteten Einwohnerantrag die Ausschlussfrist von drei Monaten eingehalten ist,
·
ob nicht innerhalb des letzten Jahres bereits ein entsprechender Einwohnerantrag gestellt worden ist,
·
ob nicht ein gesetzlich bestimmtes Beteiligungs- oder Anhörungsverfahren dem Einwohnerantrag entgegensteht
·
ob es sich nicht um eine nach § 21 Abs. 2 GemO ausgeschlossene Angelegenheit handelt
·
ob es sich um eine Angelegenheit im Wirkungskreis der Gemeinderat handelt, für die der Gemeinderat zuständig ist, sowie
·
ob das notwendige Quorum erfüllt ist.
Es handelt sich dabei - wie bei Bürgerbegehren - um eine reine Rechtsprüfung ohne Ermessen.
Der Einwohnerantrag wurde schriftlich durch Übergabe der Unterschriften in Papierform eingereicht und enthält die oben angegebene Begründung; er ist hinreichend bestimmt und auch ausreichend begründet. Der Antrag richtet sich nicht gegen einen Gemeinderatsbeschluss, sodass keine Ausschlussfrist zu beachten ist.
Vorliegend steht dem Einwohnerantrag weder ein innerhalb des letzten Jahres bereits gestellter Einwohnerantrag noch ein gesetzlich bestimmtes Beteiligungs- oder Anhörungsverfahren entgegen.
Auch ist hinsichtlich des Einwohnerantrags zum einen keine der nach § 21 Abs. 2 GemO ausgeschlossenen Angelegenheiten betroffen und zum anderen eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, gegeben.
Während für die (dauernde) Einrichtung eines beratenden gemeinderätlichen Gremiums der Ausschlussgrund der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung eingreifen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 GemO) würde, da es sich beim Gemeinderat um ein Verwaltungsorgan der Gemeinde handelt, ist die mit dem Einwohnerantrag aus Sicht der Verwaltung allein bezweckte (zeitlich begrenzte) Maßnahme der informellen Bürgerbeteiligung gem. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die dialogische Bürgerbeteiligung (Dialogische-Bürgerbeteiligungsgesetz, DBG) in Form einer Bürgerrats zulässig. Für die Entscheidung über die Durchführung der vorliegend beabsichtigten Maßnahme gem. § 2 Abs. 1 DBG ist zudem die Zuständigkeit des Gemeinderats gegeben. Gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO ist der Gemeinderat zuständig, soweit nicht eine Zuständigkeit des Oberbürgermeisters gegeben ist. Es liegt hier weder eine Pflichtaufgabe nach Weisung noch ein Geschäft der laufenden Verwaltung vor. So betrifft die Aufgabenstellung des beabsichtigen Bürgerrats insb. freiwillige Aufgaben. Schließlich ist auch keine Übertragung der Aufgabe auf den Oberbürgermeister erfolgt, so dass der Gemeinderat vorliegend für die erstmalige Anwendung des Bürgerbeteiligungsinstruments „Bürgerrat“ zuständig ist.
In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner*innen müssen mindestens 1,5 Prozent der Einwohner*innen den Antrag unterstützen, jedoch maximal 2.500. Unterschriftsberechtigt ist, wer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung mindestens 16 Jahre alt ist und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnt. Für die Landeshauptstadt Stuttgart ergibt sich hieraus eine notwendige Anzahl von 2.500 Unterschriften.
Nach Überprüfung aller geleisteten Unterschriften seitens des Statistischen Amtes ist festzuhalten, dass das notwendige Quorum von 2.500 Unterschriften der antragsberechtigten Einwohner*innen
nicht
erfüllt ist. Von 2.527 insgesamt eingereichten Unterschriften waren lediglich 2.190 gültig. 337 Unterschriften (15,4 %) waren ungültig.
Auch wenn der Einwohnerantrag mangels Erfüllen des Quorums nicht zulässig ist, erscheint es sinnvoll, die in Stuttgart wohnenden Vertrauenspersonen in Anerkennung des geleisteten Engagements und vor dem Hintergrund ihrer vertieften Auseinandersetzung mit dem Thema der Einrichtung eines Bürgerrats Klimaschutz gem. § 33 Abs. 3 GemO als sachkundige Einwohner zu den Beratungen über den Antrag 227/2021 hinzuzuziehen. Die Verwaltung wird das Thema auf die Tagesordnung einer Sitzung des Gemeinderats nach der Sommerpause setzen und die beiden in Stuttgart wohnenden Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags entsprechend einladen.
Finanzielle Auswirkungen
keine
Beteiligte Stellen
Die Referate S/OB und AKR haben mitgezeichnet.
Vorliegende Anträge/Anfragen
keine
Erledigte Anträge/Anfragen
keine
Dr. Frank Nopper
Anlagen
Anlage 1 - Blanko-Musterunterschriftenliste des Einwohnerantrags
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