Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 489/2018
Stuttgart,
07/17/2018



Personalgewinnung und -erhaltung pädagogischer Fachkräfte - Trägerübergreifendes Konzept



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
23.07.2018
25.07.2018



Beschlußantrag:


1. Der Umsetzung der Sofortmaßnahmen zur Personalgewinnung entsprechend
2. Das Jugendamt wird ermächtigt, ab sofort bis 31.12.2019 Personal außerhalb des Stellenplans im Umfang von 0,5 VZK (EG 9a) für die Verwaltung der Personalzimmer (Ziff. 2.3) sowie 0,5 VZK (EG 10) für die Intensivierung der Auslandspersonalgewinnung (Ziff. 2.2.2) zu beschäftigen.

3. Den überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen sowie deren Deckung wird, wie im Kapitel „Finanzielle Auswirkungen“ im Detail dargestellt, zugestimmt:
2018: 3.496.000 €
2019: 3.708.200 €









Begründung:



1. Ausgangssituation: Fachkräftebedarf in Stuttgart

1.1 Problembeschreibung
Aufgrund der kontinuierlich gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung der Tagesbetreuung für Kinder wächst der Fachkräftebedarf stetig an. 2017 gab es ca. 400 Betreuungsplätze mehr als im Vorjahr, doch aufgrund der steigenden Geburtenzahlen und der Zuzüge nach Stuttgart konnte der Versorgungsgrad im Kleinkindbereich lediglich auf 43,2 Prozent gesteigert werden. Dem gegenüber stehen 3.457 Kinder zwischen 0-3 Jahren auf den Wartelisten, die keinen Betreuungsplatz haben und der beschlossene Ausbau um weitere 1.781 Plätze für Kinder zwischen 3-6 Jahren. Bei den derzeitigen Betreuungsschlüsseln und einer Teilzeitquote in Höhe von 55 % bei den Beschäftigten, entspricht dies einem Personalbedarf in Höhe von ca. 1.700 Mitarbeitern/innen. Darüber hinaus sind durchschnittlich 200 Stellen beim städtischen Träger unbesetzt. Neue Wohnquartiere, die in Stuttgart entstehen sollen, lösen einen weiteren Betreuungsbedarf aus. Durch die Einigung der Koalitionspartner in Berlin wird ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder ebenfalls sehr wahrscheinlich. Dadurch würde sich der Personalnotstand nochmals deutlich verschärfen. Außerdem werden Entschädigungsansprüche, im Zusammenhang mit der höchstrichterlichen Bundesgerichtentscheidung, eine zusätzliche Belastung für die Stadtverwaltung darstellen.

Neue innovative Maßnahmen und ein Ausbau der erfolgreichen Personalgewinnungs-instrumente, können ein Ausweg aus der Fachkräftemangelsituation sein.


1.2 Bisherige trägerübergreifende gemeinsame Aktivitäten
2014 gab es im Rahmen einer Arbeitsgruppe erste Planungen zu einer gemeinsamen Werbeaktion in Stuttgart. Anknüpfend an dieses Thema hat das Jugendamt zu weiteren Gesprächsrunden eingeladen, um die Trägerverbünde über bestehende und funktionierende Personalgewinnungsmaßnahmen zu informieren und Impulse für weitere Rekrutierungsthemen zu setzen.

Im Januar 2018 haben sich die Stuttgarter Kita-Trägerverbünde mit den PiA-Fachschulen aus Stuttgart und dem Umland getroffen, um eine gemeinsame Ausbildungsinitiative zu starten. Im Rahmen dieser konstruktiven Austauschrunde konnten die Ausbildungszahlen/Ausbildungskapazitäten abgeglichen, die Vergabeverfahren angepasst und die Organisation der Praxiseinsätze/Theorie-Tage an den Fachschulen thematisiert werden. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass diese Form der Kooperation in den nächsten Jahren wiederholt werden soll.


1.3 Nächste Schritte/Offene Punkte
1.3.1 Trägerübergreifendes Monitoring
Für eine trägerübergreifende Planung und Darstellung der unbesetzten Stellen im Bereich der Tagesbetreuung für Kinder bei der Stadt Stuttgart ist der Aufbau eines Monitorings zu offenen Stellen (aktuelle Zahlen und Entwicklungen – mittel und langfristig) dringend erforderlich.


1.3.2 Anträge zur Auslandsgewinnung
Aktuell liegen bereits zwei Anträge auf Förderung von Auslandsanwerbung durch das Kolping-Bildungswerk und die Jugendhausgesellschaft vor, die zur Bearbeitung anstehen. Das Jugendamt Stuttgart hat hiermit positive Erfahrungen gemacht.

1.3.3 Anträge der Gemeinderatsfraktionen
Folgende Gemeinderatsfraktionsanträge liegen zur Bearbeitung vor:

Antrag vom 09.02.2018, Nr. 34/2018 – CDU-Gemeinderatsfraktion; zu Nr. 2. und 3.:
- Maßnahmen zur gezielten Personalgewinnung für den jeweiligen Kita-Standort
- Ausrichtung Gesamtkonzept, um neben Kita-Ausbau den erforderlichen Personalaufbau zu betreiben

Antrag vom 09.02.2018, Nr. 36/2018 – Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion;
zu Nr. 5. und 6.:
- Ansätze zur Personalgewinnung und kurzfristige Möglichkeiten
- Quereinsteiger/innen für den Beruf gewinnen und qualifizieren

Antrag vom 06.03.2018, Nr. 74/2018 – SPD-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE Grünen-Gemeinderatsfraktion; zu Nr. 3./Antrag vom 03.07.2018, Nr. 195/2018:
- Ein gemeinsames Personalgewinnungskonzept
- Frage der Anrechnung der PiA-Auszubildenden auf den Stellenschlüssel
- Erhöhung der Arbeitszeit (bei Teilzeitkräften) attraktiv machen
- Personalwohnungen, Fortbildungen, Entlastung bei Verwaltungstätigkeit


2. Sofortmaßnahmen zur Personalgewinnung

2.1 Nichtanrechnung der PiA-Auszubildenden
2.1.1 Nichtanrechnung der PiA-Auszubildenden auf den förderfähigen
Stellenschlüssel bei freien Trägern
Von den freien Trägern wird die derzeitige Praxis, die PiA-Stellen zu 25 % auf den förderfähigen Stellenschlüssel anzurechnen, als ein Hemmnis für den weiteren Ausbau der Ausbildungsplätze gesehen – nicht nur, aber vor allem für kleine Träger. Derzeit haben 34 von 120 der kleinen Träger und 6 von 17 mittelgroßen Trägern (10-49 Gruppen) noch keine PiA-Auszubildenden gemeldet.

Konkret bedeutet die Anrechnung von 25 % auf den förderfähigen Stellenschlüssel, dass die Träger eine förderfähige Vollzeitstelle nur mit 75 % besetzen können. Dadurch fehlt der Einrichtung eine Betreuungskapazität von 25 %, die von einem/r Auszubildenden, der/die nicht kontinuierlich anwesend ist und dazu Anleitung benötigt, nicht abgedeckt werden kann.

Um einen weiteren Ausbau, aber auch den Erhalt von Ausbildungsplätzen zu gewährleisten, wird daher vorgeschlagen, PiA-Auszubildende ab dem 01.01.2018 nicht mehr auf den Stellenschlüssel anzurechnen (gemäß Antrag Nr. 74/2018 und 195/2018 der Gemeinderatsfraktion SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN).

Kostenschätzung:
Wenn bei den freien Trägern alle beschlossenen förderfähigen Fachkraftstellen besetzt wären, entstünde ein Mehraufwand für die Nicht-Anrechnung von PiA-Auszubildenden in Höhe von bis zu 3,27 Mio. Euro. Sollte dieses Ziel erreicht sein, wird umgehend wieder angerechnet. Mit Hilfe eines geeigneten Monitorings (gemäß 1.3.1) kann die Nichtanrechnung gesteuert bzw. zurückgenommen werden.

2.1.2 Nichtanrechnung der PiA-Auszubildenden auf den Stellenplan beim städtischen
Träger
Der Personalaufwand für die Ausbildungsplätze wurde innerhalb des Personalhaushalts des Jugendamtes für Kindertageseinrichtungen, durch Blockierung nichtbesetzter Stellen, durch Anrechnung von 25 % auf Vollzeitstellen ausgeglichen. Hier besteht derzeit kein Handlungsbedarf, da von einer ausreichend hohen Anzahl an unbesetzten Stellen auszugehen ist.


2.2 Ausbau der Gewinnung von pädagogischen Fachkräften aus dem europäischen Ausland

2.2.1 Mit einer Ausweitung der Auslandsgewinnungsmaßnahmen auf die freien Träger in Stuttgart könnten zusätzliche ausgebildete Fachkräfte für die Stadt Stuttgart gewonnen werden. Die Anwerbephasen und die Organisation der Bewerbertage im Ausland sollten durch erfahrene Träger begleitet werden. Kooperationsverträge mit Hochschulen im Ausland sichern nachhaltig einen Zuwachs an ausgebildeten Fachkräften, die in Stuttgarter Tageseinrichtungen arbeiten wollen. Ein begleitender Deutschkurs während des Studiums und ein Praxissemester in Deutschland garantieren den Spracherwerb.

Kostenschätzung:
Förderung: 250.000 € (50 Anwerbungen zu je 4.000 € zuzüglich eines monatlichen Mietkostenzuschusses in Höhe von 100 € je Anwerbung; sofern ein Zimmer zur Verfügung gestellt wird)

2.2.2 Für den städtischen Träger wurden insgesamt 42 deutschsprachige rumänische, 15 italienische Fachkräfte sowie 15 spanische Fachkräfte mit Erfolg angeworben. Die Quote der Rückkehrer/innen ist niedriger als die Regelfluktuationsquote. Dies setzt eine enge Begleitung der Mitarbeiter/innen nach der Migration und das Angebot eines Personalzimmers zwingend voraus. Ab 2018 sollen insgesamt zwei Anwerbephasen, d.h. eine zusätzlich, durchgeführt werden. Demnach können künftig jährlich zusätzlich 15 pädagogische Fachkräfte, insgesamt also 30, aus dem Ausland angeworben werden. Zusätzlich sollen weitere Ausschreibungen im Ausland dazu führen, dass sich deutschsprachige Fachkräfte für eine Stelle in Stuttgart bewerben. Zur Beratung und Unterstützung der freien Träger ist eine zentrale Stelle beim Jugendamt einzurichten.

Kostenschätzung:
Personalkosten: jährlich 45.625 € (0,5 Stellanteile in EG 10 TVöD), anteilig ab Sept. 2018 rd. 15.200 €
Maßnahmenkosten/Ausschreibungen: 100.000 €


2.3 Personalzimmer/Wohnraum
Zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte und bei der Einstellung von Mitarbeiter/innen aus anderen Bundesländern, ist das Vorhalten von Personalzimmern zwingend erforderlich. Die Kapazitäten mussten in den letzten Jahren deutlich ausgebaut werden, so dass aktuell über 80 Zimmer im gesamten Stadtgebiet vorgehalten werden. Es sollen weitere 20 Zimmer an 5-6 Standorten geschaffen werden. Ergänzend sollen 10 Personalwohnungen angeboten werden, um den angeworbenen pädagogischen Fachkräften, die sich entscheiden, mit der Familie nach Stuttgart zu kommen, einen geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Für die Belegung (mit Zustimmung des PR), die Mietverträge, die Übergaben, die Abnahmen, die Miete mit Nebenkosten und alle organisatorischen Fragen im Zusammenhang mit den Personalzimmern werden angesichts des enormen Zuwachses der verfügbaren Personalzimmer zusätzliche Personalressourcen benötigt. Für die Ausstattung der neuen Personalzimmer werden jeweils 4.000 € benötigt, die ggf. überplanmäßig bereitzustellen sind. Eventuelle Kosten für Renovierung und Umbau angemieteter Objekte werden aus dem Budget des Amts für Liegenschaften und Wohnen bestritten.

Kostenschätzung:
Personalkosten: jährlich 42.575 € (0,5 Stellenanteile in EG 9a TVöD), anteilig ab Sept. 2018 rd. 14.200 €
Einmalige Ausstattungskosten: 80.000 €



3. Weitere trägerübergreifende Personalgewinnungsmaßnahmen zur Entscheidung im Rahmen des Doppelhaushalts (2020/2021)

Weitere denkbare Maßnahmen zur Verbesserung der Personalgewinnung werden von der Verwaltung erarbeitet und soweit zur Umsetzung zusätzliche Finanzmittel erforderlich sind, den gemeinderätlichen Gremien rechtzeitig vor den Beratungen des Doppelhaushalts 2020/2021 vorgelegt. Dabei geht es um folgende Überlegungen:

· Überprüfung der Anleitungspauschale beim städtischen Träger

· Maßnahmen zur aktiven Suche nach geeigneten Bewerber/innen

· Erschließung neuer Zielgruppen in Kooperation mit den Fachschulen

· Begleitung der Bewerber/innen und Verkürzung der Bewerbungsprozesse

· Qualifizierung von Kinderpflegern/innen

· Überprüfung der Förderbedingungen freier Träger

· Stärkung der Kindertagespflege

· Erweiterung des Fachkräftekatalogs

· Maßnahmen zur Personalbindung

· u.a.m.









4. Kostenübersicht der Sofortmaßnahmen

5.1 Freie Träger
2018
2019
2020
2.1.1 Nichtanrechnung von PiA-Auszubildenden
3.270.000 €
3.270.000 €
3.270.000 €
2.2.1 Auslandsgewinnung
83.300 €
250.000 €
250.000 €
Gesamt
3.353.300 €
3.520.000 €
3.520.000 €
5.2 Städtischer Träger
2018
2019
2020
2.2.2 Auslandsgewinnung
- Personalkosten
- Maßnahmen
15.200 €
33.300 €
45.600 €
100.000 €
45.600 €
100.000 €
2.3 Personalzimmer/Personalwohnungen
- Personalkosten
- Ausstattung Personalzimmer
14.200 €
80.000 €
42.600 €
--- €
42.600 €
--- €
Gesamt
142.700 €

188.200 €
188.200 €
Gesamt alle Träger
3.496.000 €
3.708.200 €
3.708.200 €


Finanzielle Auswirkungen


Durch die vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen entstehen überplanmäßige Aufwendungen bzw. Auszahlungen wie folgt:

2018/2019 je bis zu 3,27 Mio. €

Eine Deckung des überplanmäßigen Aufwands erfolgt durch Sperrung von Mitteln der Deckungsreserve, Amtsbereich 9006120, Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 sonstige ordentliche Aufwendungen.

Die Finanzierung der überplanmäßigen Auszahlung erfolgt aus einem erhöhten Zahlungsmittelüberschuss auslaufender Verwaltungstätigkeit infolge geringerer zahlungswirksamer Aufwendungen im Teilhaushalt 900, Allg. Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120, Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 sonstige ordentliche Aufwendungen.



Beteiligte Stellen

Der örtliche Personalrat wurde beteiligt. Die Referate AKR und WFB haben zugestimmt.

Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag CDU-Gemeinderatsfraktion vom 09.02.2018 (Nr. 34/2018)
Antrag Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion vom 09.02.2018 (Nr. 36/2018)
Antrag SPD-Gemeinderatsfraktion/Bündnis 90 die Grünen-Gemeinderatsfraktion vom 06.03.2018 (Nr. 74/2018)
Antrag Bündnis 90 die Grünen-Gemeinderatsfraktion vom 03.07.2018 (Nr. 195/2018)





Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

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