Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
13/2016
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 27.01.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, EBM Föll
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Weiteres Vorgehen Fernwärmeversorgung Stuttgart
- Einbringung -

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 26.01.2016, GRDrs 13/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) soll das Eigentum am Stuttgarter Fernwärmenetz und dessen Betrieb zum frühestmöglichen Zeitpunkt übernehmen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Durch OB Kuhn wird vorgetragen, im Unterausschuss Konzessionsvergabe sei dieses Thema einmal im letzten Jahr und einmal vor zwei Wochen behandelt worden. Nach reiflichen wirtschaftlichen und rechtlichen Überlegungen werde seitens der Verwaltung vorgeschlagen, das Eigentum am Stuttgarter Fernwärmenetz und dessen Betrieb zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu übernehmen. Dies bedeute eine Klage auf Herausgabe dieses Netzes; diese Herausgabe sei die Voraussetzung für einen Netzbetrieb.
Bejaht werde die energiewirtschaftliche Fragestellung, ob für eine Gesamtkonzeption nicht insgesamt der Betrieb und das Eigentum bei Strom-, Gas- und Fernwärme notwendig ist.

Nachdem er an die gestrige Beratung im Ausschuss für Umwelt und Technik über die Urbanisierung der Energiewende erinnert, fährt der Oberbürgermeister fort, er und EBM Föll hätten mehrfach mit der EnBW darüber gesprochen, ob bei der Fernwärme eine außergerichtliche Einigung möglich ist. Die EnBW sei jedoch fest davon überzeugt, dass sie das Fernwärmenetz nicht herausgeben muss.

Zu diesem Komplex gehöre das Bürgerbegehren "Fernwärmeversorgung Stuttgart". Dazu würden zwischenzeitlich die erforderlichen 20.000 Unterschriften vorliegen, und diese seien bereits überprüft. Die Verwaltung schlage vor, im Kern dieses Begehren zu übernehmen (Überführen des Netzeigentums an die Stadt und dessen Betrieb durch die Stadt). Zwar würden bei der Begründung des Begehrens rechtliche Probleme gesehen, diese müssten aber nicht vertieft werden, da, sollte der Gemeinderat dem Beschlussantrag folgen, das Bürgerbegehren übernommen würde. Bei den gesehenen Problemen gehe es darum, dass das Begehren rechtlich von einem sofortigen Betrieb des Netzes durch die Stadt ausgeht. Dies werde aber von allen eingeschalteten Rechtsanwälten nicht so gesehen.

Energiewirtschaftlich überwiegen für ihn die Chancen bei einer Übernahme und bei einem Betrieb des Fernwärmenetzes. Lange Zeit habe man sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich bei einer Netzübernahme eine Abhängigkeit von den wärmeerzeugenden EnBW-Kraftwerken ergibt. Diese Abhängigkeit gelte jedoch auch umgekehrt; die Kraftwerke könnten nicht ökonomisch betrieben werden, wenn diese ihre Wärme nicht abgeben können. Aus einem öffentlichen EnBW-Papier gehe hervor, dass es möglicherweise Planungen für eine Ausdehnung der Fernwärmeschiene z. B. nach Feuerbach gibt. Dies bedeute, dass heute wohl mehr Fernwärme produziert wird als vom Fernwärmenetz abgenommen werden kann. Die Stadt habe keine Kenntnis über alle für den Netzzustand relevanten technischen Details.

Da seitens der EnBW eine freiwillige Kooperation abgelehnt wird, müsse man klagen. Damit werde in der Bundesrepublik rechtliches Neuland betreten.

Von EBM Föll wird ergänzt, das Stuttgarter Fernwärmenetz stehe in einem Verbund mit der Mittleren Neckar-Schiene (Esslinger Netz). Es gebe die drei Erzeugeranlagen Münster, Gaisburg und Altbach. Der Herausgabeanspruch beziehe sich ausschließlich auf das Stuttgarter Netz. Das Netz sei so konfiguriert, dass der Verbund auch bei einem Herausgabeanspruch des Stuttgarter Netzes weiterhin funktionsfähig sein kann. Darüber sei man sich auch hinsichtlich der Technik sehr sicher. Das Stuttgarter Netz habe eine Trassenlänge von 218 km. An dieses Netz seien 25.000 Haushalte, 1.300 Firmen und 300 öffentliche Gebäude angeschlossen.

Insgesamt gebe es rund 3.000 Gebäudeanschlüsse mit einem Absatz von rund 1,1 kWh. Primär werde das Fernwärmenetz zur Gebäudeheizung und zur Warmwasserbereitung verwendet. Aber das Netz spiele auch eine bedeutende Rolle bei industriellen Wärmeprozessen, insbesondere dort, wo es im Bereich des Neckars bedeutende industrielle Produktionsanlagen gibt.

Insgesamt erschließe das Fernwärmenetz in Stuttgart rund 18 % der Siedlungsfläche (Stadtbezirke im Stuttgarter Neckartal plus die Innenstadt von Stuttgart). In diesem Gebiet betrage die Versorgungsdichte rund 65 %. Je nach Stadtbezirk variiere dies etwas, aber die Versorgungsdichte sei doch vergleichsweise hoch.

Angesichts der unterschiedlichen Rechtspositionen habe der Gemeinderat über eine sehr grundsätzliche Frage zu entscheiden. Wenn die Stadt keinen Herausgabeanspruch geltend mache, bzw. sollte sich die Rechtsposition der EnBW durchsetzen, entstünde auf Dauer ein privates Monopol; völlig unrealistisch sei, dass parallel zu dem bestehenden Fernwärmenetz ein zweites Fernwärmenetz gelegt wird. Wirtschaftlich schließe sich dies aus. Insoweit sei die Position des Bundeskartellamtes, formuliert in einem Leitfaden, schon außerordentlich fragwürdig. Dass ausgerechnet das Bundeskartellamt, welches eigentlich zur Vermeidung privater Monopole, die die Marktwirtschaft in ihrer Leistungsfähigkeit schwächen, gegründet worden sei, eine solche Position vertrete, sei faktisch nicht nachvollziehbar.

Im Jahr 2016 müsse die Stadt handeln. Sollte bis Ende des Jahres 2016 die Verjährung nicht unterbrochen werden, dies sei nur durch ein Klageverfahren möglich, entstünde dieses private Monopol automatisch.

Die Stadt verfüge über Grunddaten zum Fernwärmenetz und es gebe die Erkenntnisse aus dem ruhenden Konzessionsverfahren zum Fernwärmenetz. Bei diesem Verfahren habe es ja Bieter für die Fernwärmenetzkonzession gegeben, und deren Angebote hätten konkrete Daten zur Wirtschaftlichkeit sowie zum Kaufpreis des Netzes enthalten. Ein detaillierter Einblick in das Netz, um den Netzzustand beurteilen zu können, gebe es jedoch nicht. Dennoch meine die Verwaltung, dass bei einer Klage auf Herausgabe des Fernwärmenetzes die rechtlichen Chancen deutlich die Risiken übersteigen; er beziehe sich ausschließlich auf das Netz. Alle Rechtsberater seien sich einig, dass die Erzeugungsanlagen nicht zum Herausgabeanspruch gehören. Prozessual wäre es falsch, Dinge, bei denen ein Herausgabeanspruch fraglich ist, zum Klagegegenstand zu machen. Damit würde man das verfolgte Anliegen beschädigen.

Bezüglich der Lieferbeziehungen ergebe sich eine etwas differenziertere Betrachtungsweise. Beim Netz, nicht bei den Erzeugungsanlagen, bestehe, wie gesagt in Übereinstimmung mit den städtischen Rechtsberatern, die Überzeugung, dass ein Herausgabeanspruch besteht. Bei den Lieferbeziehungen müsse dies noch im weiteren Verfahren geklärt werden.

Angesichts vorliegenden Erkenntnisse gehe die Verwaltung auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens von einem Kaufpreis im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aus. Man sei sich sicher, dass das Ertragswertverfahren das Ergebnis eines Rechtsverfahrens sein würde, da ohne die Anwendung eines solchen Verfahrens, und dies hätten zwischenzeitlich mehrere Rechtsprechungen in anderen Bereichen (z. B. Landgericht Stuttgart zum Verfahren in der Wasserversorgung) deutlich gemacht, wäre ein Kaufpreis immer so hoch, dass eine wirtschaftliche Übernahme unmöglich wäre. Somit würde wiederum ein Monopol entstehen.

Im Übrigen werde davon ausgegangen, dass sowohl die Investition als auch der Netzbetrieb über ein Netzdurchleitungsentgelt refinanziert werden kann. Faktisch entspreche dies der Struktur, wie sie aus dem Strom- und Gasbereich bekannt ist. Zusammengefasst werde das Fernwärmenetz als eine wirtschaftliche Investition angesehen, die auch auskömmlich refinanziert werden kann.

Bezogen auf den Netzbetrieb bestehe ebenfalls die feste Überzeugung, dass rechtlich eine Inhouse-Vergabe möglich ist. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gelte für die Bereiche Strom und Gas, aber nicht für die Fernwärme und das Wasser. Zumindest nach der derzeitigen Rechtslage, diese werde aktuell erörtert, müsse bei Strom und Gas auf Bundesebene ein entsprechendes Konzessionsverfahren durchgeführt werden. In den Bereichen Wasser und Fernwärme seien dagegen Inhouse-Vergaben an einen Eigenbetrieb oder an Tochterunternehmen, welche von der Landeshauptstadt Stuttgart vollumfänglich beherrscht werden, möglich. Insoweit könnten die Stadtwerke Stuttgart (SWS) eine Tochtergesellschaft gründen, die, da die SWS sich zu einhundert Prozent im Eigentum der Stadt befindet, die Anforderungen des EU-Rechtes an eine Inhouse-Vergabe, nämlich dass die Stadt eine beherrschende Stellung einnimmt, vollumfänglich erfüllen würde. Die SWS wäre dann in der Lage, sozusagen nicht nur energiewirtschaftlich die Bereiche Strom und Gas abzudecken, sondern auch vollumfänglich den Bereich Wärme (sowohl Fernwärme als auch Nahwärme). Dies gehöre aktuell zwingend zu einem modernen Stadtwerk.

StR Kotz (CDU) spricht die gestern von der Verwaltung zum Beratungsthema herausgegebene Pressemitteilung an. Der erste Satz dieser Pressemitteilung - "Die Landeshauptstadt will das Fernwärmenetz in Stuttgart und dessen Betrieb zum frühestmöglichen Zeitpunkt übernehmen." - wird von ihm kritisiert. Um die Wertschätzung der Verwaltung gegenüber dem Gemeinderat, dem Hauptorgan, zum Ausdruck zu bringen, sollte dieser erste Satz folgende Formulierung aufweisen: Die Stadtverwaltung schlägt dem Gemeinderat vor, in Stuttgart das Fernwärmenetz und dessen Betrieb zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu übernehmen. Diese Einschätzung teilt der Oberbürgermeister. Für die Zukunft sagt er zu, so vorzugehen.

Die CDU-Gemeinderatsfraktion, so StR Kotz, folge in der Gesamteinschätzung der positiven Einschätzung der Verwaltung hinsichtlich eines Klageerfolges. Neben dem Aspekt, dass die Stadt den Herausgabeanspruch nicht verjähren lassen sollte, bezeichnet er die geplante Investition als attraktiv und wirtschaftlich. Die Übernahme des Netzeigentums werde von seiner Fraktion vollumfänglich unterstützt. Diskussionsbedarf bestehe hinsichtlich der Übernahme des Netzbetriebes. Auch bei den Konzessionsverfahren Gas und Strom habe man damit gute Erfahrungen gemacht, Entscheidungen erst dann zu treffen, wenn diese notwendig werden bzw. wenn diese auch tatsächlich anstehen. Niemand könne heute einschätzen, und von daher wolle er sich hier heute nicht festlegen, wie sich im Energiebereich in drei bis fünf Jahren die Rechts- und die wirtschaftliche Lage darstellt. Vielleicht sei es für Stuttgart energiepolitisch in drei Jahren günstiger, eine Konzession zu vergeben. Das Bürgerbegehren könne für den Gemeinderat nicht die zwingende Maxime sein. Möglich wäre ja auch, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Im Unterausschuss sei die Verwaltung gebeten worden, falls sich der Gemeinderat das Begehren nicht zu eigen macht, zu einer Durchführung eines Bürgerentscheids eine Einschätzung abzugeben.

StR Stopper (90/GRÜNE) unterstützt im Namen seiner Fraktion die Vorlage. Er macht deutlich, dass die Thematik ohne Vorgaben der Verwaltung in den Sitzungen des Unterausschusses in sehr guten Diskussionen beraten wurde. Mit der Vorlage werde das Erforderliche zum Vermeiden eines privaten Fernwärmemonopols bzw. zur Vermeidung eines Ewigkeitsrechtes der EnBW auf den Weg gebracht. Gegenüber den Initiatoren des Bürgerbegehrens begründet er seinen Respekt. Für das Thema Fernwärme 20.000 Unterschriften zu sammeln sei kein einfaches Unterfangen gewesen. Die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion habe zu Details des Begehrens rechtlich eine andere Auffassung als die Initiatoren vertreten.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion unterstützt laut StR Perc (SPD) nicht nur unter ökonomischen sondern auch unter ökologischen Gesichtspunkten die Vorlage. Insbesondere sieht er im Rosensteinviertel für die Fernwärme Potenzial. Gleichermaßen problematisch erachtet er ein EnBW-Monopol und ein Monopol der Stadt. Nicht nachvollziehbar sei, das von der EnBW geltend gemachte Ewigkeitsrecht bei der Fernwärme. Dies könne doch aus den Grundüberlegungen des Gesetzgebers nicht abgeleitet werden. Für das Engagement der Initiatoren des Bürgerbegehrens bedankt er sich.

Erfreut zeigt sich StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) darüber, dass sich für die GRDrs 13/2016 eine Mehrheit im Rat abzeichnet. Das Bürgerbegehren wertet er als großen Erfolg. Überlegt gehöre, wie die Stadt ihre Wertschätzung gegenüber den Unterstützern dieses Begehrens zum Ausdruck bringt. Zum Netzbetrieb, nämlich dass die Stadt dieses ohne Abstriche übernimmt, enthalte das Begehren präzise Aussagen. Bei der Beschlussfassung der Vorlage gehöre dies auch so deutlich gemacht.

Im Sinne der Herstellung von Rechtsicherheit äußert sich StRin von Stein (FW) positiv zur Vorlage. Erst dann, wenn die Stadt im Klageverfahren obsiegt, stünden weitere Entscheidungen an.

StR Prof. Dr. Maier (AfD) erklärt, seine Fraktion befürworte, dass das Wasserversorgungsnetz und die Netze für leitungsgebundene Energien kommunalisiert werden. Anders verhalte es sich beim Erzeugungsbereich. Das von der Verwaltung geplante Vorgehen sowie wesentliche Inhalte des Bürgerbegehrens würden mitgetragen. Respekt gebühre denen, die dieses Begehren auf den Weg gebracht haben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit werde eine Kommunalisierung der Netze sich günstig auf die Verbraucher auswirken. Zudem gehe es um Aspekte der Versorgungssicherheit und um ökologische Aspekte. Abschließend plädiert er dafür, den Netzbetrieb ebenfalls durch die Stadt zu übernehmen. Sollte eine externe Lösung zum Betrieb eine Kompromisslösung mit der EnBW ermöglichen, würde man diese auch akzeptieren.

Nach Einschätzung seiner Fraktion stellt die Vorlage, so StR Conz (FDP), ein juristisches Abenteuer dar. Der jahrelange Klageweg werde erhebliche Kosten verursachen. Zu bedenken gibt er, dass nahezu alle technischen Einrichtungen, die zum Betrieb des Netzes erforderlich sind, sich im Eigentum der EnBW befinden. Die FDP im Gemeinderat lehne die Vorlage ab. Erstaunt zeigt sich in der Folge der Oberbürgermeister darüber, dass ein Vertreter der FDP, deren Ziel es unter anderem sei, den Wettbewerb zu stärken, ein privates Monopol verteidigt.

Seine Annahme, dass man sich bei der Fernwärme Regelungen analog Gas und Strom vorstellt, also auch eine Konzessionsvergabe erfolgen muss, gründet StR Conz auf den zweiten Satz im ersten Absatz der Vorlagenbegründung, Vorlage Seite 1 [… Aus diesem Grund wurde im Jahr 2012 das Konzessionsvergabeverfahren für die Fernwärme / gleichlautend mit dem Konzessionsverfahren Strom und Gas entsprechend den Vorgaben des § 46 Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sowie europarechtlicher und kartellrechtlicher Grundsätze / begonnen]. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass diese Auslegung nicht zutrifft, erläutert EBM Föll, das Wort gleichlautend bedeute, dass im Jahr 2012 gleichzeitig bzw. parallel zueinander eigenständige Konzessionsvergabeverfahren für Strom, Gas und Fernwärme gestartet wurden. Im Übrigen sei man bereits 2012 davon ausgegangen, dass es sich um eine Konzession und nicht um ein Ewigkeitsrecht der EnBW handelt. Zudem sei dem Gemeinderat schon damals im Kontext mit dem großen Bürgerbegehren seitens der Verwaltung erklärt worden, dass ein Bürgerbegehren, das auf den Betrieb im Bereich Strom und Gas abstellt, nicht zulässig sei, da das EnWG eine Inhouse-Vergabe ohne ein Konzessionsverfahren nicht zulässt. Informiert worden sei der Gemeinderat aber auch darüber, dass es sich beim Wasser und bei der Fernwärme anders verhält. Der Erste Bürgermeister verweist hier auf eine damalige rechtliche Einschätzung der Kanzlei Dolde Mayen & Partner. Der Gemeinderat habe im Blick auf Wasser das damalige Bürgerbegehren 100-Wasser aufgegriffen und sich dieses Begehren zu Eigen gemacht. Mit dem Beschluss zu Eigentum und Betrieb sei auch die für den Bereich Wasser rechtlich zulässige Inhouse-Vergabe beschlossen worden, ohne dass ein Konzessionsverfahren durchgeführt wurde. Die heutige Vorlage stelle in der Beschlussantragsziffer 1 auf Eigentum und Betrieb ab und damit sei dies klar und eindeutig. Wenn sich also im Klageweg der Herausgabeanspruch für das Fernwärmenetz realisieren lasse, würde damit bezogen auf den Betrieb faktisch eine Inhouse-Vergabe erfolgen. Diese Inhouse-Vergabe könne vorgenommen werden, allerdings müsse in der Ausgestaltung darauf geachtet werden, dass das Ganze in dem Rechtsrahmen stattfindet, der eine solche Inhouse-Vergabe zulässt. Dies sei rechtlich unproblematisch, weshalb sich der Betrieb, wenn der Gemeinderat den Beschlussantrag beschließt und wenn sich die Stadt im Klageweg durchsetzt, umsetzen ließe.

Gegen Ende der Aussprache verweist StR Rockenbauch zu der von StR Conz geäußerten Annahme auf den 1. Absatz der Vorlagenseite 2. Dort sei dargestellt, dass die Bereiche Strom und Gas sich nicht mit dem Bereich Fernwärme vergleichen lassen.

In juristischer Hinsicht, so EBM Föll, sei die Vorgehensweise der Stadt nicht abenteuerlich. Die Rechtsposition habe die Verwaltung sehr sorgfältig abgewogen. Der EnBW ein Ewigkeitsrecht nur deshalb einzuräumen, weil es zum Thema Fernwärme noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, wäre nicht in Ordnung.

Die Klageaussicht, so der Oberbürgermeister, hänge sehr davon ab, wie sich die EU verhält. Die EU habe viele Bestrebungen, die sich gegen Monopole im Energiebereich wenden. Zudem sei relevant, ob das Bundeskartellamt seine Position "jeder kann ein Fernwärmenetz errichten" noch lange aufrechterhalten kann. Dieses werde sehr bezweifelt, da diese Position doch sehr praxisfern ist.

StR Kotz hebt hervor, für die CDU-Gemeinderatsfraktion sei es selbstverständlich, dass ein Unternehmen wie die EnBW seine Rechtsposition durchsetzen möchte. Er wirbt für ein faires Miteinander zwischen der EnBW und der Landeshauptstadt. Angesichts der offenen Rechtssituation ist das Beschreiten des Rechtsweges beim Thema Fernwärme für StR Stopper am nachvollziehbarsten. Damit könnten bei einer zukünftigen Lösung die EnBW Eigentümer [Haupteigner Land Baden-Württemberg und Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW)] sowie die Stadt Stuttgart vermeiden, rechtlich angreifbar zu sein. Zum einen äußert er dabei zu der Haltung der EnBW Verständnis und andererseits erinnert er an den "EnBW-Deal" der früheren Landesregierung unter Ministerpräsident Mappus. Angesichts dessen, dass in vielen Bereichen die Stadt gegenüber der EnBW den Klageweg beschreiten muss, ist für StR Perc zwischen EnBW und der Stadt kein partnerschaftliches Verhältnis erkennbar. Eine Partnerschaft bei den betreffenden Themen beinhaltet für ihn sowohl für die EnBW als auch für die Stadt die Verpflichtung, Lösungen ohne Klagen anzustreben. Schließlich verursachten Klagen hohe Kosten. Mit Nachdruck äußert StR Rockenbauch, die EnBW dürfe die kommunale Energiewende in Stuttgart nicht verzögern. Er bittet den Vorsitzenden, die EnBW auf den betriebswirtschaftlichen Schaden hinzuweisen, der entsteht, indem die SWS viele Jahre wirtschaftlich betreibbare Netze nicht zur Verfügung hat. Zudem werde der Aufbau der Stadtwerke behindert.

OB Kuhn sieht die Stadt bei verschiedenen Fragen im Wettbewerb mit der EnBW. Dennoch werde bei anderen Fragen partnerschaftlich zusammengearbeitet. Die Aufsichtsratsmitglieder der EnBW, sowohl die des Landes als auch die der Oberschwäbischen Landkreise, seien verpflichtet, auf das Betriebsergebnis der Aktiengesellschaft EnBW zu achten. Sofern Rats-/Verwaltungsmitglieder z. B. ein Aufsichtsratsmandat bei der SSB bekleiden, bestehe in derselben Art und Weise eine solche Verpflichtung. Im Übrigen seien sich das Land und die oberschwäbischen Landräte im EnBW-Aufsichtsrat wohl nicht immer einig.


Zu der Aussage von StR Rockenbauch, der Oberbürgermeister soll sich loyal zu den Zielen der SWS verhalten, unterstreicht der Vorsitzende, er sei Aufsichtsratsvorsitzender bei den SWS. Sofern StR Rockenbauch Anhaltspunkte habe, dass er sich nicht loyal verhalte, sollte er dieses im Aufsichtsrat vorbringen. Bisher sei diesbezüglich keine Äußerung erfolgt. Im Rahmen des ökonomisch Möglichen habe er bei den SWS dafür gesorgt, dass die Strategie, bundesweit Windparks aufzukaufen, zurückgefahren wird, und dass anstelle dieser Strategie in das Zentrum der Überlegungen urbane Energiesysteme gerückt werden. Diese Systeme würden für die Urbanisierung der Energiewende benötigt.

Die Bitte, dass die Klageverfahren nicht überhöht werden, äußert EBM Föll. In einem Rechtsstaat gebe es die Gerichtsbarkeit, um unterschiedliche Rechtsauffassungen und Interessenlagen zu klären. In der Netzgesellschaft Strom und Gas funktioniere die Zusammenarbeit mit der Netze BW hervorragend. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen in den Bereichen Fernwärme und Hochspannung wirken sich in keinster Weise auf die praktische Zusammenarbeit aus. Dies werde sicherlich auch in Zukunft so sein.

Bezug nehmend auf einen heutigen Pressebericht fragt StR Perc nach, ob es zutrifft, dass seitens der EnBW Vorschläge zu partnerschaftlichen Projekten gegenüber der Stadt erfolgt sind und dass darauf die Stadt nicht geantwortet hat. Hierzu informiert der Vorsitzende, die EnBW habe schon Vorschläge unterbreitet, in welchen Bereichen zusammengearbeitet werden kann (z. B. Ausbau der Fernwärmeversorgung Richtung Feuerbach). Solche Angebote hätten sich aber auf neue Gebiete und nicht auf das Fernwärmenetz als Ganzes bezogen.

Seitens der StRe Kotz und Stopper wird hervorgehoben, dass durch den Kauf des Fernwärmenetzes für Kunden keine Preiserhöhungen erfolgen dürfen. Von StR Stopper wird in diesem Zusammenhang Wert darauf gelegt, dass nicht suggeriert werden darf, dass durch eine Netzübernahme durch die Stadt es in Zukunft keine Preiserhöhungen geben wird. In diesem Sinne äußert sich StR Prof. Dr. Maier, und auch OB Kuhn teilt die Position von StR Stopper.

Seitens des Oberbürgermeisters wird nochmals der Hauptsatz des Bürgerbegehrens verlesen (Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb des Fernwärmenetzes ab 01.01.2014 zu einhundert Prozent selbst übernimmt und sind Sie gegen einen Gemeinderatsbeschluss, der dem nicht entspricht?). Die in diesem Satz genannten Anliegen sieht er dann als vom Gemeinderat übernommen an, wenn der Beschlussvorlage bezüglich Eigentumsherausgabe und Übernahme des Netzbetriebes gefolgt wird. Sollte der Gemeinderat lediglich die Eigentumsherausgabe beschließen und erklären, dass über den Netzbetrieb zu einem späteren Zeitpunkt entschieden wird, wäre dem zitierten Hauptsatz des Begehrens nicht in Gänze gefolgt. Darüber, was dies bedeuten würde, und wie sich die Bürgerinitiative dazu stellt, müsste gesprochen werden. Sollte das Bürgerbegehren bestehen bleiben, müsste die Verwaltung überprüfen, ob das Begehren rechtskonform ist.

Diese Prüfung habe die Verwaltung nicht abgeschlossen, aber zum ersten Satz der Begehrensbegründung (sofortige Übernahme des Betriebs) gebe es erhebliche Zweifel.

Die Einschätzung der Juristen mit denen er gesprochen habe, dass die Voraussetzung für den Betrieb die Netzherausgabe an die Stadt ist, teile er. Der Gemeinderat habe darüber zu entscheiden, ob er dem Beschlussantrag der GRDrs 13/2016 (Herausgabe des Netzes und Betrieb des Netzes) folgt.

Für StR Kotz entspricht die von seiner Fraktion gewünschte Offenheit in Sachen Betriebsübernahme der Beschlusslage des Gemeinderates. Als es vor drei Jahren um das Auslaufen der Konzessionen gegangen sei, habe man zur Vorbereitung einer Konzessionsvergabe ein Interessensbekundungsverfahren auch für die Fernwärme gestartet. Wenn die EnBW hier nicht gestoppt hätte, indem erklärt worden sei, die Stadt habe überhaupt keinen Anspruch, wäre eine Konzession vergeben worden, vermutlich in einer ähnlichen Gesellschaftsform wie bei Strom und Gas. Mit der geforderten Offenheit verbaue sich die Stadt nichts.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, stellt OB Kuhn fest:

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