Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 4544-00
GRDrs 963/2018
Stuttgart,
11/16/2018


Prävention für Kinder und Jugendliche bei häuslicher Gewalt
„Hinschauen – Erkennen – Handeln“ im Rahmen von STOP




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Beirat für Gleichstellungsfragen
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
05.12.2018
10.12.2018
17.12.2018
19.12.2018

Bericht:



1. Vom Abschlussbericht des Präventionsprojektes „Hinschauen – Erkennen – Handeln: Wir alle können etwas tun! Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen im Bereich Häusliche Gewalt“ - Folgeprojekt „Train the Trainer“, gefördert von der Robert Bosch Stiftung, wird Kenntnis genommen. (Anlage 1)

2. Von dem Bedarf, die im Projekt aufgebauten Präventionsstrukturen im Regelbetrieb fortzuführen, wird Kenntnis genommen. Über die hierfür notwendigen personellen Ressourcen ist abschließend in den Haushaltsplanberatungen 2020/2021 zu entscheiden.

3. Von der Notwendigkeit, das Interventionsverfahren „Stuttgarter Ordnungspartnerschaft gegen häusliche Gewalt“ (STOP) um das Handlungsfeld Prävention von häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention des Europarats 2018) kontinuierlich zu erweitern und die hierfür notwendigen Personalressourcen bei OB-ICG vorzuhalten, wird Kenntnis genommen. Hierüber ist abschließend in den Haushaltsplanberatungen 2020/2021 zu entscheiden.

4. Die Bedarfs- und Sozialplanung von STOP als Interventions- und Präventionsverfahren und die damit verbundene Entwicklung neuer Module und Angebote im Bereich „Häuslicher Gewalt“ liegt bei OB-ICG.


1. Abschlussbericht
Von 2013 bis 2016 wurde von der Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern (OB-ICG) das Präventionsprojekt „Hinschauen – Erkennen – Handeln: Wir alle können etwas tun!“ im Bereich Häusliche Gewalt / Partnerschaftsgewalt entwickelt und durchgeführt, mit der Zielsetzung, Kinder und Jugendliche altersgerecht über häusliche Gewalt aufzuklären und sie zu befähigen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, in ihren späteren eigenen Partnerbeziehungen keine Gewalt auszuüben oder zu erdulden. Neben der direkten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurden auch Multiplikator*innen des gesamten sozialen Umfeldes, wie Mitarbeitende von Kitas, Schulen, offener und mobiler Jugendarbeit, aber auch Schulpsycholog*innen, Schulärzt*innen, Familienhebammen und viele andere mehr zum Thema häusliche Gewalt sensibilisiert und geschult. Der Erfolgsschwerpunkt des Projektes lag in seiner umfassenden Vernetzungsarbeit und in der Einbeziehung vieler denkbar möglicher Akteure*innen. Finanziert wurde das Projekt von der Robert Bosch Stiftung. (siehe auch GRDrs 484/2012 und GRDrs 23/2013 „Koordination der Stuttgarter Ordnungspartnerschaft gegen häusliche Gewalt (STOP) und Leitung / Koordination Präventionsprojekt“, GRDrs 103/2015 „Hinschauen – Erkennen – Handeln: Wir alle können etwas tun! Präventionsprojekt gegen häusliche Gewalt / Beziehungsgewalt“)

Gearbeitet wurde in den drei Handlungsfeldern „Multiplikator*innen“, „Kinder und Jugendliche“ und „Öffentlichkeitsarbeit“. Im Rahmen des Projektes wurden Schulungskonzepte und Workshop-Manuals für die beiden Zielgruppen entwickelt, erfolgreich erprobt und von den Teilnehmer*innen als sehr gut bewertet.
Insbesondere mit dem Workshop „Wenn Liebe wehtut – Gewaltprävention in Teenager-Liebesbeziehungen“ konnte eine Vielzahl von Schüler*innen aller Schularten ab Klassenstufe 8 erreicht werden.
Aufgrund der positiven Resonanz und des Erfolges des vorhergehenden Präventions-projektes ging es im Folge-Projekt „Train the Trainer“ von 2016 – 2018 um die nachhaltige Verankerung dieses Workshop-Moduls im Curriculum von Schulen zum Thema Gewaltprävention (siehe auch GRDrs 218/2016 „Prävention für Kinder und Jugendliche bei häuslicher Gewalt: Schulung von Fachkräften“).
„Train the Trainer“ stellt ein 1,5-tägiges Schulungskonzept dar, durch welches Schul-sozialarbeitende sowie Lehrkräfte befähigt werden, den vierstündigen Workshop in Klassen ab Stufe 8 mit den Schüler*innen selbst durchzuführen. Während des Projektes wurden zahlreiche Multiplikator*innen ausgebildet, die nun den Workshop bzw. Methoden aus dem Workshop in ihren jeweiligen Schulen anbieten und nutzen. Durch umfangreiche Vernetzungsarbeit und Kooperationen konnten pilothaft Zugänge und Strukturen erarbeitet werden, die die weitere zukünftige Präventionsarbeit erleichtern werden.


Für die vielen weiterführenden Schulen in Stuttgart, die sich dem Thema Häusliche Gewalt / Partnerschaftsgewalt noch nicht ausreichend geöffnet haben, ist es jedoch weiterhin notwendig, Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen für das gesamte pädagogische Personal von Schulen anzubieten und darauf aufbauend einzelne Tandems für die nachhaltige Durchführung des Teenager-Workshops auszubilden. Die Prävention von Partnerschaftsgewalt in Schulen ist vor allem dann erfolgreich, wenn das gesamte Kollegium ganz im Sinne des Projekttitels „hinschaut, erkennt und handelt“, das Thema im Setting Schule dauerhaft verankert ist und systematisch behandelt wird.
Hierzu ist es notwendig, dauerhafte Präventionsstrukturen zu schaffen, die das Thema Häusliche Gewalt / Partnerschaftsgewalt aktiv in Schulen bewerben, dafür sensibilisieren und den Lehrkräften Handlungssicherheit geben. Innerhalb dieser Strukturen sollte auch dem Teenager-Präventionsworkshop ein großes Gewicht beigemessen werden, sei es durch das externe Angebot des Workshops in Schulen oder durch die Schulung schulinterner Tandem-Teams. Gerade in Schulen ist dieser Ansatz erfolgversprechend, da alle Jugendlichen ohne zu stigmatisieren erreicht werden. Sie können sich so im geschützten Rahmen über ihre Wünsche und Werte austauschen und Beziehungsmodelle sowie Konfliktlösungsstrategien kennen lernen, die ohne Kontrolle, Dominanz und Gewalt auskommen.

Innerhalb der zu planenden Präventionsstrukturen sollten jedoch auch die Ergebnisse des ersten Projektes nicht aus den Augen verloren werden. Die Sensibilisierung der jeweiligen Akteur*innen des sozialen Umfeldes von Kindern und Jugendlichen auch außerhalb von Schule (z. B. Kita, offene und mobile Jugendarbeit, religiöse und kulturelle Zentren, Vereine) hat nicht an Notwendigkeit verloren. Durch den proaktiven Ansatz waren alle angesprochenen Einrichtungen sehr an einer Schulung zum Thema Häusliche Gewalt interessiert, die in Folge auch durchgeführt wurden. In allen Bereichen war das Thema häusliche Gewalt zwar präsent, gleichzeitig herrschte aber eine große Unsicherheit, wie mit dem Thema umzugehen ist. Das Angebot, mehr über Ursachen und Hintergründe zu erfahren und Handlungsstrategien zu diesem Tabu-Thema an die Hand zu bekommen, wurde gern angenommen. Hier gibt es nach wie vor einen großen Bedarf an Präventions- und Sensibilisierungsschulungen.

2. Präventionsangebote im Regelbetrieb
Für eine nachhaltige Verankerung dieser Präventionsstrukturen in Stuttgart im Bereich Häusliche Gewalt / Partnerschaftsgewalt sind zusätzliche personelle Ressourcen notwendig. Wie die Erfahrungen der beiden Präventionsprojekte zeigen, werden die Schulungen und Workshops idealerweise in einem gemischtgeschlechtlichen Zweierteam („Gender-Team“) durchgeführt. Diese können zukünftig von den Stuttgarter Fachberatungsstellen für häusliche Gewalt in der Opfer- und Täter*innenberatung verantwortet werden. Die autonome FrauenInterventionsstelle (FIS) und die Fachberatungsstelle Gewaltprävention sind bereit, gemeinsam dieses neue Aufgabengebiet zu übernehmen, um die erfolgreiche Arbeit des Präventionsprojektes fortzuführen und auch neue Themenfelder wie z. B. digitale Gewalt in das Konzept aufzunehmen. Beide Träger waren bereits in die Präventionsprojekte involviert und führten im Auftrag der Projektleitung (OB-ICG) Workshops in Schulklassen durch. Außerdem waren beide Träger im Fachbeirat der Präventionsprojekte vertreten und begleiteten die Entwicklung beratend. Die städtische FIS wird beim Aufbau der neuen operativen Präventionsstrukturen beratend einbezogen. Perspektivisch könnte diese nach weiteren Erfahrungen und deren Evaluation ebenso wie die autonome FIS mit der Umsetzung des Handlungsfeldes Prävention von häuslicher Gewalt beauftragt werden. Unter der Leitung von OB-ICG werden weiterhin pilothaft neue Zielgruppen, wie z. B. Mitarbeiter*innen von Klinikambulanzen, sensibilisiert und geschult sowie neue Konzepte entwickelt, wie z. B. für den Bereich Workplace Policy in Kooperation mit Unternehmen und deren Engagement gegen häusliche Gewalt.

3. Erweiterung des Handlungsfelds Prävention
Das Thema „Prävention von häuslicher Gewalt“ hat mittlerweile auch eine gesetzliche Grundlage erhalten. Am 1. Februar 2018 ist in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Die insgesamt 81 Artikel der Istanbul-Konvention enthalten umfassende Verpflichtungen, die auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene umzusetzen sind, verlangen vielfältige Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention und Schutz und stellen Kooperationsbündnisse, wie die Stuttgarter Ordnungspartnerschaft gegen häusliche Gewalt (STOP), vor neue Aufgaben.
Im Kapitel III Prävention werden in sechs Artikeln Maßnahmen in klar definierten Themenbereichen vorgegeben, wie z. B. Bewusstseinsbildung/Öffentlichkeitsarbeit, Bildung an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie Aus- und Fortbildung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, z. B. in den Bereichen Bildung, Sozialarbeit und Gesundheit. Diese Anforderungen decken sich passgenau mit den Maßnahmen und Angeboten der beiden von OB-ICG entwickelten Präventionsprojekte und könnten so schnellstmöglich mit den erforderlichen personellen Ressourcen in Stuttgart in den Regelbetrieb überführt werden.

4. Bedarfs- und Sozialplanung von STOP: Intervention und Prävention
Die in der Istanbul-Konvention geforderte Koordinierungsstelle von Kooperationsbündnissen wird in Stuttgart bereits erfolgreich seit 2001 mit der von OB-ICG koordinierten Stuttgarter Ordnungspartnerschaft gegen häusliche Gewalt (STOP) umgesetzt. Der erforderliche Ausbau dieser bestehenden Koordinationsstruktur, der Bedarfsplanung und strategischen Leitung von STOP um das eigenständige Themengebiet Prävention von häuslicher Gewalt wird von OB-ICG umgesetzt. OB-ICG hat für diesbezüglich neue Themen die Gesamtverantwortung, begleitet federführend den Aufbau der neuen Präventionsstrukturen und übernimmt Controlling und Evaluation. Die Bedarfsplanungen hinsichtlich der erforderlichen Ressourcen werden derzeit von OB-ICG erarbeitet und dem Gemeinderat zu den Haushaltsplanberatungen 2020/2021 zeitnah vorgestellt.


Beteiligte Stellen

Das Referat WFB hat am 9.11.2018 mitgezeichnet, die Referate SI und AKR haben am 15.11.2018 mitgezeichent. Das Referat JB hat am 16.11.2018 mitgezeichnet.






Fritz Kuhn




1. Projektbericht

<Anlagen>


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Anlage 1 GRDs 963-2018 Bericht Präventionsprojekt häusliche Gewalt.pdf