Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 989/2017
Stuttgart,
10/26/2017



Haushalt 2018/2019

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 08.11.2017



Älteren Menschen Teilhabe ermöglichen

Beantwortung / Stellungnahme


Die interkulturelle Öffnung der Dienste und Einrichtungen der Altenhilfe ist von großer Bedeutung.

In der Landeshauptstadt Stuttgart leben 18.216 Migrantinnen und Migranten, die 65 Jahre und älter sind. Das entspricht in der genannten Altersgruppe einem Bevölkerungsanteil von 16,6 % (Stand: 31.12.2016). Es ist bekannt, dass ältere Migrantinnen und Migranten einen schlechteren gesundheitlichen Allgemeinzustand haben und der Beginn der Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit daher früher einsetzt. Zum Beispiel haben die schlechtere Wohnsituation und/oder eingeschränkte sprachliche Verständigungsmöglichkeiten letztendlich auch Auswirkungen auf das Altern von Migrantinnen und Migranten. Eine sinnvolle und präventive Nutzung des Gesundheitssystems wird durch Sprachhindernisse und damit verbundene Informationsdefizite be- oder verhindert.

In den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Berlin, 2010) zur besseren Teilhabe älterer Menschen mit Migrationshintergrund heißt es:

„Vor dem Hintergrund wachsender ethisch-kultureller Vielfalt sind Sonderdienste oder Sonderwege zu vermeiden; vorrangig ist die interkulturelle Öffnung der Regelversorgung anzustreben. Interkulturelle Öffnung bedeutet die gezielte Verbesserung der Bedingungen, unter denen Zugangsrechte verwirklicht werden können … ihre früher einsetzende Alterung und Pflegebedürftigkeit erfordert mehr Anstrengungen zur interkulturellen Öffnung der Altenhilfe in den Kommunen. Kultursensible, mehrsprachige, leicht verständliche Informationen zu Gesundheitsfragen im Alter (Lebensstil, Demenz usw.), Gesundheitswegweiser zu mehrsprachigen Gesundheitseinrichtungen und Informationen zu Strukturen und Angeboten der Altenhilfe und Pflege (offene, ambulante Dienste, Wohnformen) sollten vor Ort vorhanden sein. Zielgruppen zur Verbreitung sind nicht nur die älteren Menschen selbst, sondern auch Vertrauenspersonen wie Vorstände von Gemeinden, Missionen, Vereinen usw. Sinnvoll sind Mehrgenerationenansätze, so können über jüngere Angehörige z. B. in Integrationskursen auch die Älteren erreicht werden.“


Die Stuttgarter Träger der Altenhilfe haben sich seit geraumer Zeit der interkulturellen Öffnung ihrer Regelangebote für ältere Menschen mit Migrationshintergrund angenommen, entweder über eine programmatische Leitbildverankerung und/oder konkrete Angebote bzw. Projekte. Nach wie vor besteht aber Handlungsbedarf.

Die stationäre Pflege sollte Sonderwege bzw. stationäre Pflegeeinrichtungen nur für
Migrantinnen und Migranten möglichst vermeiden, d. h. vorrangige Zielsetzung sollte
eine interkulturelle Öffnung und Ausrichtung der Regelversorgung sein.


Entwicklung und Förderung kultursensibler Pflege in den Pflegeheimen

Kultursensible Pflege ist nur möglich, wenn man die kulturellen Besonderheiten des/der Pflegebedürftigen und seines/ihres Umfeldes kennt und wenn man mit ihm/ihr kommunizieren kann. Ein Pflegeheim wird nicht generell kultursensibel pflegen können, sondern sollte sich auf eine oder mehrere Kulturgruppen spezialisieren, indem es bevorzugt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechender Herkunft beschäftigt und die gesamte Mitarbeiterschaft entsprechend schult.

Kultursensible Pflege muss planvoll gestaltet werden. Entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen und die Mitarbeiterschaft in Bezug auf den gewählten kulturellen Schwerpunkt zu schulen, ist ein erster Schritt. Ein grundlegendes Konzept zur kultursensiblen Pflege wäre dabei hilfreich und würde die Arbeit erleichtern und effektiver machen. Durch wissenschaftliche Begleitung könnten Konzepte für Pflegeheime entwickelt werden. Netzwerkarbeit und Fachtagungen könnten dabei helfen.

Es geht in der Pflege nichts ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der direkten Pflege und Ehrenamtliche. Sie müssen geschult werden. Auf der Basis der Konzepte für kultursensible Pflege müssten Schulungen entwickelt werden, die auf andere Träger übertragbar sind.

Gesundheit und Pflege sind Vertrauenssache. Dem „Verkäufer“ einer Leistung (z. B. dem Pflegeheimbetreiber) wird meist Eigennutz unterstellt. Objektiv beraten können Freunde, Angehörige oder Bekannte – die sind in der Regel aber nicht sachkundig. In Migranten-organisationen, z. B. Kirchengemeinden, Sportvereinen, Seniorenclubs u. a., müssen Multiplikatoren gewonnen und geschult werden. Diese können dann im Zwiegespräch oder auch in kleinen Veranstaltungen über die Möglichkeiten von Pflegeheimen neutral informieren.

Für die Implementierung einer Konzeption für "Kultursensible Pflege" in Pflegeheimen hinsichtlich einer Maßnahmenplanung, der Schulung von Pflegekräften und einer entsprechenden zeitnahen Evaluation sollte ein Institut beauftragt werden. Hierfür würden Mittel in Höhe von 50.000 EUR benötigt.





Vorliegende Anträge/Anfragen

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640/2017, SÖS-LINKE-PluS, Ziff. 3




Werner Wölfle
Bürgermeister




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