Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 13/2016
Stuttgart,
01/26/2016



Weiteres Vorgehen Fernwärmeversorgung Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Einbringung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
27.01.2016
17.02.2016
18.02.2016



Beschlußantrag:

1.Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) soll das Eigentum am Stuttgarter Fernwärmenetz und dessen Betrieb zum frühestmöglichen Zeitpunkt übernehmen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.



Begründung:


I. Vorgeschichte

Am 31.12.2013 endete der Konzessionsvertrag für die Bereiche Strom, Gas, Wasser und Fernwärme vom 21.04.1994 mit Nachtragsvereinbarung vom 15./19.03.1999 zwischen der LHS und der EnBW als Rechtsnachfolgerin der TWS AG bzw. NWS. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2012 das Konzessionsvergabeverfahren für die Fernwärme – gleichlaufend mit den Konzessionsverfahren Strom und Gas entsprechend den Vorgaben des § 46 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie europarechtlicher und kartellrechtlicher Grundsätze – begonnen.

Die Konzessionsvergabeverfahren zum Elektrizitätsversorgungsnetz sowie zum Gasversorgungsnetz wurden jeweils mit der Vergabeentscheidung des Gemeinderats am 13.03.2014 (GRDrs 165/2014) beendet.



II. Konzessionsvergabeverfahren Fernwärme

Bereits zu Beginn der Verfahren (so auch in GRDrs 477/2012) wurde die besondere Situation der Konzessionsvergabe für das Fernwärmeversorgungsnetz deutlich gemacht: Im Gegensatz zu den im Energiewirtschaftsgesetz geregelten Vergabeverfahren für die Strom- und Gasversorgungsnetze ist die Rechtslage bei der Fernwärme umstritten und noch weitgehend ungeklärt. Die LHS geht insbesondere nach dem europäischen Primärrecht sowie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes davon aus, dass auch die Fernwärmeversorgung im Rahmen eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens vergeben werden muss, wenn die LHS die Aufgabe nicht vollständig selbst übernimmt. Jedoch gibt es weder einen spezialgesetzlichen Eigentumsübertragungsanspruch (entsprechend § 46 Abs. 2 EnWG für die Strom- und Gasnetze) noch ist das Verfahren der Konzessionsvergabe oder deren Umfang höchstrichterlich geklärt. Die LHS sieht gleichwohl aufgrund der Rechtsprechung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 1997 einen zivilrechtlichen Übertragungsanspruch auf das Fernwärmenetz mit Auslaufen des Konzessionsvertrages als gegeben an. Weiterhin ist auch umstritten, ob bei der Vergabe der Konzession nicht nur über die Netze, sondern auch über die gesamte Versorgung (also einschließlich der Kunden-/Lieferverhältnisse) entschieden wird. Erzeugungsanlagen sind jedoch auch nach Auffassung der Stadt nicht von dem Übertragungsanspruch umfasst.

Der bisherige Konzessionär im Bereich der Fernwärmeversorgung – die EnBW Energie Baden-Württemberg AG (vormals EnBW Erneuerbare und Konventionelle Erzeugung AG, davor bis Mitte 2013 die EnBW Kraftwerke AG) – bestreitet die Notwendigkeit eines Vergabeverfahrens und ist der Ansicht, die LHS müsse auch ohne förmliches Verfahren einen neuen Konzessionsvertrag mit ihr abschließen, so dass ihr demnach im Hinblick auf das bestehende Fernwärmenetz eine Art „Ewigkeitsrecht“ zustehen würde. Da es für den Bereich der Fernwärmeversorgung keine gesetzlichen Regelungen zur Datenüberlassung gibt, konnte die LHS im Verfahren nicht alle wesentlichen Informationen zur Fernwärmeversorgung in Stuttgart erlangen. Daher wurde mit der GRDrs 344/2013 das Verfahren der Konzessionsvergabe Fernwärme bis zur Klärung der Details und der Ziele der LHS ruhend gestellt. Aufgrund der drohenden Verjährung des Herausgabeanspruchs bedarf es nun zwingend einer Entscheidung, ob der Herausgabeanspruch geltend gemacht werden soll oder die EnBW Energie Baden-Württemberg AG quasi ein Ewigkeitsrecht eingeräumt wird.


III. Weiteres Vorgehen

Im November erreichte das Bürgerbegehren „Fernwärmeversorgung Stuttgart“ nun die in § 21 Abs. 3 Gemeindeordnung vorgegebene Anzahl an Unterschriften. Die Verwaltung hegt – insbesondere aufgrund der Begründung – Bedenken an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, hält aber das formulierte Ziel, Eigentum und Betrieb der Fernwärmenetze wieder in die städtische Hand zu übernehmen, für sinnvoll. Dieser Intention soll hier Rechnung getragen werden.

Die Stadt möchte sich daher das inhaltliche Anliegen des Bürgerbegehrens zu Eigen machen.

Der Wärmemarkt spielt eine bedeutende Rolle für die Energiewende. Im Bereich Fernwärme kann durch Effizienzsteigerungen, CO2-Einsparungen und den Einsatz Erneuerbarer Energien hierfür ein Beitrag geleistet werden. Der Wärmebereich gilt als Zukunftstechnologie, mit dem Erneuerbaren Energien integriert und Wärmespeicher genutzt sowie zukunftsorientierte Strategien entwickelt werden können.

Die LHS möchte auch im Wärmebereich zur Energiewende beitragen und die Energieinfrastruktur nachhaltig und zukunftssicher weiterentwickeln und wird sich daher auch um das bereits bestehende Fernwärmenetz in Stuttgart bemühen.

Aufgrund der umstrittenen Rechtslage hinsichtlich der Vergabe der Fernwärmeversorgungsnetze und der divergierenden Rechtsansicht des bisherigen Konzessionärs, der die Fernwärmeversorgung in Stuttgart nicht aufgeben möchte, ist zu erwarten, dass die Umsetzung nur im Klagewege erreicht werden kann.

Ohne detaillierte Kenntnis der Netzdaten und -details ist eine abschließende Aufklärung über das Fernwärmenetz sowie die Versorgungssituation und damit auch eine präzise Kostenschätzung nicht möglich.

Auf der Grundlage der Angebote im ruhend gestellten Konzessionsverfahren ist davon auszugehen, dass der Betrieb des Fernwärmenetzes wirtschaftlich umzusetzen und der Netzwert nach dem Ertragswertverfahren zu berechnen ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist mit einem finanziellen Aufwand im niedrigen zweistelligen Millionenbereich für den Kauf des Netzes nach vorangegangenem Rechtsstreit zu rechnen. Über das Netznutzungsentgelt ist eine auskömmliche Refinanzierung der Investition und des Betriebs wirtschaftlich darstellbar.


Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Fritz Kuhn

Anlagen






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