Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
875/2012
GZ:
OB 8145-02.03
Sitzungstermin: 21.11.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Dr. Stenneken (Kanzlei Aulinger)
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Rechtliche Prüfung der Trinkwasserpreiserhöhung

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.11.2012, GRDrs 875/2012.

OB Dr. Schuster verweist auf die in der GRDrs 875/2012 enthaltene gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Aulinger.

In die rechtliche Thematik führt Herr Dr. Stenneken ein. Von ihm wird angesichts der fortgeschrittenen Zeit zusammengefasst vorgetragen, zum 1. August 2012 habe die EnBW Vertriebs GmbH als der örtliche Wasserversorger die Wasserpreise in Stuttgart um 9,3 % oder um 22 Cent/m³ erhöht. Dies habe zur Fragestellung geführt, woraus sich diese Wasserpreiserhöhung begründet und ob diese gerechtfertigt ist - wenn nein, was kann dagegen rechtlich unternommen werden? Gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei versucht worden zunächst zu ermitteln, wie man diese 9,3 % nachvollziehen kann. Letzten Endes habe sich gezeigt, dass man hier an einem bestimmten preisbildenden Punkt, nämlich den sogenannten kalkulatorischen Kosten, "etwas geschraubt hat". Die Gründe dafür könne er eventuell im weiteren Verlauf noch darlegen.

Ausgegangen werden müsse davon, dass bei solchen Verhältnissen der Versorger, sei es Gas, Strom oder Wasser, ein Preiserhöhungsrecht, ein Preisbestimmungsrecht, hat. Dies allerdings nicht uneingeschränkt zur Erhöhung der Marge, sondern in engen Grenzen, nämlich in den Grenzen der Billigkeit gemäß § 315 BGB. Der Versorger dürfe also den Preis erhöhen und er dürfe auch eine Preiserhöhung bestimmen. Es wäre nicht zuzumuten, hunderttausende von Versorgungsverhältnissen auf Antrag und Annahme prüfen zu lassen und dort das Einvernehmen des Einzelnen einzuholen, sondern der Versorger müsse die Preiserhöhung bekanntmachen und danach könne er diese umsetzen, allerdings nur im Rahmen der Billigkeit. Dies sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der mit Leben gefüllt werden muss. Die Rechtsprechung habe dies in den letzten Jahrzehnten eingehend getan. Zum einen sei dabei gesagt worden, es gehe nicht an, dass nur weil ein Privater und nicht ein öffentliches Unternehmen der Wasserversorger ist, die Grundsätze der Preisbildung, wie sie für eine öffentlich-rechtliche Wasserversorgung gelten, völlig außer Acht gelassen werden. Es müsse hier also schon in Richtung Kostendeckung und in Richtung Äquivalenz gedacht werden. Als Beispiel verfehlter Äquivalenz führt Herr Dr. Stenneken ein fiktives Unternehmen an, das sich 20 Vorstände mit jeweils 4 Mio. € Jahresgehalt leistet. Hier würde sicherlich dem Gehalt keine entsprechende Gegenleistung gegenüberstehen.

Weiter trägt er vor, das Kostendeckungsprinzip besage natürlich "wenn du, liebes Wasserversorgungsunternehmen erhöhte Bezugskosten wie etwa erhöhte Lohn-/Gehaltskosten hast, darfst du sicherlich den Preis entsprechend erhöhen". Es müssten allerdings auch beispielsweise Kostensenkungen an die Kunden weitergegeben werden. Wenn dieser Sachverhalt auf die Erhöhung der EnBW Vertriebs GmbH heruntergebrochen werde, komme man dazu, dass seit 2007 möglicherweise hier und da eine Kostensteigerung eingetreten ist, aber sicherlich nicht in dem Maße, dass eine Wasserpreiserhöhung von 9,3 % gerechtfertigt oder billig im Sinne des Gesetzes wäre.

Der grundlegende Faktor, der hier auch zu kalkulatorischen Verwerfungen geführt habe, ist derjenige, dass nun praktisch ein "kalkulatorischer Neustart" gewählt worden ist. Man habe in Abweichung vom bisherigen Vorgehen vollkommen neue kalkulatorische Ansätze bei der AfA und bei den kalkulatorischen Zinsen gewählt, die zu einer Erhöhung von 26 Mio. € geführt haben. Das ist einer der wesentlichen preisbestimmenden Faktoren und dieser führt unter anderem zu dieser doch recht stattlichen Preiserhöhung. Hier befinde sich seine Kanzlei natürlich im Dialog und in Teamwork mit den Wirtschaftsprüfern. Diese hätten versucht dies nachzuvollziehen und sie seien dabei zum geschilderten Ergebnis gekommen. Bei einer solchen "willkürlichen" Änderung der kalkulatorischen Ansätze vermöge seine Kanzlei aus juristischer Sicht keine Gegenleistung und auch keine notwendige Kostendeckung zu sehen. Somit komme man zur Aussage, zu einem bestimmten Teil sei dieser Wasserpreis unbillig und gemäß § 315 BGB nach Feststellungsklage, Feststellung der Unbilligkeit, anzugreifen.

Danach trägt OB Dr. Schuster vor, auch aufgrund der kritischen Äußerungen der Fraktionen sei erreicht worden, dass sich die Landeskartellbehörde mit diesem Thema befasst. Ausgegangen werde davon, dass diese Behörde in absehbarer Zeit dazu eine Entscheidung trifft. Danach werde sich zeigen, ob diese Behörde die gutachterlichen Argumente teilt. Daher wolle er vorschlagen, die Frage der Klageerhebung momentan offen zu lassen und von weiteren rechtlichen Untersuchungen Abstand zu nehmen. Erst in vier bis sechs Wochen, nach der Entscheidung der Landeskartellbehörde, sollte abschließend entschieden werden, ob eine Klage eingereicht wird oder nicht. Wenn die Landeskartellbehörde der Stadt im Wesentlichen Recht gebe, könnte natürlich auch auf eine Klage verzichtet werden.

Um die städtische Rechtsposition nicht zu verschlechtern, erfolgten die Zahlungen an die EnBW Vertriebs GmbH unter Vorbehalt.

Damit, so StR Stopper (90/GRÜNE), bedeute die Beschlussantragsziffer 2, dass sozusagen lediglich eine verwaltungsinterne Vorbereitung und keine Beauftragung erfolgt. Diese Interpretation bestätigt der Vorsitzende.


Zur abschließenden Aussage von OB Dr. Schuster, dass so verfahren wird, ergeben sich keine Einwendungen.

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