Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
767/2020
GZ:
0300
Sitzungstermin: 18.11.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:BM Fuhrmann
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Novellierung der Hauptsatzung

Vorgang: Gemeinderat vom 08.10.2020, nicht öffentlich, Nr. 294
Ergebnis: Einbringung

Verwaltungsausschuss vom 21.10.2020, öffentlich, Nr. 457
Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 04.11.2020, öffentlich, Nr. 485
Ergebnis: Vorberatung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 07.10.2020, GRDrs 767/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Hauptsatzung der Landeshauptstadt Stuttgart (Hauptsatzung, HS) (Stadtrecht 0/1) wird gemäß Anlage 1 erlassen.


Der Antrag Nr. 435/2020 vom 15.10.2020 der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Zunächst erinnert EBM Dr. Mayer, in der Vorberatung am 04.11.2020 seien aus dem Antrag Nr. 435/2020 "Änderungsanträge zur Überarbeitung der Hauptsatzung" der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei vom 15.10.2020 zum Themenkomplex Vorkaufsrechte/Wertgrenzen etc. die Antragsziffern 6, 7, 8 und 14 offengeblieben.

Danach nimmt BM Fuhrmann auf seine Ausführungen in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 04.11.2020 Bezug (öffentliche NNr. 485). In den zwischenzeitlich mit den Fraktionen stattgefundenen Gesprächen, insbesondere zu Vorkaufsrechten, habe er nochmals auf die faktischen Überlegungen der Verwaltung hingewiesen. So seien im Jahr 2019 von möglichen 284 Fällen neun Vorkaufsfälle ausgeübt worden (aktuelle Fallzahlen im Jahr 2020: ca. 250 Fälle). Von ihm sei versucht worden darzustellen, dass es aus Sicht der Verwaltung bei ca. 80 Vorkaufsrechten um eher kleinere Grundstücke gehe, die sicherlich für den Gemeinderat von geringerem Interesse seien. Das Anliegen des Rates sei, mehr Transparenz, mehr Informationen über die für den Gemeinderat interessanten Grundstücke zu erhalten. Hierzu verfolge die Liegenschaftsverwaltung in Absprache mit BM Pätzold die Überlegung, dass nicht nur rein rechtliche Aspekte von Vorkaufsrechten überprüft werden sollen, sondern dass das Augenmerk verstärkt darauf gelegt werden sollte, welche Grundstücke für den Rat interessant seien. Sein Vorschlag laute, die Zuständigkeit für die Ausübung von Vorkaufs-/Wiederkaufsrechten nicht generell auf den Gemeinderat zu übertragen, sondern dass ein Modus gefunden werde, wie im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen (WA) über die für den Rat interessanten Grundstücke informiert werden könne. Vorstellen könne er sich, im Wege der Offenlage eine schriftliche Information im nicht öffentlichen Sitzungsteil dieses Ausschusses. Dort könnten sich die Ausschussmitglieder dann die relevanten Fälle betrachten. Letztlich obliege es dann dem Gemeinderat, das eine oder andere Grundstück aufzurufen. Darüber könnten dann vertiefte Beratungen stattfinden. Er bitte um Zustimmung für diese Vorgehensweise. Die Verwaltung könne sich weiter vorstellen, dieses ein Jahr zu praktizieren, um anschließend zu evaluieren, ob so die gemeinderätlichen Interessen erfüllt würden. Daran anschließen könnte sich eine Beratung über die Evaluierungsergebnisse im Reform- und Strukturausschuss (RSA). Diesen Vorschlag bezeichnet StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) als mögliche Option. StR Pitschel (90/GRÜNE) berichtet, seine Fraktion sei nach intensiven Gespräche zur Auffassung gelangt, dass eine aktive Grundstücks- und Bodenpolitik zu den zentralen Punkten einer Stadtentwicklung gehöre. Abgewogen werden müsse zwischen einem effizient funktionierenden Verwaltungshandeln und politischen Entscheidungen des Gemeinderates zu wichtigen Vorgängen, die das Gemeinwohl der Stadt und städtische Interessen betreffen. Solche Entscheidungen müssten im Rat debattiert werden. Natürlich seien aber Vorlagen für "jede Gartenlaube" nicht zweckdienlich. Begrüßt wird von ihm, nach einem Jahr die künftige Regelung zu überprüfen und über die Ergebnisse im RSA zu beraten. StR Perc (SPD) bedankt sich für die Vorarbeiten der Verwaltung.

Für seine Fraktionsgemeinschaft sieht StR Urbat eine Erhöhung der Wertgrenze auf beispielsweise 250.000 € als möglich an. Die von der Verwaltung vorgeschlagene Erhöhung der Wertgrenze auf 700.000 € bezeichnet StR Pitschel als nicht zweckdienlich. Die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion beantrage, die Wertgrenze unverändert bei 520.000 € zu belassen, und dass die von der Verwaltung vorgeschlagene Übertragung von Vorkaufsrechten auf die Verwaltung zurückgenommen und beim Rat belassen werde. Für StR Kotz (CDU) wird die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Gemeinderat dann erschwert, wenn der Rat der Verwaltung nicht zutraue, für ihn relevante Grundstücksfälle vorzulegen. Er kann sich Überlegungen dahingehend vorstellen, das Verwaltungshandeln an der einen oder anderen Stelle zu stärken. Der Rat sollte die Handhabung von Bodenvorratspolitik verstärkt grundsätzlich diskutieren, und die Verwaltung sollte die sich dort ergebende Haltung umsetzen. Von daher unterstütze die CDU-Gemeinderatsfraktion den Verwaltungsvorschlag.

Laut Herrn Steinmetz (HauptPersA) ist es rechtlich möglich, an der seitherigen Wertgrenze festzuhalten. An StR Pitschel gewandt fährt er fort, sollte die Formulierung "… sowie die Ausübung von vertraglichen und gesetzlichen Vorkaufsrechten" gestrichen werden, falle man auf die gesetzliche Zuständigkeitszuweisung der Gemeindeordnung (GemO) zurück. Somit müsste zukünftig stets der unbestimmte Rechtsbegriff "Geschäfte der laufenden Verwaltung" bei der Ausübung eines Vorkaufsrechtes herangezogen werden. Die derzeitige Zuständigkeitsordnung (ZO) sehe für Geschäfte der laufenden Verwaltung beim Grundstücksbereich eine Wertgrenze in Höhe von 370.000 € vor. Für ihn selbst liege die Grenze beim Grundstücksverkehr und bei Vorkaufsrechten bei ca. 400.000 €. Dieses müsste seines Erachtens in die ZO dann Eingang finden, wenn die Vollübertragung der Vorkaufsrechte aus der Hauptsatzung gestrichen würde. Für das Verwaltungshandeln wäre es einfacher, wenn der Gemeinderat nicht jedes Vorkaufsrecht, welches nicht unter die Rubrik Geschäfte der laufenden Verwaltung falle, im Rat diskutieren wolle, sondern dass sich der Rat auf eine Wertgrenze einige. Dies aufgreifend betont StR Pitschel, sein Antrag ziele nicht darauf ab, die Vorkaufsrechtausübung generell auf den Rat zu übertragen, sondern erst ab einer zu beschließenden Wertgrenze.

Zu erkennen gibt im weiteren Verlauf StR Adler (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), dass sich seine Fraktionsgemeinschaft der Position von StR Pitschel sowie den von Herrn Steinmetz genannten Wertgrenzen annähern kann. Er vermisst, dass die von BM Fuhrmann skizzierte Vorgehensweise, insbesondere nennt er die nach einer einjährigen Testphase angekündigte RSA-Beratung, nicht als schriftlich ausgearbeiteter Vorschlag vorliegt.

Von StR Perc wird nachgefragt, ob für die Verwaltung eine Kombination aus einer klar festgelegten Wertgrenze, die durchaus höher sein könne als aktuell, beispielsweise 700.000 €, und der Umsetzung der Offenlegungsoption im WA vorstellbar ist. So hätten die Fraktionen die Möglichkeit, auch Grundstücke aufzurufen, die unter der Wertgrenze liegen. Im Leonhardsviertel habe es ja Fälle gegeben, die deutlich unter einer solchen Wertgrenze angesiedelt gewesen seien, die jedoch städtebaulich oder bezogen auf die Verkehrsentwicklung als sehr wertvoll eingestuft werden müssen. Die Offenlegung im WA unterstützt StR Pitschel.

Aus den Wortmeldungen von StR Pitschel leitet Herr Steinmetz folgende Formulierung ab: "Erwerb, Veräußerung, dingliche Belastung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Bauwerken sowie Ausübung von vertraglichen und gesetzlichen Vorkaufsrechten bis zu einem Wert von …". StR Perc habe hier eine Wertgrenze von 700.000 € und StR Pitschel eine Wertgrenze von 520.000 € genannt. Der Verzicht der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei auf eine Wertgrenze wertet Herr Steinmetz als Verstoß gegen die Geschäfte der laufenden Verwaltung. In diesem Bereich könne es ja durchaus sein, dass ein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliege. Durch die Hauptsatzung könne hierzu keine Beschränkung erfolgen. Er geht bei der Unterschreitung von 400.000 € von einem rechtswidrigen Bereich aus. Alles über 400.000 € schätzt er als machbar ein. Danach beantragt StR Adler für seine Fraktionsgemeinschaft eine Wertgrenze in Höhe von 400.000 €. Zu erkennen gibt StR Perc im weiteren Verlauf, dass die SPD-Gemeinderatsfraktion die seitherige Wertgrenze in Höhe von 520.000 € unterstützt. Damit sei doch ein Handlungsspielraum für die Verwaltung im Alltag möglich, und der Gemeinderat werde gleichzeitig durch die WA-Offenlage informiert.

Zu bedenken gibt BM Fuhrmann, ein Großteil der Vorkaufsrechte übersteige aufgrund der Stuttgarter Grundstückspreise 520.000 € bzw. 700.000 €. Bei 80 % der Fälle gehe es um Erwerbe durch Familien, die schnellstmöglich in die Umsetzung ihrer Planungen gehen wollten. Von Wertgrenzen halte er nichts, da diese eigentlich dem Ansinnen der Fraktionen widerspreche, nämlich Vorkaufsrechten bei Grundstücken mit großer städtebaulicher Bedeutung auszuüben. Teilweise gehe es um Grundstücke, die zwar deutlich die genannten Wertgrenzen unterschritten, aber städtebaulich von großer Relevanz seien. Andererseits hätten ab und an extrem wertvolle Grundstücke keinerlei städtebauliche Bedeutung. Dafür, was städtebaulich relevant sei, habe die Verwaltung ein Gespür. Der Verwaltung ginge es insbesondere darum, und dies habe er mit BM Pätzold intensiv diskutiert, dass als Maßgabe die städtebauliche Bedeutung z. B. in Form von WA-Offenlegungen dargelegt werden könne. Bislang basierten Entscheidungen auf Vorkaufsrechtsausübungen ausschließlich auf rechtlichen Beurteilungen.

StR Adler betont, es gehe keineswegs nur um städtebauliche Aspekte, sondern auch um wohnungspolitische Aspekte.

Die Abfrage von EBM Dr. Mayer zur Bestimmung der Antragslage zur Wertgrenze ergibt, dass die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, die SPD-Gemeinderatsfraktion und die Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei eine Wertgrenze in Höhe von 520.000 € anstreben. Dies aufgreifend kündigt Herr Steinmetz für die letzte Vorberatung der Hauptsatzung mit der Verwaltungsausschusssitzung am 02.12.2020 bzw. für die Beschlussfassung in der Gemeinderatssitzung am 03.12.2020 einen Verwaltungsvorschlag an, der eine Ratszuständigkeit für sämtliche Grundstücksangelegenheiten, also auch für Vorkaufsrechte, ab einer Wertgrenze von 520.000 € vorsieht. Damit wären laut Herrn Steinmetz die noch offenen Ziffern des Antrags Nr. 435/2020 erledigt, und die Ausschüsse wären bis zu einem Betrag von 1,6 Mio. €, und bei höheren Beträgen der Gemeinderat, zuständig. Zusammenfassend ist seiner Auffassung nach somit über folgenden Antrag abzustimmen: Reduzierung der von der Verwaltung vorgeschlagenen Wertgrenze von 700.000 € auf 520.000 € unter Einbeziehung der Vorkaufsrechte.

Zu den von ihm daraus resultierenden Konsequenzen merkt BM Fuhrmann an, über wohl 90 bis 95 % der in Stuttgart zu behandelnden Vorkaufsrechte müssten dann künftig im WA oder im Gemeinderat, je nach Wertgrenze, Beratungen erfolgen. Wie er schon in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 04.11.2020 ausgeführt habe, müsse man sich mit einem Vorkaufsrecht künftig nicht nur einmal, sondern mehrfach beschäftigen und für jeden Fall müsse die Verwaltung Vorlagen erstellen. Überlegungen müssten darüber angestellt werden, ob ein Vorkaufsrecht ausgeübt werde, dann sei das Abwendungsrecht eines jeden Käufers zu berücksichtigen. Auch damit müsse man sich auseinandersetzen. In einem weiteren Schritt könnten sich dann Rechtsbehelfe, Widersprüche und Klageverfahren anschließen. Über diese Konsequenzen müsse sich der Rat im Klaren sein. Dass dann erhebliche Verzögerungen auf dem freien Markt auftreten, steht für ihn außer Frage. Des Weiteren informiert er, die Stadt habe zwei Monate Zeit, um ein Vorkaufsrecht auszuüben. Käufer/Verkäufer meldeten sich in der Regel schnell und fragten nach, ob ihr Vertrag vollzogen werden könne. Die bisherigen Beschleunigungsbemühungen erübrigten sich durch die künftigen Gremienbefassungen.

Für StR Kotz besteht die Gefahr, dass durch die Sitzungspause über die Sommerferien Fristen nicht eingehalten werden und so Vorkaufsrechte nicht ausgeübt werden können. Eventuell ergibt sich für BM Fuhrmann dann die Notwendigkeit, eine Sondersitzung in der Sommerpause einzuberufen. Von einem Aufblähen des Verwaltungshandelns und Verzögerungen beim Wohnungsbau geht StRin von Stein (FW) aus. Herr Steinmetz rät künftig an, zwei Termine für Sondersitzungen in den Sommermonaten vorzusehen. Eil-Entscheidungen für Vorkaufsrechte seien schwierig.

Demgegenüber erfolgt mit der skizzierten Vorgehensweise für StR Pitschel lediglich eine Annäherung an übliche Standards von baden-württembergischen Großstädten. Genannt werden von ihm Karlsruhe und Mannheim. Natürlich bedeute es einen Mehraufwand und es müssten künftig mehr Vorlagen beraten werden, aber seine Fraktion sei angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Thematik zu der Einschätzung gelangt, dass dieses in Kauf genommen werden müsse. Vergleiche mit den Städten Karlsruhe und Mannheim sind für den Vorsitzenden nicht immer zielführend, da diese Kommunen erheblich kleiner sind wie die Landeshauptstadt. Zudem habe Stuttgart ein anderes Niveau bei den Bodenpreisen, was die Fallzahl beeinflusse.

Zum Ende der Aussprache erinnert EBM Dr. Mayer, dass in der Vorberatung des Verwaltungsausschusses am 04.11.2020 über den Antrag Nr. 441/2020 "Demokratie in den Stuttgarter Stadtbezirken stärken. Keine Zusatzsitze durch Fraktionszusammenschlüsse im Gemeinderat" der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion vom 20.10.2020 sowie über den Antrag Nr. 439/2020 "Das neue Stuttgarter Stadtrecht wendet sich an alle Stuttgarter*innen" der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei vom 19.10.2020 bereits abgestimmt wurde. Mit der heutigen abschließenden Behandlung des Antrags Nr. 435/2020 habe man das Ende der Vorberatung der Hauptsatzung erreicht. Die abschließende Fassung dieser Satzung werde bekanntlich in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 02.12.2020 beraten und in der Sitzung des Gemeinderates am 03.12.2020 beschlossen. Eine Frage von StR Kotz beantwortend betont EBM Dr. Mayer, das Quorum für die Änderung der Hauptsatzung betrage nicht die Mehrheit der Anwesenden, sondern die Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates, also 31 positive Stimmen. Damit sei eine Beschlussfassung in einer 15er-Sitzung des Gemeinderates nach § … GemO, wie sie morgen anstehe, nicht möglich.


Festgestellt wird von EBM Dr. Mayer:

Der Verwaltungsausschuss stimmt einer Wertgrenze in Höhe von 520.000 € für Grundstücksgeschäfte einschließlich Vorkaufsrechten mit 11 Ja- und 8 Gegenstimmen mehrheitlich zu.

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