Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
202/2018
GZ:
OB 0141-01
Sitzungstermin: 02.05.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Mit nachhaltiger Stadtentwicklung die weltweiten Ziele der Vereinten Nationen "Agenda 2030" in Stuttgart stärken!

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 05.04.2018, GRDrs 202/2018. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Dieser Tagesordnungspunkt wird gemeinsam mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 3 "Stuttgart unterstützt die Mustererklärung des Deutschen Städtetages zur 'Agenda 2030' der Vereinten Nationen (VN)", heutige NNr. 161/2018. Die Aussprache ist nachstehend wiedergegeben.

In seinem Sachvortrag verweist OB Kuhn auf die in der Anlage der GRDrs 202/2018 aufgeführten Ziele der VN zum Erreichen von Nachhaltigkeit und trägt vor, sehr auffällig sei die große Anzahl sozialer Ziele. Die bisher von L/OB-Int geleistete Arbeit sei sehr wichtig. Referatsübergreifend sei eine AG eingerichtet worden, die sich mit der Frage befasse, ob die städtische Politik auf diese Nachhaltigkeitsziele der VN ausgerichtet sei.

Bekanntlich handle es sich um ein wesentlich durch den Bund mitfinanziertes Zwei-Jahres-Projekt. Die Verwaltung berichte, was bereits geschehen sei und was noch stattfinden solle. Beantwortet werden müsse die nicht einfache Frage, was nach dem Projekt stattfinde (Wie wird das im Anhang der Vorlage definierte Nachhaltigkeitsziel tatsächlich in die Stadtpolitik, in allen Referaten, implementiert?).

Viele Elemente der Nachhaltigkeitsziele seien in der städtischen Politik bereits umgesetzt worden. Konzeptionsteile seien die Urbanisierung der Energiewende sowie der Masterplan 100 % Klimaschutz. Systematisch gehöre hinterfragt, wo es noch Lücken gebe. Über das Weitere wolle er heute gerne mit dem Ausschuss diskutieren.

Grundsätzlich positiv zu beiden Vorlagen äußern sich StR Dr. Reiners (CDU), StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE), StR Perc (SPD), StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) sowie StRin von Stein (FW).

Für StR Klingler (BZS23) befindet sich ein Großteil der in der Vorlage erwähnten Themen bereits in der Umsetzung. Seines Erachtens sind nicht die Themen, sondern ein geplanter weiterer Bürokratieaufbau zu kritisieren. Notwendig sei mehr "Graswurzeldemokratie". Er werde den Beschlussantrag der GRDrs 206/2018 ablehnen. Hierzu betont OB Kuhn, die Mitteilungsvorlage befasse sich damit, ob die 17 weltweiten Ziele der VN-Agenda 2030 in der Stadt, in der Verwaltung, richtig verankert würden. Diese 17 Ziele, so Frau vom Scheidt (L/OB-Int), die sich die Weltgemeinschaft gegeben habe, seien teilweise plakativer formuliert als die Themen in Stuttgart politisch diskutiert würden. Gebeten werde, die Themen in die Arbeit zu integrieren. Die Vernetzung der verschiedenen stadtweiten Initiativen sei dabei die Hauptherausforderung. Eine große Verwaltung erfülle natürlich politische Vorgaben, aber durch die Arbeit von Frau Dr. Bunk (L/OB-Int) werde dies alles in einen gesamten Rahmen gestellt, mit dem auch der Gemeinderat weiterarbeiten könne. Andere Städte gingen bei der Entwicklung ihrer städtischen Strategien zum Teil ebenso vor. Zwar sei das Hauptziel die Umsetzung in der Verwaltung, aber unter der Ziffer 3 "lokale Partnerschaften", Vorlagenseite 4, werde auch die sehr gute Vernetzung mit lokalen Akteuren der Zivilgesellschaft dargestellt. Diese stammten teilweise noch aus den lokalen Agenda-Prozessen. In gewisser Form werde eine "neue" Sprache gewählt, um eine neue Generation zu erreichen. Die Kampagne "Mein Stuttgart, meine Welt" vereine wirklich alle Akteure (z. B. Welthaus, VHS). Diese Multiplikatoren nutzten das städtische Engagement. Diese Agilität habe ja nicht zuletzt auch die Politik sehr inspiriert. Versucht werde, die Reaktionen aufzunehmen und kooperativ zu arbeiten.

StR Dr. Reiners sieht durch die Mustererklärung die Gefahr von Eingriffen übergeordneter Ebenen. Er hebt dabei auf folgenden, in der Vorlagenseite 7 erwähnten Punkt ab: "Mit der Verankerung dieses Handlungsrahmens kann die Landeshauptstadt sich als nachhaltig und innovativ agierende Metropole regional und international unter anderem in den Bereichen Mobilität, Energiewende in Stadtgestaltung positionieren und die Wirksamkeit der bereits eingeleiteten Maßnahmen verstärken". Bei Themen wie Fahrverbote werde man hier hellhörig. Von StRin Deparnay-Grunenberg wird begrüßt, dass die EU-Grenzwerte zu Luftschadstoffen dazu führen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung wird von StR Perc (SPD) nicht gesehen. Stuttgart entscheide sich bewusst für eine Teilnahme.

Auf StR Dr. Reiners eingehend merkt der Vorsitzende an, die globalen Entwicklungsziele der VN könnten staatliche Ordnungen nicht außer Kraft setzen. Diesen Anspruch hätten die Ziele auch nicht. Vielmehr gehe es um die Frage, dass jede Ebene im Rahmen ihrer Zuständigkeiten sich der Umsetzung der Ziele widme. So werde weiterhin das Land Baden-Württemberg und nicht die Stadt Stuttgart für den Luftreinhalteplan zuständig sein. Zielkonflikte gehörten bei einem föderalen Staatsaufbau allerdings zum normalen politischen Geschäft.

Weiter an StR Dr. Reiners gewandt teilt der Vorsitzende mit, alle im Städtetag vertretenen Städte beteiligten sich.

Im Verlauf der Aussprache kritisiert StRin von Stein, dass in der Vorlage lediglich die Gewalt gegen Frauen/Mädchen, aber nicht gegen Männer erwähnt wird. Entsprechend äußert sich StR Klingler. Der Erfolg der durchgeführten Veranstaltungen, so Frau vom Scheidt gegenüber StRin von Stein, werde in erster Linie an den sehr guten Besucherzahlen festgemacht.

Bezogen auf städtische Ausschreibungen thematisiert StRin Deparnay-Grunenberg eine Beschleunigung bei der Umsetzung eines 25 %igen Bioanteils bei Schulessen. Hinsichtlich der VN-Ziele kann die Landeshauptstadt laut StR Perc bei Ausschreibungen bei folgenden Zielen der Anlage der GRDrs 202/2018 mehr tun: Ziel 5 - Geschlechtergleichheit, Ziel 11 - Nachhaltige Städte- und Gemeinden, Ziel 12 - Nachhaltiger Konsum und Produktion.

StR Rockenbauch verweist darauf, dass die Menschen in Deutschland nach dem heutigen Tag im Jahr 2018 bereits so viele Ressourcen verbraucht haben, dass sie ökologisch gesehen für den Rest des Jahres auf Pump leben. Er fordert anstelle von Projekten ernsthafte, nachhaltige Schritte. Dazu gehöre eine Stabsstelle eingerichtet. Grundsätzlich problematisiert er ein auf Profit, Wachstum und Wettbewerb ausgelegtes Wirtschaften. Es müsse unter Einbeziehung der Bevölkerung "tiefer" gegangen werden, als für die Verwaltung ökofaire Beschaffungen anzustreben.

Dazu betont StRin von Stein "mit einem Eselskarren bekommt man die Lebensmittelversorgung einer Großstadt wie Stuttgart nicht organisiert". Kompromisse seien notwendig und Kompromisse seien der einzige Weg z. B. im Bereich der Mobilität Fortschritte zu erzielen. Für StR Klingler stellt das Automobil besonders in Stuttgart einen wichtigen Wohlstandsfaktor dar. Für den Oberbürgermeister ist es wichtig, dass aus Stuttgart nachhaltige und sinnvolle Technologien exportiert werden. Seit Langem vertrete er die These, dass Exporte dann gefährdet würden, wenn diese umweltmäßig nicht sehr qualifiziert seien. Aus einem von StR Rockenbauch gewählten Bild leitet er ab, mit Übertreibungen werde auch den Zielen geschadet. Wenn gesagt werde, Firmen wie Daimler sollten zukünftig Schuhe produzieren, werde in der Bevölkerung die Akzeptanz für nachhaltiges Handeln kaputtgemacht. Das zur Beratung stehende Projekt wolle motivieren, den Weg zu einem nachhaltigen Stuttgart effizienter zu gestalten.

Nach Einschätzung von StRin Deparnay-Grunenberg tragen Äußerungen wie von StR Rockenbauch, die sinngemäß zum Ausdruck bringen "die Anderen sind schuld, die Anderen haben nichts verstanden", dazu bei, Schranken aufzubauen. So werde der partizipative Weg versperrt und Menschen würden ausgeklammert. Damit wiederum gelinge es nicht, Mehrheiten zu kreieren, um andere Wege zu gehen. Nachdem jahrelang für ökologisch, faire Beschaffungen, von der Stadt, analog der EU, nichts unternommen wurde, werde damit jetzt begonnen, nachdem die EU es nun Kommunen ermögliche, andere als ökonomische Zielen zu verfolgen. Durch StRin Ripsam (CDU) wird an das große soziale Leistungsspektrum der Landeshauptstadt und die dafür getätigten Aufwendungen erinnert. Sie sieht die Stadt schon sehr lange auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

StR Körner (SPD) verweist auf den Betreff der GRDrs 202/2018 und macht deutlich, dass der SPD-Gemeinderatsfraktion in Stuttgart die folgenden drei Ziele besonders wichtig sind:

- Gleichberechtigter Zugang zu Bildung,
- Zugang zu sicherem und bezahlbarem Wohnraum,
- anständig bezahlte Arbeit.

Bei diesen Zielen würden Nachholbedarfe gesehen. Das Wohlstandsmodell in Deutschland basiere auch auf Internationalität. Daraus erwachse eine Verantwortung für die Rolle Deutschlands in der Welt. Dafür müsse auch in Stuttgart ein Bewusstsein geschaffen werden. So könnten beispielsweise in Partnerstädten ab und an Beiträge geleistet werden. Allerdings gebe es auf kommunaler Ebene dafür Grenzen.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Verwaltungsausschuss nimmt von der GRDrs 202/2018 Kenntnis.

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag der GRDrs 206/2018 bei 16 Ja-Stimmen und 1 Gegenstimme mehrheitlich zu.

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