Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
464
12a
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 09.11.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Faßnacht de
Betreff: Negative Auswirkungen der Kommunalpolitik der
neuen Landesregierung auf den städtischen Haushalt
- Dringlichkeitsantrag Nr. 338/2016 der
SPD-Gemeinderatsfraktion vom 08.11.2016

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der Vorsitzende schickt voraus, man wolle sich heute nicht über die Frage der Dringlichkeit im Sinne der Geschäftsordnung auseinandersetzen, sondern die Verwaltung könne zu der Fragestellung berichten.

StR Körner (SPD) dankt für die Möglichkeit, das Thema losgelöst von der Frage der Dringlichkeit heute auf die Tagesordnung zu nehmen. Seiner Fraktion gehe es darum, aktuell eine erste Einschätzung der Verwaltung zu dem zu bekommen, was die gemeinsame Finanzkommission der Landesregierung am Freitag beschlossen hat. In den letzten fünf Jahren habe der städtische Haushalt von einer kommunalfreundlichen Politik stets profitiert.

Grundsatzposition der Stadtverwaltung sei es, führt EBM Föll aus, dass Vorwegentnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich nie begrüßt werden. Man halte dies grundsätzlich für problematisch. Dennoch werde diese Unsitte seit Jahr und Tag praktiziert - quer durch die Couleur der Landesregierungen. Selbstverständlich sei diese Unsitte umso stärker, je höher der Betrag der Vorwegentnahme ist. Die Stadt habe selbstverständlich auf unterschiedliche Weise - OB Kuhn auf direkte Weise, aber auch über den Städtetag - deutlich gemacht, dass eine Vorwegentnahme grundsätzlich nicht akzeptiert werde. Leider können die Kommunen darüber nicht selbst bestimmen bzw. ein Vetorecht erheben, da es letztlich eine Entscheidung des Landesgesetzgebers sei.

In der gemeinsamen Finanzkommission sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass zusätzlich zu der bisher geplanten Vorwegentnahme von 300 Mio. € weitere 200 Mio. € pauschal der kommunalen Finanzmasse vorweg entnommen werden. Rechnerisch bedeuten diese 200 Mio. € rund 12,5 Mio. € weniger an Schlüsselzuweisungen durch das Land Baden-Württemberg. Die zuvor geplanten 300 Mio. € Vorwegentnahme bedeuten rechnerisch 18,9 Mio. € weniger an Schlüsselzuweisungen, sodass man insgesamt von 31,4 Mio. € spreche.

Die Begründung für diese Vorwegentnahme halte er nicht für stichhaltig, so der Vorsitzende weiter. Das Land sage, weil das Gemeinschaftssteueraufkommen so stark steigt, könne es auch einen höheren Betrag aus der kommunalen Finanzmasse in der Vorwegentnahme entnehmen. Der kommunale Anteil betrage 23 % am Gemeinschaftssteueraufkommen des Landes. Wenn aber diese 23 % schon stark wachsen, dann wachsen auch die verbleibenden 77 % stark, die das Land originär behalten kann.

Dennoch halte er das Verhandlungsergebnis der kommunalen Spitzenverbände mit dem Land in der gemeinsamen Finanzkommission unter dem Gesichtspunkt der Schadensbegrenzung für ein durchaus gutes Ergebnis. Denn zunächst habe es seitens des Landes die Überlegung gegeben, den Anteil der Kommunen am Gemeinschaftssteueraufkommen auf einen niedrigeren Prozentsatz wie bisher zu reduzieren. Dieses hätte für die Kommunen viel gravierendere Auswirkungen gehabt, da ein abgesenkter Prozentsatz eine dauerhafte Wirkung hat und aus den abgesenkten Prozentpunkten keine Dynamisierung erfolgt. Er sei daher froh, dass die kommunalen Spitzenverbände dieses verhindern konnten und erreicht haben, dass die weitere zusätzliche Vorwegentnahme von 300 Mio. € auf 200 Mio. € reduziert werden konnte.

Im Ergebnis der gemeinsamen Finanzkommission gebe es durchaus auch positive Effekte, wie z. B. die Flüchtlingspauschale für die Anschlussunterbringung in Höhe von 1.125 € je Flüchtling. Gehe man davon aus, dass von den ca. 8.000 Personen im Jahr 2017 vorsichtig geschätzt etwa 50 % in der Anschlussunterbringung sein werden, so heiße dies, im Rahmen des Finanzausgleichs 4,5 Mio. € zu bekommen, die der Belastung durch die zusätzliche Vorwegentnahme gegenüberstehe.

"Wie wirkt sich das auf den Haushalt 2017 aus? Sie können nicht automatisch sagen, die bisherige Vorwegentnahme von 300 Mio. € - 2016 haben wir 315 Mio. € gehabt, aber wir sind von 300 Mio. € ausgegangen - die ist im Haushalt per se schon eingeplant gewesen. Jetzt können Sie nicht sagen, dass die 12,5 Mio. €, die aus der zusätzlichen Vorwegentnahme an Belastungen entstehen, abzüglich der 4,5 Mio. €, die wir als Flüchtlingspauschale bekommen, also im Saldo 8 Mio. €, dass das automatisch ein Betrag ist, der im Haushalt fehlt.

Wir können Ihnen abschließend nicht sagen, wie es sich auswirkt, weil der Haushaltserlass mit dem Kopfbetrag, der ein ganz wesentlicher Faktor ist, noch nicht vorliegt. Und in den Haushaltserlass fließen nicht nur die Ergebnisse der gemeinsamen Finanzkommission ein, sondern auch insbesondere die Entwicklungen aus der Mai- und November-Steuerschätzung. Es gab auch keinen neuen Kopfbetrag nach der Mai-Steuerschätzung, sondern das Land hat es sich zunächst offengehalten für 2017, wird aber in den nächsten Tagen mit einem entsprechenden Haushaltserlass kommen. Wir rechnen damit, dass der nächste Woche, übernächste Woche vorliegt, sodass wir davon ausgehen, wenn wir eine Prognose abgeben, dass der Kopfbetrag den von uns eingeplanten Kopfbetrag nicht unterschreiten wird.

Das heißt, wir haben insoweit keine Verschlechterung im Haushalt 2017 zu erwarten. Wir haben allerdings natürlich auch möglicherweise eine reduzierte Verbesserung. Ich kann ja jetzt nicht sagen, dass uns diese 12,5 Mio. €, die würden ja sozusagen über den Kopfbetrag kommen, dass die uns nicht fehlen. Aber eine unmittelbare Auswirkung auf den Haushalt wird es nach unserer Prognose für das Jahr 2017 was den Haushaltsansatz anbelangt, nicht haben, da der von uns geplante Kopfbetrag auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der gemeinsamen Finanzkommission und der Steuerschätzungen des Jahres 2016 Mai und November für 2017 erreicht werden wird. Vermutlich wird er sogar geringfügig höher sein, das kann ich aber heute noch nicht abschließend beurteilen, weil wir da letztlich nicht alle Informationen vorliegen haben.

Das ist sozusagen der Gesamtzusammenhang, den wir Ihnen heute berichten können. Wir werden Ihnen natürlich - wenn Sie das wünschen - selbstverständlich berichten, wenn der Haushaltserlass vorliegt, sodass wir Ihnen dann eine abschließende Auskunft und Information geben können. Ich gehe aber Stand heute davon aus, dass es eine unmittelbare Auswirkung auf den Haushalt 2017 nicht haben wird. Gleichwohl ist das kein erfreulicher Vorgang und ich halte es für grundsätzlich falsch, unabhängig davon, von welcher Couleur die Landesregierungen getragen werden, dass diese eingerissene Unsitte der Vorwegentnahme zugunsten des Landeshaushalts seitens des Landes durchgeführt wird. Das ist auch die Haltung, die der Oberbürgermeister teilt und die wir in unterschiedlicher Weise bilateral wie auch über die kommunalen Spitzenverbände, insbesondere den Städtetag Baden-Württemberg, dem Land deutlich gemacht haben."

StR Körner spricht die Pressemitteilung zu den Empfehlungen der gemeinsamen Finanzkommission an, in welcher auch die Rede sei von einer Beteiligung der Kommunen an einem Sanierungsprogramm des Landes zum Abbau der implizierten Verschuldung in den Jahren 2017 bis 2019 in Höhe von 10 %. Er bittet darzulegen, was sich dahinter verbirgt, insbesondere in Bezug auf die Konsequenzen für die Landeshauptstadt.

EBM Föll teilt mit, davon habe man zwar auch gelesen, doch um präzise Auskunft geben zu können, müsse man zunächst nachfassen. Er sagt zu, weitere Erläuterungen dazu im Kontext zum Bericht, wenn der Haushaltserlass vorliegt, zu geben.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) dankt für diese Zusage und den heutigen vorläufigen Bericht. Wichtig ist aus seiner Sicht, zu dieser Thematik auch als Gemeinderat ein Signal zu geben, und zumindest im Namen aller Fraktionen zu sagen: "So geht es nicht, im Gegenteil, angesichts der Aufgaben, die auf die Kommunen von Daseinsvorsorge über Energiewende, über Flüchtlingsunterkünfte bis Kinderbetreuung etc. zukommen, braucht es eine Stärkung der Kommunen!" Er regt an, im Ältestenrat eine Formulierung für einen gemeinsamen Appell zu finden.

Nach Ansicht von StR Kotz ist den Aussagen von EBM Föll nichts hinzuzufügen. Auch die CDU-Fraktion sei alles andere als begeistert von der Vorgehensweise des Landes und lehne diese ab. Der Gemeinderat sei verantwortlich für den Stuttgarter Haushalt, für den die Vorwegentnahme keine gute Botschaft sei.

StR Stopper (90/GRÜNE) greift den von StR Körner angesprochenen Sanierungsfonds auf. Seines Wissens ist es Verhandlungsgegenstand zwischen Kommunen und Land, was aus diesem Sanierungsfonds finanziert werden kann. Eine kommunale Ko-Finanzierung scheine Voraussetzung dafür zu sein, aus diesem Fonds Mittel zu erhalten. Daher sollte die Landeshauptstadt sehr stark darauf drängen, für ihre Sanierungsprioritäten, die u.a. auch im öffentlichen Nahverkehr bestehen, die Offenheit zu bekommen, um Förderanträge mit einer möglichst großen Bandbreite an Sanierungsbedarfen zu stellen.

Für StR Körner wird in diesem Fall sehr deutlich, dass die neue Landesregierung einen anderen Kurs fährt als die Vorgänger-Landesregierung. Die jetzt auslaufende Vereinbarung der vorherigen Regierung mit den Kommunalen Spitzenverbänden im Zeitraum 2013 bis 2016 habe eine Absenkung der Vorwegentnahmen von zwei Mal 25 Mio. € vorgesehen, von der die Kommunen profitiert haben. Die neue Landesregierung erhöhe die Vorwegentnahme um zusätzliche 200 Mio. € zulasten der Kommunen. Er stimmt StR Rockenbauch zu, wonach man als Kommunalpolitiker deutlich machen muss, dass dieses Spiel im Klartext weniger kommunale Selbstverwaltung bedeutet. Er kritisiere beide Vorgehensweisen, die darüber hinaus komplett dem widersprächen, was der Ministerpräsident auf Bundesebene zum Föderalismus erklärt habe. Es sei daher wichtig zu wissen, was ist das für ein Sanierungsprogramm und was ist davon für Stuttgart wichtig. "Natürlich wäre es aber allen sehr viel lieber, man hätte allgemeine Finanzzuweisungen, da wir hier in Stuttgart am besten wissen, welche Prioritäten wir hier in Stuttgart setzen müssen, und nicht die Landesregierung!"

StR Stopper hält es für wenig hilfreich, "sich gegenseitig die Sprechzettel der Landtagsfraktionen vorzulesen und die landespolitische Linie in den Gemeinderat zu tragen". An seinen Vorredner gewandt betont er, die ausgesprochen kommunenfreundliche Politik der letzten Landesregierung habe auch dazu geführt, dass der von allen Seiten festgestellten Konsolidierungsbedarf des Landeshaushaltes nicht im ausreichenden Maße in Angriff genommen werden konnte. Außerdem sei es nicht hilfreich, wenn die SPD am einen Mittwoch einen Nachtragshaushalt beantragt, weil die Landeshauptstadt im Geld schwimme, und am anderen Mittwoch sagt, man habe wahnsinnige Probleme. Die Botschaft des Kämmerers sei dagegen klar und differenziert und sollte so auch nach außen getragen werden.


EBM Föll hält abschließend Kenntnisnahme zu dem Bericht fest. Die Verwaltung werde wie zugesagt im Kontext mit dem Haushaltserlass wieder berichten.

zum Seitenanfang