Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
381
38
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 05.07.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Schmidt as
Betreff: "Tarifliche Stuttgart-Zulage jetzt!"
- Antrag Nr. 178/2023 vom 16.06.2023 (SPD)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StR Lutz (SPD) begründet den Antrag und erklärt, Beschäftigte in Gebieten mit höheren Lebenshaltungskosten litten unter Kaufkraftverlust. München habe diesem Zustand mit einer tariflichen Zulage gegengesteuert. Die prosperierende Wirtschaft in der Region bilde eine dauerhafte Konkurrenz um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weshalb es wichtig sei, durch eine tarifliche Zulage eine langfristige Perspektive zu bieten. Bei den früheren Alleinstellungsmerkmalen der Stadt als Arbeitgeberin wie mehr Sicherheit und guten Möglichkeiten der Teilzeit hätten andere Arbeitgeber mittlerweile nachgezogen, weshalb für den langfristigen Blick eine Lösung gefunden werden müsse. Eine tarifliche Regelung sei sehr genau und "fester". Die Stadt habe Aufgaben zu erfüllen, die offensiv angegangen werden müssten. Er erwarte von den Tarifpartnern, das Problem zu lösen. Die Landeshauptstadt müsse sich für die Zukunft gut aufstellen, um Menschen dazu zu bewegen, bei der Stadt eine Ausbildung zu machen oder ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen.

EBM Dr. Mayer empfiehlt, dem Antrag nicht zuzustimmen, denn der Tarifvertrag könne von Stuttgart aus nicht verändert werden. Die Stadt sei nicht Tarifpartei, und es sei ihr als Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) sogar untersagt, eigene Tarifverträge abzuschließen und entsprechende Verhandlungen zu führen. Wenn auf eine Einzelgenehmigung spekuliert werde, wolle er auf eine völlig andere Stimmungslage bei den Kommunen im Land hinweisen, was auch bei den Tarifverhandlungen im Bund festzustellen gewesen sei. Die Stuttgarter Situation sei bundesweit nahezu singulär. Er führt weiter aus, die Gespräche mit den Gewerkschaften würden nicht benötigt, denn es gebe in Stuttgart ein etabliertes Zulagensystem in vielen Bereichen, das ohne die Gewerkschaften installiert worden sei. Er kündigt für den Herbst einen Verwaltungsvorschlag an; zuvor müsse jedoch noch rechtliche und finanzielle Grundlagenarbeit geleistet werden.

StR Ebel (AfD) wirft die Frage auf, warum eine Zulage nicht über eine Betriebsvereinbarung oder als freiwillige Leistung ermöglicht werde.

Die Notwendigkeit einer Stuttgart-Zulage sei bereits in verschiedenen Zusammenhängen besprochen worden, hält Frau Häußler (GPR) fest. Es gehe um Planungssicherheit für neue Kolleg*innen, die wissen müssten, mit welchen Summen sie kalkulieren könnten. Die Gewerkschaft Ver.di sei bereit, einen Haustarifvertrag abzuschließen, was aber offensichtlich durch den KAV verhindert werde, der intern leider nicht mit Einigkeit glänze. Sie halte es für zwingend, dass die Landeshauptstadt auf den KAV Druck ausübe, denn es sei nicht akzeptabel, wenn sich der KAV einer Lösung verschließe. Das Thema sei seit 15 Jahren anhängig, weshalb sie es begrüße, dass EBM Dr. Mayer das Thema bei den kommenden Haushaltsplanberatungen aufgreifen wolle.

StRin Meergans (SPD) geht es um den Verhandlungsauftrag, der erteilt werden solle. Für die Beschäftigten sei es wichtig zu wissen, mit welcher Zulage dauerhaft gerechnet werden könne. In der Vergangenheit seien freiwillige Leistungen häufig das erste gewesen, was bei Haushaltskonsolidierungen gestrichen worden sei. Man benötige eine verlässliche Grundlage, die den erhöhten Lebenshaltungskosten Rechnung trage, was über eine tarifliche Lösung möglich sei. Sie stellt abschließend die Frage, warum in München eine entsprechende Lösung gefunden worden sei.

Die Situation in München sei eine andere, erklärt EBM Dr. Mayer, denn der bayerische Landtag habe eine Ballungsraumzulage in das Landesbeamtengesetz aufgenommen. Dies sei in Baden-Württemberg nicht der Fall. Er habe dies zwar angeregt, was aber abgelehnt worden sei.

Unterstützung für den Antrag signalisiert StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Man benötige finanzielle Sicherheit, wenn man in eine Stadt wie Stuttgart ziehen wolle. Bereits heute gebe es Probleme, Personal zu finden, und der Antrag gebe Rückenwind, nochmal neu in Verhandlungen einzusteigen. Sie plädiert dafür, die Stadt möge sich für eine tarifliche Zulage einsetzen, und regt an, erneut das Gespräch mit dem Land zu suchen. Solange dies noch nicht erreicht sei, könne eine Zulage für alle Stuttgarter Beschäftigten gezahlt werden. Sie gibt zu bedenken, das Personal müsse viel auffangen, weshalb diesem der Rücken gestärkt werden müsse.

Der Vorsitzende stellt erneut klar, die Stadt Stuttgart sei Mitglied des KAV, weshalb es untersagt sei, Gespräche mit den Gewerkschaften zu führen und eigene Tarifabschlüsse anzustreben. Wenn dies beschlossen werde, provoziere man einen bisher nicht existenten Konflikt, der die Umsetzungswahrscheinlichkeit einer Stuttgart-Zulage schmälere.


Das Ziel sei, möglichst schnell und unbürokratisch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine finanzielle Unterstützung umzusetzen, konstatiert StR Kotz (CDU). Er verweist auf die Ausführungen des Vorsitzenden, im Rahmen der Haushaltsplanberatungen einen Vorschlag zu unterbreiten. Die ökosoziale Mehrheit im Rat habe seit vielen Haushaltsplanberatungen die Möglichkeit gehabt, eine Stuttgart-Zulage zu beschließen, was aber nicht geschehen sei. Er plädiere für den pragmatischen Weg, gebe aber zu bedenken, dass in einer finanziell schwierigen Phase der Stadt alle Beteiligten - auch die Belegschaft - ihren Beitrag leisten müssten. Die freie Wirtschaft könne nicht 1:1 mit einer Kommune verglichen werden; dennoch könne letztere beispielsweise mit Regelungen zu mobilem Arbeiten, auch im Ausland, deutlich an Attraktivität gewinnen. An diesem Aspekt könne hausintern gearbeitet werden, um positive Elemente für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu generieren. Dem Antrag kann der Stadtrat nicht zustimmen.

Für die Ankündigung von EBM Dr. Mayer dankt StRin Rühle (90/GRÜNE), die aber gleichzeitig auf die bereits vorhandenen Zulagen in Stuttgart verweist, wie zum Beispiel für die Ausländerbehörde oder die Zulassungsstelle. Dabei sei festgestellt worden, dass dies nicht die allein glücklich machende Lösung sei. Sie hoffe auf die Haushaltsplanberatungen, in denen sie Informationen über die Kosten und eine mögliche Ausgestaltung inklusive Darstellung bereits existierender Zulagen erbitte.

Erheblichen Handlungsbedarf sieht StR Ozasek (PULS), der nicht mit einer schnellen "wundersamen Vermehrung" an qualifizierten Mitarbeiter*innen für die Kommunalverwaltung rechnet. Er betont, man konkurriere mit Umlandkommunen und mit dem Land um genau diese qualifizierten Personen. Bereits heute gebe es viele Beschwerden von Amtsleitern der Umlandkommunen, da Stuttgart bereits deutlich mehr gebe als eigentlich zulässig wäre und dadurch der Personalstamm abgeworben werde. Durch die demografische Entwicklung steuere man auf einen großen Fachkräftemangel zu, mit dem umgegangen werden müsse. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren mit den berufsgruppen- und amtsspezifischen Zulagen sowie dem Jobticket viel richtig gemacht, trotzdem müssten weitere Anstrengungen unternommen werden. Der Vorsitzende habe die Vorgehensweise in München über das Landesbeamtengesetz erläutert und nun stelle sich die Frage, ob mit dem Innen- oder Finanzministerium des Landes in ebensolche Gespräche eingetreten werden könne.

Eine entsprechende Anfrage sei bereits erfolgt, so EBM Dr. Mayer, worauf das Land erklärt habe, eine solche Vorgehensweise nicht in Erwägung zu ziehen und dem bayerischen Beispiel nicht folgen zu wollen.

Aus Sicht von StRin Yüksel (Einzelstadträtin) ist die Notwendigkeit einer Zulage gegeben, allerdings wolle sie einer rechtlich nicht zulässigen Sache nicht zustimmen. Sie stellt die Frage, ob eine Zulage rechtlich möglich sei, wenn der KAV seine Zustimmung erteile. Außerdem möchte sie wissen, ob der Verwaltungsvorschlag in irgendeiner Form planbarer gestaltet werden könne, sodass dieser bei der nächsten Haushaltskonsolidierung nicht wieder gestrichen werde.

Dazu erklärt der Vorsitzende, die Dauer einer Zulage sei verhandelbar; als Beispiel nennt er die Abschmelzungsperioden von Tarif+ und Ähnliches. Er verweist auf das in Stuttgart etablierte Zulagensystem, das vom KAV bisher nicht beanstandet worden sei.

Dieses Abschmelzen ist für StRin Meergans das Gegenteil von Planungssicherheit. Bei einer Stuttgart-Zulage müsse für dauerhafte Absicherung gesorgt werden, weshalb sie den Antrag als Verhandlungsmandat zur Abstimmung stellen wolle.

Auch ein Tarifvertrag gelte nicht ewig, betont EBM Dr. Mayer. So sei beispielsweise die Möglichkeit zur Altersteilzeit bei den letzten Tarifverhandlungen gestrichen worden.

Gegenüber StR Kotz führt Frau Häußler (GPR) aus, es gehe darum, dass die Belegschaft mehr Geld in der Tasche habe. Sie sehe in einer tariflichen Lösung ein sicheres und eingeführtes Instrument, dies entsprechend abzusichern.

Eine tariflich abgesicherte Lösung hat für StR Lutz eine hohe Qualität. Um die städtische Dienstleistung gut zu erbringen, benötige man eine tarifliche Lösung.

Die Frage, ob man für die Stadt arbeiten wolle oder nicht, hänge stark mit den Aspekten moderne Ausstattung der Arbeitsplätze und Wertschätzung zusammen, erklärt StRin von Stein (FW). Die Bezahlung sei zwar wichtig, bilde aber nicht den einzigen Beweggrund.

Diesbezüglich verweist der Vorsitzende auf zahlreiche Untersuchungen unter Belegschaften zu diesem Thema, die dies bestätigten. Aus diesem Grund gehe man die Personalstrategie mit einer 360-Grad-Perspektive an und fokussiere nicht allein auf das Thema Lohn. Den von StRin Yüksel angesprochenen Wunsch nach Planbarkeit nimmt er auf und erklärt, dieser werde in die verwaltungsinternen Diskussionen zum Haushalt einfließen.


EBM Dr. Mayer stellt den Antrag Nr. 178/2023 zur Abstimmung und stellt fest:

Der Verwaltungsausschuss lehnt den Antrag Nr. 178/2023 bei 4 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

zum Seitenanfang