Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: KBS
GRDrs 150/2015
Stuttgart,
06/11/2015



Hotel Silber



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Kenntnisnahme
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
30.06.2015
01.07.2015
02.07.2015



Beschlußantrag:

1. Dem Kooperationsvertrag zwischen Land und Stadt (Anlage 2: Finanzierungs- und Organisationsvereinbarung) über die Einrichtung des Erinnerungsortes Hotel Silber in der Osthälfte des Gebäudes Dorotheenstraße 10 im EG, 1. und 2. OG wird zugestimmt.

2. Für den Betrieb des Erinnerungsortes Hotel Silber gewährt die Landeshauptstadt Stuttgart folgende jährliche Zuschüsse:

2.1 als Festbetrag zur Deckung der laufenden Betriebskosten an das Land 250.000 Euro

2.2 zur Mitfinanzierung der Kosten der Flächenbewirtschaftung an das Land max.

2.3 zur Unterstützung eigenverantwortlicher Veranstaltungen der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. max. 5.000 Euro
3. Die Eckpunkte der Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung zwischen dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. (Anlage 3: Eckpunkte der Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung) werden zur Kenntnis genommen.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt haben sich darauf verständigt, dass der laufende Betrieb des Erinnerungsortes Hotel Silber auf der Basis der beigefügten Finanzierungs- und Organisationsvereinbarung (Anlage 2) erfolgen soll.

Eine Kündigung dieser Vereinbarung ist nach erklärtem Willen von Stadt und Land frühestens nach Ablauf von 25 Jahren ab Eröffnung des Erinnerungsortes (voraussichtlich im Jahre 2017) also 2042 möglich.


Die Finanzierung der laufenden Mietnebenkosten von voraussichtlich 60.000 Euro p.a. wird von Land und der Stadt je zur Hälfte getragen. Die von der Stadt Stuttgart zu tragenden 30.000 Euro sind zusätzlich zu dem mit Doppelhaushalt 2014/2015 beschlossenen städtischen Gesamtbudget von 250.000 Euro p.a. notwendig. Darüber hinaus ist ein städtischer institutioneller Zuschuss von maximal 5.000 Euro p.a. für eigenverantwortliche Veranstaltungen der Initiative im Hotel Silber vorgesehen.

Die Ergebnisse der baufachlichen Untersuchung (Januar 2015: Amt für Vermögen und Bau Stuttgart) schließen das UG als Ausstellungsfläche aus, da die Herstellung der geplanten öffentlich nutzbaren Fläche für Wechselausstellungen technisch nicht befriedigend möglich ist. Als Kompensation für das UG soll das 2. OG für Wechselausstellungen zugänglich gemacht werden. Die Raumstruktur im 1. und 2. OG stellt sich weitgehend unverändert dar und entspricht im Zuschnitt noch der Zeit 1933 - 1945, als die Gestapo hier arbeitete.

Der Erinnerungsort Hotel Silber wird als Außenstelle des Hauses der Geschichte betrieben; Trägerschaft und Verantwortung liegt beim HdGBW. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist in der Gremienstruktur verankert; eine Zusatzvereinbarung zwischen dem HdGBW und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber regelt den Zugang zu einem Büro für die Initiative im Gebäude sowie die Mitgestaltung des Veranstaltungsbereichs (Anlage 3).


Finanzielle Auswirkungen

Die Umbaumaßnahmen und die Miete für das 2. OG - wie bereits für das EG und 1. OG - finanziert das Land selbst.

Aktuell stehen im Teilhaushalt des Kulturamtes für die Vorbereitung, Ausstellungsplanung und Ausstellungseinrichtung 750.000 Euro in 2014 und 2015 zur Verfügung. Die Mittel sind als Investitionszuschuss beim Projekt 7.410700: Kulturförderung veranschlagt. Der Ansatz 2014 ist im Rahmen der Ermächtigungsübertragungen 2014 in das Haushaltsjahr 2015 zu übertragen.




Ab 2018 sind 280.000 Euro p.a. als laufender Zuschuss an das Land im Amtsbereich 4102811 Kulturförderung, Kostenartengruppe 430 Transferaufwendungen, in der städtischen Finanzplanung enthalten. In 2017 werden die Mittel zeitanteilig ab Eröffnung zur Verfügung gestellt.

Mit jeweils maximal 5.000 Euro p.a. beteiligen sich Land und Stadt an den Veranstaltungskosten, die für eigenverantwortliche Veranstaltungen der Initiative bei der Nutzung der Räumlichkeiten im Hotel Silber für die Initiative anfallen. Das Land übernimmt dabei die Mietkosten für den der Initiative überlassenen Büroraum von 5.000 Euro, die Stadt bezuschusst weitere Veranstaltungskosten in Höhe von maximal 5.000 Euro pro Jahr.

Diese institutionelle Zuwendung der Stadt an den Verein in Höhe von maximal 5.000 Euro, wird ab 2017 im Amtsbereich 4102811 Kulturförderung, Kontengruppe 43100 Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke 417HEDE10 Heimat- und Denkmalpflege (IF) veranschlagt.

Mit der Beschlussfassung bindet sich die Stadt für 25 Jahre. Die Mittel sind ab 2017 bis mindestens 2042 in den städtischen Haushalt einzustellen.


Beteiligte Stellen

keine

Vorliegende Anträge/Anfragen

keine

Erledigte Anträge/Anfragen

keine



Fritz Kuhn

Anlagen

1 Ausführliche Begründung
2 Finanzierungs- und Organisationsvereinbarung zwischen Land und Stadt
3 Eckpunkte zur Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung



Ausführliche Begründung

Mit der Einrichtung des Erinnerungsortes „Hotel Silber“ entsteht ein lebendiger Erinnerungsort mit institutionalisierter Bürgerbeteiligung. Die Entwicklung und Umsetzung des Projekts durch die drei Partner Land Baden-Württemberg, Stadt Stuttgart und Bürgerschaft ist ein Novum und als Modell bürgerschaftlicher Teilhabe beispielhaft.


Allgemeine Einführung

Das „Hotel Silber“ war von 1933 - 1945 als Gestapo-Leitstelle für Württemberg und Hohenzollern ein Ort des staatlich und bürokratisch organisierten NS-Terrors. Von hier aus wurde die Überwachung der Gesellschaft, die Verfolgung politischer Gegnerinnen und Gegner und diskriminierter Minderheiten, die Unterdrückung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie die Deportation der Jüdinnen und Juden organisiert und gesteuert.

Das „Hotel Silber“ galt und gilt aus diesem Grund als Inbegriff des NS-Unrechtsregimes. Als ehemaliger Dienstsitz der Polizei auch vor 1933 steht es für das nahezu reibungslose Hinübergleiten der Weimarer Republik in die NS-Diktatur. Als Dienstsitz der Polizei nach 1945 steht es darüber hinaus für einige personelle und funktionale Kontinuitäten sowie für die fortgeführte Ausgrenzung von Minderheiten. Die Geschichte der Polizei im „Hotel Silber“ zeigt aber auch die Entfaltung demokratischer und pluralistischer Prinzipien nach 1945. An der Nachkriegsgeschichte des „Hotel Silber“ als Gebäude lässt sich überdies seismografisch der Wandel in der Auseinandersetzung der bundesrepublikanischen Gesellschaft und ihrer Institutionen mit dem nationalsozialistischen Erbe erkennen.

Die geplante Einrichtung im „Hotel Silber“ soll eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Geschichte ermöglichen. Sie ist als Ort des historisch-politischen Lernens konzipiert. Aus dem Lernen über die Vergangenheit sollen die Besucherinnen und Besucher Handlungsperspektiven für die Gegenwart und die Zukunft gewinnen können.

Hierzu gehört, dass sichtbar und nachvollziehbar gemacht wird, wie sich beim Übergang der Weimarer Republik in die NS-Diktatur exekutives Handeln entwickeln konnte, das sich öffentlicher und rechtlicher Kontrolle entzog.

Zentral ist dabei die Vermittlung der hohen Bedeutung der Grund- und Menschenrechte, demokratischer Werte und Regeln sowie der Prinzipien des Rechtstaats. Es soll gezeigt werden, wie wichtig es ist, dass alle Formen der Ausgrenzung, Diskriminierung und Benachteiligung aufgrund von Abstammung, Herkunft, politischer oder religiöser Anschauung, sexueller Orientierung oder gesundheitlicher Verfassung als solche erkannt werden und ihnen couragiert entgegen gearbeitet wird. Weiter sollen die Bedingungen und Funktionen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie ihre Auswirkungen auf die polizeiliche Arbeit dargestellt werden.

Das „Hotel Silber“ ist damit ein Ort der Begegnung und der Beschäftigung mit aktuellen, an den historischen Gegenstand anknüpfenden Themen und Fragestellungen (Grundlage: Grobkonzept für die Dauerausstellung im „Hotel Silber“, November 2014).

Engagierte Bürgerinnen und Bürger, zusammengeschlossen in der Initiative „Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.“ haben sich für den Erhalt des Gebäudes als Geschichtsort eingesetzt und erreicht, dass die Landesregierung den Erhalt des Gebäudes im Rahmen des Koalitionsvertrages 2011 festgeschrieben und die Einrichtung eines Erinnerungsortes in den historischen Räumen beschlossen hat. In einem erfolgreichen Bürgerbeteiligungsprozess konnten die Grundlagen für das Projekt zwischen dem Land BW, der LHS und der Initiative Hotel Silber erarbeitet werden. Organisation, Trägerschaft und Finanzierung werden mit dem Kooperationsvertrag zwischen Land BW und LHS geregelt, der auch die Bürgerbeteiligung institutionalisiert und die Beteiligung der Initiative Hotel Silber e.V. in den Gremien Verwaltungsrat, Programmbeirat und Runder Tisch definiert. Zusätzlich regelt eine Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung zwischen dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg als Betreiber und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. die Nutzung im Erinnerungsort.


Finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen

Das Land und die Stadt Stuttgart verpflichten sich, ab Eröffnung die einvernehmlich festgelegten Betriebskosten als Festbetragsförderung mit einem Zuschuss von 0,5 Mio. Euro p.a. je zur Hälfte zu finanzieren. Die LHS hat diesen Betrag mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt 2014/2015 in die Finanzplanung aufgenommen. Zusätzlich wurde vereinbart, dass sich Land und Stadt die Kosten für die Gebäudebewirtschaftung und den Verbrauch in Höhe von ca. 60.000 Euro p.a. je hälftig teilen.

Desweiteren wurde vereinbart, dass sich Land und Stadt die Veranstaltungskosten der Initiative, die bei der Nutzung der Räumlichkeiten im Hotel Silber anfallen, aufteilen. Das Land übernimmt dabei die Mietkosten für den der Initiative überlassenen Büroraum von 5.000 Euro, die Stadt bezuschusst weitere Veranstaltungskosten in Höhe von maximal 5.000 Euro pro Jahr.

Für Vorbereitung, Ausstellungsplanung und Ausstellungseinrichtung stellen Land und Stadt bis zur Eröffnung insgesamt 3 Millionen Euro bereit, der von der Stadt zu tragende Anteil von 1,5 Mio. Euro wurde ebenfalls mit Doppelhaushalt 2014/15 beschlossen. Die Vorbereitungsphase beginnt im Jahr 2015 mit dem Gestaltungswettbewerb.

Der Erinnerungsort Hotel Silber wird als Außenstelle des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart betrieben und untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst.




Die Leitung des Erinnerungsortes hat der Vorstand des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg. Sie trägt die Gesamtverantwortung für die Einrichtung und den Betrieb der Dauerausstellung, die Planung und Durchführung von Sonderausstellungen sowie weiterer Veranstaltungen.

Die inhaltliche Ausrichtung des Erinnerungsortes wird von drei Gremien begleitet: Verwaltungsrat, Programmbeirat und Runder Tisch planen bzw. beraten Jahresprogramm, Sonderausstellungen und Veranstaltungen. In diesen Gremien ist die Bürgerschaft mit Stimmrecht vertreten. Zusätzlich wird der bestehende Wissenschaftliche Beirat des HdGBW für Fragen zum Hotel Silber um zwei Experten ergänzt, die von der Initiative Hotel Silber e.V. benannt werden.


Ergebnis der baufachlichen Untersuchung: 2. OG statt UG

Die Ergebnisse der baufachlichen Untersuchung (Januar 2015: Amt für Vermögen und Bau Stuttgart) schließen das UG als Fläche für Wechselausstellungsfläche aus. Die notwendige Umgestaltung wäre außerordentlich aufwändig und im Ergebnis nicht befriedigend, da Fragen der Belüftung, der Elektrik sowie Anforderungen der Ausstellungstechnik nicht gelöst werden können. Auch das geforderte Flächenziel von rund 300 m² kann nicht erreicht werden.

Als Kompensation für das UG soll das 2. OG für Wechselausstellungen genutzt werden. Die Raumstruktur im 1. und 2. OG stellt sich weitgehend unverändert dar und entspricht im Zuschnitt noch der Zeit 1933 - 45, als die Gestapo hier arbeitete. Das 2. OG umfasst zudem das Dienstzimmer des Gestapo-Leiters. Mit den drei Teilgeschossen EG, 1 .OG und 2.OG stünden wieder ca. 1.000 qm zur Verfügung. Die Miete für das 2. OG - wie bereits für das EG und 1. OG - wird vom Land übernommen, ebenso wie die Kosten für den Umbau.


Einbindung und Mitgestaltung der Initiative

Die bürgerschaftliche Teilhabe an dem Projekt und Betrieb „Hotel Silber“ ist in der Gremienstruktur verankert (siehe Anlage 2; Kooperationsvertrag). Ferner regelt eine Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung zwischen HdGBW und Initiative die Grundsätze der Zusammenarbeit und das betriebliche Miteinander. Danach hat die Initiative die Möglichkeit, Veranstaltungen in Absprache mit dem HdGBW eigenverantwortlich durchzuführen.

Die Initiative erhält einen eigenen Büroraum im 2. OG zur ausschließlichen Nutzung. Dieser Raum ermöglicht der Initiative und ihren Mitgliederorganisationen die Durchführung ihrer spezifischen Aufgaben im Erinnerungsort Hotel Silber. Es dient der Koordination des bürgerschaftlichen Engagements, der Programmplanung, der Gedenkstättenpädagogik, der Vernetzung mit der Zivilgesellschaft und als Anlaufstelle für ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger. Im Erinnerungsort soll das Zusammenwirken von hauptamtlicher Zuständigkeit und bürgerschaftlichem Engagement in der Erinnerungsarbeit und in der historisch-politischen Bildung erprobt und als Lernprozess verstanden werden.



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