Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 882/2020
Stuttgart,
11/09/2020



Umsetzung der Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ im Schuljahr 2020/2021



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Schulbeirat
Verwaltungsausschuss
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
17.11.2020
18.11.2020



Beschlußantrag:

1. Das Konzept „Naturzeiten im Ganztag“ wird zur Kenntnis genommen.

2. Der Umsetzung der Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ im Schuljahr 2020/21 wird zugestimmt.

3. Die Finanzierung erfolgt 2021 aus den dafür veranschlagten Mitteln i.H.v. 50.000 EUR im THH 810 Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107080 – Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, Kontengruppe 440 – sonstige ordentliche Aufwendungen.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2020/2021 wurde beschlossen, dass für die Stuttgarter Ganztagsgrundschulen jährlich 50.000 EUR für die Umsetzung von „Naturzeiten im Ganztag“ zur Verfügung gestellt werden (Antrag 415/2019, GRDrs. 517/2019). Der Mittelabruf durch die Schulen erfolgt über die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft. Zur Umsetzung des Vorhabens hat die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft auf der Grundlage von Fachveranstaltungen, Modellvorhaben und in Abstimmung mit den zuständigen Fachämtern ein Förderkonzept entwickelt.


Ausführliche Beschreibung

1. Beschlusshistorie


Die Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ ist Teil der Qualitätsentwicklung an Ganztagsgrundschulen, deren Umsetzung in der GRDrs 6/2013 beschlossen wurde. Im Rahmenkonzept zum Ausbau der Stuttgarter Ganztagsgrundschulen (2012) wird darauf hingewiesen, dass neben Sport, Musik und Kunst auch Natur und Umwelt in das Programmangebot von Ganztagsschulen einbezogen werden soll.

Ausgehend davon wurde die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft für den Doppelhaushalt 2018/19 beauftragt, ein Konzept zur Verankerung von Naturzeiten im Ganztag zu erstellen (HH-Antrag 448/2017). Dieses sollte sich an den Angeboten „Sport im Ganztag“, „Kultur im Ganztag“ und „Musik für alle“ orientieren und die Ganztagsschulen befähigen, regelmäßige Naturzeiten sowie umwelt- und naturpädagogische Angebote anzubieten.

Das von der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft daraufhin erarbeite Konzept (GRDrs 517/2019) umfasst die pädagogische Relevanz von Naturzeiten und fundiert den Themenbereich anhand von sechs Bildungsprinzipien. Ausgehend von einer Ist-Stand-Analyse wurde eine 7 Bausteine-Strategie zur flächendeckenden Verankerung von Naturzeiten im Ganztag entwickelt. Die Strategie berücksichtigt u. a. die systematische Einbeziehung externer Partner, die Schaffung von Transparenz und Qualifizierung von Beteiligten sowie Organisationsentwicklung an den Schulen.

Mit der vorliegenden Beschlussfassung zum Förderkonzept „Naturzeiten im Ganztag“ erfolgt die Umsetzung einer der Bausteine dieser Strategie.

2. Pädagogische Relevanz von „Naturzeiten im Ganztag“


Die pädagogische Relevanz von „Naturzeiten im Ganztag“ lässt sich anhand von 3 Punkten darstellen. Naturzeiten sind 1) Qualitätsmerkmale von Ganztagsgrundschulen, 2) tragen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie zu Klimaschutz in Stuttgart bei und 3) unterstützen die Aufrechterhaltung von Bildung und Betreuung im Ganztag in Corona-Zeiten.


Das Rahmenkonzepts zum Ausbau der Stuttgarter Ganztagsgrundschulen (GRDrs 6/2013) verweist auf die Bedeutsamkeit von Naturzeiten im Ganztag. In der Rhythmisierung des Ganztags sollen u. a. Sachunterricht, selbstständiges Lernen/Arbeiten mit Erholung und Spiel verbunden werden. Die Qualitätsanalyse der Stuttgarter Ganztagsgrundschulen von 2018 unterstützt dies. Ein zentrales Ergebnis der Analyse ist, dass sich Schüler*innen mehr selbstbestimmte Zeit im Ganztag wünschen. Dahinter steht der Wunsch nach Selbsterkundung, aber auch das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung (Vgl. Bericht (GRDrs. 916/2018) und Handlungsempfehlungen (GRDrs 69/2019) zur Qualitätsanalyse Stuttgarter Ganztagsgrundschulen 2017/2018). Informelle Naturzeiten auf dem Schulgelände oder in Stuttgarts Naturräumen sind damit ein wichtiger Bestandteil der Rhythmisierung des Ganztags.

Das Rahmenkonzept verweist zudem darauf, dass ein breites kulturelles, künstlerisches und zum Entdecken anregendes Angebot die Entstehung oder Verstärkung sozialer Disparitäten mindert und Bildungsgerechtigkeit fördert. Dazu gehören neben Musik und Sport auch Naturerfahrungen. Sich draußen austoben, durch die Natur streunen und sie entdecken gehören zu einem gelingenden Aufwachsen. Indem Naturzeiten in den Ganztag einbezogen werden, kann ansatzweise etwas wiedergewonnen werden, was für frühere Generationen selbstverständlicher war. Natur ist darüber hinaus für die Entwicklung kindlicher Selbstständigkeit gerade unter dem Gesichtspunkt zunehmender „Verhäuslichung“ sehr wichtig. Natur-Lernorte und Natur-Rückzugsorte sind daher ein Qualitätsmerkmal im Schulalltag einer Ganztagsschule.

Stuttgart hat viel Natur zu bieten. Ein Drittel des Stadtgebiets besteht aus Wäldern und öffentlichen Grünflächen. Zusätzlich gibt es Aktivspielplätze, Jugendfarmen und den Stadtteilbauernhof, die Naturerleben in der Großstadt ermöglichen. Ganztagsschulen können im Alltag der Kinder Gelegenheiten schaffen, diese zu erleben. Es ist wichtig, einen Zugang zu diesem „Erfahrungsort“ zu ermöglichen. Die Ganztagsschule ist zur Erreichung dieses Ziels besonders gut geeignet.

Naturzeiten sind zudem wichtige Lern- und Bildungsanlässe an Ganztagsgrundschulen. Naturräume ermöglichen Lernen mit allen Sinnen und bieten eindrückliche Erfahrungen auch im Bereich der sozialen Kompetenzen. Ausgehend von originären Begegnungen mit der Natur und Naturvorgängen entdecken Kinder Zusammenhänge, beginnen sie zu verstehen und einzuordnen. Vielfältige Angebote regen zum Staunen, Fragen, Experimentieren und zur Suche nach Lösungen an. Die Kinder verfolgen eigene und sich ergebende Fragestellungen, finden Antworten und gewinnen dadurch Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten.

Naturzeiten im Ganztag bieten daher einen Rahmen für natur- und umweltpädagogische Angebote. Dadurch können die Bereitschaft und die Befähigung zu nachhaltigem Handeln der Kinder maßgeblich gefördert werden. Natur- und Umweltpädagogik ist eine der sechs Leitperspektiven des Bildungsplans Baden-Württemberg und ist ein wesentlicher Bestandteil zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Diese hat das Ziel, Kinder, Jugendliche und Erwachsene für nachhaltiges Denken und Handeln zu begeistern. Sie gibt jungen Menschen die Möglichkeit, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln - hier und jetzt - aber auch auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Regionen der Welt auswirkt. Natur- und umweltpädagogische Angebote an Ganztagsgrundschulen bilden damit einen wichtigen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz vor Ort in Stuttgart.

Insbesondere in der Corona-Zeit erfahren Naturzeiten an Ganztagsgrundschulen eine weitere wichtige Bedeutung. Ganztagsgrundschulen sind derzeit mit vielen Herausforderungen in Bezug auf die Einhaltung von Gesundheitskonzepten und Abstandsregeln konfrontiert. Naturzeiten sowie natur- und umweltpädagogische Angebote können einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Bildung und Betreuung an Ganztagsgrundschulen leisten.

Bildung und Betreuung kann mit diesen Angeboten verstärkt nach draußen verlagert werden. Denn Aktivitäten im Freien ermöglichen eine einfachere Einhaltung von Abstandsregeln. Draußenzeiten bieten entspannendes Gegengewicht zu dem derzeit stark verregelten Alltag im Schulgebäude, ohne dass auf Lernen und Unterricht verzichtet werden muss. Die Erfahrungen an Modellstandorten zeigen, dass Naturzeiten durchaus gewinnbringend mit Unterricht verbunden werden können (siehe Kap. 4). Zudem stärken Bewegung und frische Luft das Immunsystem der Kinder und der Lehr- und Fachkräfte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass informelle Naturzeiten sowie natur- und umweltpädagogische Angebote ein Qualitätsmerkmal von Ganztagsgrundschulen darstellen und vielfältige Bildungs- und Betreuungspotenziale bieten. Wichtig ist hierbei, dass sie nicht ausschließlich im Rahmen des Unterrichts oder im Rahmen der Angebote durch die Ganztagsträger im Bildungsalltag verankert sind. Vielmehr sollten sich Naturzeiten wie ein „grünes Band“ durch den Tag hindurch weben. Dadurch können die unterschiedlichen Dimensionen von Natur für die Schülerinnen und Schüler erlebbar und ihr Mehrwert für die Entwicklung der Schüler*innen und des Schulstandorts befördert werden.

3. Erfahrungen


Im Zeitraum zwischen 2018 und 2020 hat die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft mittels Fachveranstaltungen und Modellvorhaben an Ganztagsgrundschulen weiterführende Erkenntnisse über Potentiale und Herausforderung für die Implementierung von „Naturzeiten im Ganztag“ erworben. Während die Fachveranstaltungen unterschiedliche Akteure aus der Stadtgesellschaft zusammenbrachte (Verwaltung, Lehr- und pädagogische Fachkräfte des Ganztags, Akteure aus dem Natur- und Umweltbereich) fokussierten die Modellvorhaben auf unterschiedliche Schulstandorte.

Die Prozesse und Veranstaltungen verweisen zum einen auf vielfältige Potentiale der Verankerung von Naturzeiten im Ganztag.


Zum anderen zeigen die Erfahrungen auch Bedarfe an den Schulstandorten auf:

4. Konzeption der Förderung „Naturzeiten im Ganztag“


Die Fachveranstaltungen, Modellvorhaben sowie die Qualitätsanalyse zeigen, dass informelle Naturzeiten sowie natur- und umweltpädagogische Angebote an Ganztagsgrundschulen bei Kindern, Lehr- und Fachkräften sowie Kooperationspartnern eine hohe Bedeutung haben.

Die Erfahrungen zeigen zudem, dass Akteure an den Schulen zu Implementierung von Naturzeiten und natur- und umweltpädagogischen Angeboten häufig zusätzliche Expertise benötigen. Die Akteure der Natur- und Umweltbildung, die auch beim Träger des Ganztags angestellt sein können, verfügen über eine große Fachlichkeit und häufig über langjährige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Schulen. Auf dieser Grundlage und mittels ihrer spezifischen Methoden sind sie geeignete Bildungspartner für Ganztagsschulen. Daher sind feste Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Lernorten bzw. Partnern sowie eine Integration des Handlungsfelds „Naturzeiten im Ganztag“ in das Schulkonzept anzustreben.

Die Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ hat das Ziel, Naturzeiten sowie natur- und umweltpädagogische Aktivitäten als regelmäßiges Angebot im Schulalltag flächendeckend an allen Ganztagsgrundschulen in Stuttgart zu etablieren. Im Spezifischen soll damit erreicht werden, dass Lehr- und pädagogische Fachkräfte des Ganztags


Ausgehend von der oben beschriebenen Ausgangslage wird mit der Förderung insbesondere auf den Bedarf an zusätzlichen Mittel an Schulen reagiert, um kontinuierliche naturpädagogische Vorhaben mit externen Kooperationspartnern zu ermöglichen.

Unter Rückgriff auf die in der GRDrs 517/2019 ausgewiesenen sieben Bausteine-Strategie der Verankerung von Naturzeiten im Ganztag ist die Förderung eingebettet in weitere Aktivitäten. So erfolgt eine nachfolgende Qualitätssicherung der Maßnahmen unter anderem durch einen jährlich stattfindenden Fachtag, die Qualifizierung von Ganztagesakteuren und externen Kooperationspartnern sowie durch die sukzessive Schaffung von Transparenz zu Partnern und Angeboten.

Naturzeiten können auf unterschiedliche Art und Weise an Ganztagsgrundschulen verankert werden. Grundsätzlich lassen sich informelle Naturzeiten sowie natur- und umweltpädagogische Angebote unterscheiden. Naturzeiten wird dabei als Überbegriff genutzt.

Informelle Naturzeiten zielen darauf ab, Kindern niedrigschwellige Zugänge zur Natur zu ermöglichen. Kinder erhalten dadurch Möglichkeiten zur Ruhe und Freizeit sowie die eigenständige Entdeckung von Natur im Ganztagesablauf. Diese können am Schulstandort oder an Naturstandorten außerhalb der Schule erfolgen.

Umwelt, und naturpädagogische Angebote hingegen rücken den Lernort „Natur“ in den Fokus. Hier können Ganztagsschulen entweder eigene Bildungs- und Betreuungsangebote umsetzen oder mit Umwelt-, Natur- und Waldpädagog*innen der Ämter sowie Natur- und Umweltorganisationen kooperieren.

Um den Schulen Möglichkeiten der Implementierung von Naturzeiten und naturpädagogischen Angeboten aufzuzeigen, beinhaltet die Förderrichtlinie drei beispielhafte Formate:

Die Formate können miteinander kombiniert werden. So können natur- und umweltpädagogische Angebote auch informelle Naturzeiten enthalten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass Schulen eigene Aktivitäten entwickeln und durchführen. Die Förderung möchte damit den Akteuren an den Schulen einerseits Anregungen zur Umsetzung neuer Angebote und gleichzeitig genügend Freiraum für die Entwicklung standortadäquater Formate zu geben.
Die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft ist mit der Konzeption und Umsetzung der Förderung beauftragt (GRDrs 517/2019).

Die Veröffentlichung der Förderrichtlinien ist für November 2020 geplant. Um weitere Transparenz über Angebote und Möglichkeiten herzustellen, werden die Schulen gleichzeitig über Ansprechpersonen und Angebote informiert. Die Schulen können sich laufend bewerben, der Umsetzungszeitraum beginnt ab dem zweiten Schulhalbjahr 2020/21.

Antragsberechtigt sind Ganztagsgrundschulen zusammen mit den Trägern des Ganztags. Es handelt sich um eine schuljahresbezogene Förderung, die jedes Jahr erneut niedrigschwellig durch einen begründeten Mittelabruf zur Verfügung steht. Die Lenkungsgruppe Ganztag (Stadtverwaltungsamt, Statistisches Amt, Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft) entscheidet gemeinsam über die Genehmigung oder Ablehnung der von den Schulen und Trägern des Ganztags gestellten Anträge.

Als begleitende Maßnahme für die Umsetzung der Vorhaben vor Ort findet jährlich ein Fachtag zum Austausch der schulischen Praxis statt. Mit Beispielen guter Praxis soll auch eine Qualitätsentwicklung angeregt werden. Dieser Fachtag wird von der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft unter Einbezug der beteiligten Ämter sowie der außerschulischen Kooperationspartner aus dem Feld vorbereitet und durchgeführt. Im Jahr 2021 wird dieser voraussichtlich im Juni/Juli vor Schuljahresende stattfinden.


Die Gesamtfördersumme beträgt insgesamt 50.000 € für die derzeit 42 Ganztagsgrundschulen. Der Förderbetrag ist je Schule limitiert.

Für die Durchführung können von Ganztagsschulen folgende Mittel abgerufen werden:
Beim Mittelabruf wird immer geprüft, ob bereits ein anderer Fördertopf bereitsteht.


Finanzielle Auswirkungen


Der in den Haushaltsberatungen bereitgestellte Rahmen für die Umsetzung „Naturzeiten im Ganztag“ beträgt 50.000 EUR p.a.

Die Projektmittel sind im Teilergebnishaushalt 810 – Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107080 – Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, Kontengruppen 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen, finanziert.

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen ist darauf hinzuweisen, dass die vom Gemeinderat beschlossenen Finanzierungen, konkret auch die Förderungen aus dem Budget der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, ab dem Jahr 2021 unter dem Haushaltsvorbehalt stehen. Derzeit können noch keine Aussagen getroffen werden, ob und in welchem Umfang haushaltswirtschaftliche Maßnahmen ab dem Jahr 2021 notwendig werden.



Beteiligte Stellen

Referat WFB hat mitgezeichnet.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

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