Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 1369/2013
Stuttgart,
12/09/2013



Haushalt 2014/2015

Unterlage für die 2. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 09.12.2013



Sozialticket: 2 Zonen JedermannTicket für 30 EUR

Beantwortung / Stellungnahme


Zu Ziffer 1:

Die Zuschüsse über die Bonuscard zu den Tickets des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart GmbH (VVS) sind grundsätzlich auf das
begrenzt und ergänzen insoweit die Leistungen für Fahrtkosten, die in den Regelleistungen nach SGB II und SGB XII gewährt werden. Vor diesem Hintergrund reichen diese Angebote aus, um den ÖPNV im notwendigen Maß nutzen zu können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen Anteilen in der Regelleistung um keine jeweils zweckbestimmte Leistung handelt, sondern dass es vielmehr um statistisch ermittelte Rechengrößen geht, die in ihrer Gesamtheit dann die Regelleistung ergeben.

Das JedermannTicket bietet sicherlich eine zeitlich erweiterte Nutzungsmöglichkeit, ist aber eigentlich nur für Menschen interessant, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die überwiegende Anzahl der erwerbstätigen Bonuscardinhaber steht aber im SGB II-Bezug und erhält über die Einkommensbereinigung (die das Jobcenter vornimmt) ihre notwendigen Fahrtkosten. Bei den sogenannten „Aufstockern“ im Leistungsbezug nach SGB II kommt dabei ein vereinfachtes Verfahren zum Tragen; diese erhalten pauschal bei der Einkommensbereinigung 100 EUR für Werbungs- und Fahrtkosten anerkannt. Aber auch alle anderen Leistungsbezieher nach SGB II und SGB XII erhalten die für sie notwendigen Fahrtkosten im Rahmen der Pflichtleistungen.

Aus diesem Grund würde eine zusätzliche Bezuschussung über die Bonuscard eine Doppelgewährung darstellen und müsste im Ergebnis dazu führen, dass der Bedarf im Leistungsbereich des SGB II nicht mehr anerkannt wird und damit dort zu Leistungskürzungen bzw. zur Ablehnung eines Bedarfs für Fahrtkosten führen würde. Im Ergebnis würde die Landeshauptstadt Stuttgart mit ihren kommunalen Freiwilligkeitsleistungen den Bund entlasten. Für den einzelnen Betroffenen würde die Erhöhung der Freiwilligkeitsleistung zu einer Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse führen, da er die notwendigen Fahrtkosten im Moment in vollem Umfang über seine Leistungen nach SGB II und SGB XII erhält, zukünftig aber für ein auf 2 Zonen eingeschränktes JedermannTicket 30 EUR bezahlen müsste.

Da alle Leistungsbezieher die notwendigen Fahrtkosten über ihre Pflichtleistung erhalten, macht eine Unterscheidung innerhalb aller Bonuscardberechtigten nach „Aufstockern“ und sonstigen Leistungsberechtigten nach SGB II keinen Sinn. Zudem ist eine solche Selektion, die unterschiedliche Vergünstigungen zur Folge hätte, technisch im bestehenden Bonuscardverfahren nicht umsetzbar und datenschutzrechtlich bedenklich, da auf der Bonuscard der jeweilige Status erkennbar sein müsste.

Bereits mit dem Antrag 817/2013 Leitantrag: "Mobilität in Stuttgart - sozial und ökologisch" hat die SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft unter Ziffer 1 beantragt:

Die Verwaltung stellt ausreichend Mittel in den Haushalt ein, um im Stadtgebiet ein Sozialticket mit einem Bezugspreis bereitzustellen, der dem Regelsatzanteil im Arbeitslosengeld 2 entspricht und keine Sperrzeiten beinhaltet. Hierbei sind die Planungen auf der Ebene von SSB und VVS zu berücksichtigen.

Im Jahr 2013 beträgt die Rechengröße im Regelsatz / in der Regelleistung 22,78 EUR.
Mit dem neuen Antrag soll nun der Bezug eines "JedermannTicket für 2 Zonen" für 30 EUR für Bonuscard-Inhaber/-innen ermöglicht werden. Der Antrag unterscheidet sich vom Antrag 817/2013 durch die Zonenbegrenzung, der Preisvorgabe von 30 EUR und den Ausschluss der Aufstocker.

Die Übernahme der Fahrtkosten für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII ist Bestandteil der jeweiligen Pflichtleistung. Damit steht der Bundesgesetzgeber in der Pflicht.

Wie bereits in GRDrs 1225/2013 dargestellt, resultiert der Fahrtkostenanteil im Regelsatz aus der Einkommens- und Verbraucherstichprobe und stellt so einen durchschnittlichen tatsächlichen Aufwand für die Mobilität dar. Eine Festlegung des SSB-Wertmarken-Eigenanteils für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGBXII auf den genau in der Berechnung des Regelsatzes enthaltenen Wert (22,78 EUR) bzw. eines Anteils der wenig über diesem Wert (30 EUR) liegt, widerspricht der Regelsatz-Systematik und könnte durch ihre Auswirkungen auf die Einkommens- und Verbraucherstichproben mittelfristig zu einer Absenkung der Regelbedarfe und zu einer Einschränkung der zusätzlichen Leistungen für Fahrtkosten führen. Dies führt zu einer Aufwandsverschiebung vom Bund (Pflichtleistung) hin zur kommunalen Freiwilligkeitsleistung und sollte daher aus kommunalpolitischer Sicht nicht weiterverfolgt werden.

Fahrtkostenübernahme bei erwerbstätigen Leistungsbeziehern

Bei erwerbstätigen Leistungsbeziehern wird das Erwerbseinkommen abzüglich einer Pauschale bzw. der tatsächlichen Fahrtkosten bei der Leistungsberechnung berücksichtigt. Über diese Einkommensbereinigung erhalten die erwerbstätigen Leistungsberechtigten den notwendigen Aufwand für die Fahrtkosten ausgeglichen. Daher ist eine zusätzliche Bezuschussung über die Bonuscard als Freiwilligkeitsleistung nicht möglich, da auch hier eine Pflichtleistung des Bundes durch eine kommunale Freiwilligkeitsleistung ersetzt würde, die anzurechnen wäre.


Fahrtkosten für nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte und Kinder

Sollten Fahrten zu Bewerbungsgesprächen anfallen, werden diese vom Jobcenter übernommen (Kostenträger Bund). An Wochenenden gilt auch beim "9-Uhr-UmweltTicket" keine zeitliche Sperre und die Erwachsenen können bis zu 3 Kinder oder alle eigenen Kinder (6 bis 17 Jahre) kostenlos mitnehmen.


Zu Ziffer 2:

Die Ausgabe des 9-Uhr-UmweltTickets (2 Zonen) an Bonuscardberechtigte zu einem Preis von 20 EUR erhöht den bisherigen Zuschuss von 15,50 EUR auf 38,50 EUR.
Der Preis von 20 EUR würde unter dem rechnerischen Betrag (22,78 EUR), der in der Regelleistung enthalten ist, bleiben und könnte damit über die Einkommens- und Verbraucherstichprobe zur Absenkung der Regelbedarfe führen.


Zu Ziffer 3:

Es ist davon auszugehen, dass die SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigten in der Mehrzahl keine Jahreskarten kaufen, da die notwendige Vorleistung des Regelsatzanteils nicht erbracht werden kann und sehr unterschiedliche individuelle Bewilligungszeiträume vorliegen. Die SGB II- / SGB XII-Leistungsbezieher würden sich bei der Vereinbarung einer monatlichen Teilzahlung gegenüber der SSB/VVS auch für Zeiträume binden bzw. verpflichten, in denen sie möglicherweise keine Transferleistungen mehr beziehen und an der Jahreskarte kein Interesse mehr haben, weil ihre neue Arbeitsstelle z. B. ohne ÖPNV zu erreichen ist.


Finanzielle Auswirkungen

Es ist davon auszugehen, dass viele SGB II-Leistungsberechtigten auf das 30 EUR JedermannTicket umstellen, was die Zahl der Nutzer erheblich erhöhen würde und die oben beschriebene Kostenverlagerung von SGB II-Leistungen auf die Freiwilligkeitsleistungen der Bonuscard zur Folge hätte.

Wenn es für Bonuscardberechtigte ein VVS-JedermannTicket für 2 Zonen für 30 EUR geben sollte, dann kann unterstellt werden, dass die Bonuscard-Inhaber/-innen diese Möglichkeit nutzen und nicht weiterhin das "9-Uhr-UmweltTicket" verwenden. Um die Attraktivität des 9-Uhr-UmweltTickets zu erhalten, müsste dieses ebenfalls wesentlich höher bezuschusst werden (Ziffer 2). Allerdings hätte dies zur Folge, dass auch hierfür erhebliche Mehrkosten entstehen.

Der finanzielle Mehraufwand würde zwischen 2,76 Mio. EUR (der bisherige Nutzerkreis
9-Uhr-UmweltTicket und SeniorenTicket bleibt bei dieser Ticketart, wird jedoch höher bezuschusst) und 17,03 Mio. EUR (alle SGB II- und SGB XII-Bezieher nehmen das 2 Zonen JedermannTicket für 30 EUR in Anspruch) liegen.




Vorliegende Anträge/Anfragen

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971/2013, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft




Isabel Fezer
Bürgermeisterin




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