Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 865/2020
Stuttgart,
12/10/2020



Personal- und Sachmittelbedarf des Baurechtsamts für die Umsetzung des novellierten Zweckentfremdungsverbots und die Überwachung des Außenbereichs



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
16.12.2020
17.12.2020



Beschlußantrag:

1. Der Verfolgung illegaler Bauten im Außenbereich durch das Baurechtsamt wird zugestimmt. Es werden dafür jeweils die illegalen Objekte eines abgrenzbaren Bereichs aufgenommen und mit dem Ziel der Beseitigung aufgegriffen.

2. Der Verfolgung rechtswidriger Schottergärten durch das Baurechtsamt mit dem Ziel, die Beseitigung der nach August 2020 verbotswidrig hergestellten Schottergärten herbeizuführen, wird zugestimmt.

3. Im Vorgriff auf den Stellenplan 2022 werden dafür beim Baurechtsamt insg. 5,0
Stellen geschaffen, davon
- 3,0 Stellen in A 11 (Sachbearbeitung),
- 1,0 Stelle in EG 9b (Baukontrolle),
- 0,5 Stelle in EG 8 (Geschäftszimmer) und
- 0,5 Stelle in A 14 (juristische Sachbearbeitung).
Der sofortigen Besetzung der Stellen wird zugestimmt.

4. Vom Bericht über die Entwicklung der Rechtslage auf dem Gebiet des Zweckentfremdungsrechts und die daraus folgenden Stellenplanmaßnahmen wird Kenntnis genommen.




Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zu 1.:
Verfolgung von illegalen Bauten im Außenbereich

Seit die Abteilung 63-7 Außenbereich des Baurechtsamts ersatzlos aufgelöst wurde nimmt das Baurechtsamt die Verfolgung von illegalen Maßnahmen im Außenbereich nur noch im Rahmen der personellen Möglichkeiten der jeweiligen Bauabteilungen wahr. Eingriffsverfahren werden nur durchgeführt, wenn entweder Leben und Gesundheit von Menschen bedroht sind, oder wenn größere Baumaßnahmen noch im Bauvollzug gestoppt werden können. Gegen fertiggestellte und bestehende Anlagen wird dagegen regelmäßig nicht eingeschritten. Nach der ständigen Rechtsprechung aller Verwaltungsgerichte müssten bei einem Vorgehen gegen bestehende Anlagen jeweils alle Anlagen eines ganzen Gebiets aufgegriffen werden.

Diese Vorgehensweise wurde wiederholt auch in den Gremien thematisiert, zuletzt im Herbst 2018 im Umweltbeirat durch das Baurechtsamt und das Amt für Umweltschutz. Das Baurechtsamt hat zudem seit Jahren in allen Haushaltsplanberatungen Stellenplananträge für ein Sachgebiet für die Verfolgung illegaler Bauten im Außenbereich gestellt, die jedoch jeweils nicht beschlossen wurden.

Zuletzt wurden Beschwerden über diese Vorgehensweise der Stadt an das Wirtschaftsministerium herangetragen. Von dort wurde signalisiert, dass erwogen werde, die Stadt anzuweisen, dass systematisch gegen illegale Bauten im Außenbereich vorzugehen sei.

Sollen illegale Bauten im Außenbereich aufgegriffen werden ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass immer ein städtebaulich zusammengehörender Bereich in Gänze erfasst, aufgearbeitet und systematisch aufgegriffen wird. Es ist nicht zulässig einzelne, wenn auch vielleicht besonders auffällig oder störende Objekte herauszugreifen. Getroffene Anordnungen wären sonst wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig.

Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe, also erfassen, aufbereiten und aufgreifen der Objekte jeweils eines unter städtebaulichen Gesichtspunkte abgrenzbaren Gebiets, wird angesichts der hohen Zahl gleichzeitig einzuleitender Verfahren eine Personalausstattung von mindestens 2 Sachbearbeitern, 1 Baukontrolleur und 0,5 Geschäftszimmerkräften benötigt.


Zu 2.
Verfolgung von illegalen Schottergärten

Durch die Neufassung des Landesnaturschutzgesetzes wurde ab August 2020 ein weitgehendes Verbot von Schottergärten eingeführt. Nach § 21a NatSchG sind Schotterungen zur Gestaltung von privaten Gärten seither grundsätzlich keine „andere zulässige Verwendung“ im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 1 LBO mehr. Die nichtüberbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen jedoch nach dieser Regelung der Landesbauordnung Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.



Ob auch Altanlagen unter das Verbot fallen oder Bestandsschutz genießen ist umstritten, hier vertreten das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium des Landes verschiedene Auffassungen. Unstrittig ist jedoch das Anlegen von Schottergärten seit 01.08.2020 nicht mehr zulässig. Die Baurechtsbehörde kann daher mit baurechtlichen Anordnungen zumindest gegen neue Schottergärten vorgehen, je nach zu erwartender Rechtsprechung möglicherweise auch gegen seit 1995 bestehende Anlagen.

Die Verwaltung benötigt dafür eine zusätzliche Stelle für die Verfahrenssachbearbeitung (A 11), um die entsprechenden Verfahren durchzuführen und ggf. erforderliche Anordnungen zu erlassen und durchzusetzen. Durch die Zuordnung der Aufgabe zum Sachgebiet 63-1.5 werden keine eigenen zusätzliche Geschäftszimmerkapazitäten benötigt sondern durch die halbe Stelle für Außenbereichsvorhaben (s. Ziff. 1) abgedeckt.

Der vergleichsweise hohe Verwaltungsaufwand bei Schottergärten (und damit der Bedarf an einer ganzen Stelle) entsteht dadurch, dass das Anlegen der Gärten keiner vorherigen Genehmigung bedarf und so regelmäßig erst gegen bereits hergestellte Anlagen eingeschritten werden kann. Dadurch entstehen bei Beseitigungsanordnungen auf Seiten der Verwaltung aber sehr hohe Anforderungen an die Ermessensausübung, insbesondere die Abwägung und Darlegung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs.


Zu 1. und 2.:

a. Organisatorische Umsetzung

Die Aufgaben werden beim Sachgebiet 63-1.5 Besondere Rechtsgebiete der Abteilung Verwaltung und Recht angesiedelt. Es kann so die stadtweite Gleichbehandlung besser gewährleistet werden als bei einer Wahrnehmung der Aufgaben in den einzelnen örtlich zuständigen Bauabteilungen. Es ist so zudem gewährleistet, dass weder die Eingriffsverfahren zu Lasten der möglichst schnellen Durchführung der Genehmigungsverfahren gehen noch die vom Gemeinderat für die Außenbereichsvorhaben geschaffenen Kapazitäten für die Genehmigungsverfahren verwendet werden.


b. Prozessführung

Die Prozessführung der – bei Beseitigungsanordnungen regelmäßig zu erwartenden - Anfechtungsklagen wird durch das Sachgebiet 63-1.4 Rechtsangelegenheiten.
Sowohl bei der Durchsetzung des Verbots von Schottergärten als auch bei Abbruchsanordnungen für illegale Außenbereichsvorhaben werden erfahrungsgemäß die behördlichen Entscheidungen angefochten. Es ist bei praktisch allen Anordnungen zumindest mit einem Widerspruchsverfahren, bei einem Großteil in der Folge auch mit einem Klageverfahren zu rechnen. Die bislang vorhandenen 2,0 Stellen für Juristen beim Baurechtsamt sind mit der Prozessführung in den Verwaltungsrechtsverfahren, die aus den seither bereits wahrgenommenen Aufgaben des Amtes erwachsen, ab er voll ausgelastet.

Die für die zu erwartenden zusätzlichen Verfahren geschaffene weitere halbe Stelle für die juristische Sachbearbeitung wird beim Sachgebiet 63-1.4 Rechtsangelegenheiten des Baurechtsamts angesiedelt.



c. Erledigung der Aufgaben mit dem vorhandenen Personal als Alternative zu Stellenschaffungen

Bei Verzicht auf die benannten Stellenneuschaffungen könnten die o. g. Aufgaben nicht wahrgenommen werden. Das vorhandene Personal ist mit der Bauantragsbearbeitung ausgelastet, wenn mit dem vorhandenen Personal die zusätzlichen Aufgaben wahrgenommen werden sollen müssten Ressourcen aus der Bauantragsbearbeitung abgezogen werden.

Angesichts der hohen Bedeutung schneller Genehmigungsverfahren, der bestehenden personellen Engpässe in diesem Bereich und der daraus resultierenden aktuell völlig unbefriedigenden Laufzeiten sollte das aber nicht geschehen. Bereits heute werden in vielen Fällen die nach der Landesbauordnung vorgesehenen Verfahrenslaufzeiten überschritten. Würde weiteres Personal aus der Verfahrenssachbearbeitung abgezogen wäre eine weitere Verlängerung der Laufzeiten die Folge, es wäre grundsätzlich nicht mehr möglich, die LBO-Fristen einzuhalten.


Zu 4.: Entwicklungen beim Zweckentfremdungsverbotsgesetz

Im Rahmen der Stellenplanberatungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 wurde in den Gremien auch die Frage zusätzlichen Personalbedarfs für eine wirksame Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots beraten. Im Ergebnis wurde darauf verzichtet zusätzliche Stellen zu schaffen, solange das Zweckentfremdungsverbotsgesetz Baden-Württemberg nicht zumindest Auskunftspflichten auch für Hausverwalter und Plattformbetreiber von Vermietungsplattformen beinhaltet. Erst dann könnten zusätzliche Personalressourcen wirklich effizient zur Bekämpfung von Zweckentfremdung durch Vermietung als Ferienunterkunft eingesetzt werden.
Die Verwaltung sagte zu, mit einem entsprechenden Stellenschaffungsantrag in die Gremien zu kommen, sobald sich hier bei der Gesetzgebung des Landes entsprechende Entwicklungen ergeben.

Im September 2020 hat die Landesregierung nunmehr den Entwurf einer Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes in die Anhörung gebracht. Der Entwurf sieht substantielle Verbesserungen gegenüber der heutigen Rechtslage vor:

- Einführung einer Auskunftspflicht für die Betreiber von Internetportalen für die Vermittlung von Ferienwohnraum (§ 4 Abs. 1 ZwEWG neu).
- Einführung einer Ermächtigung für die Gemeinden, eine Registrierungspflicht für das Anbieten und Bewerben von Ferienwohnraum einzuführen (§ 4 Abs. 2 ZwEWG neu).
- Einführung einer Ermächtigung für die Gemeinden, eine Anzeigepflicht für jede einzelne Überlassung von Ferienwohnraum einzuführen (§ 4 Abs. 3 ZwEWG neu).
- Erhöhung des Bußgeldrahmens und Einführung der Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen das Registrierungs- oder Anzeigegebot (§ 5 ZwEWG neu).
- Einführung einer Anordnungsermächtigung für die Zuführung zweckentfremdeten Wohnraums zur Wohnnutzung (§ 4a Abs. 1 ZwEWG neu).
- Einführung der sofortigen Vollziehbarkeit für Verwaltungsakte (§ 4a Abs. 2 ZwEWG neu).

Registrierungspflicht und Auskunftspflicht für Plattformbetreiber werden eine wesentlich bessere Identifizierung von Wohnungen ermöglichen, die als Ferienwohnungen zweckentfremdet werden, und dann auf dem Wege eines Verwaltungsverfahrens wieder der Wohnnutzung zugeführt werden können. Für diese zusätzlichen Verfahren wird zusätzliches Personal benötigt.
Es entsteht aber auch zusätzlicher Aufwand bei der Verwaltung durch das einzuführende Registrierungserfordernis der Vermietungsobjekte (Aufbau und Pflege einer Datenbank von Vermietungsobjekten). Die Verwaltung hat dabei vor, den Universalprozess des Landes für diese Registrierung zu nutzen, damit die Bürgerinnen und Bürger ohne großen Aufwand online ihr jeweiliges Objekt registrieren oder aus der Registrierung wieder abmelden können.

Eine Anzeigepflicht für jeden einzelnen Vermietungsvorgang erbringt nach Einschätzung der Verwaltung dagegen zweckentfremdungsrechtlich keinen relevanten Erkenntniszuwachs, der den entstehenden sehr hohen bürokratischen Aufwand sowohl bei der Verwaltung als auch auf Seiten der Eigentümer rechtfertigen würde.

Weiterhin soll in der Novelle erstmals eine direkte Anordnungsermächtigung geschaffen werden. Es wird so möglich direkt eine Rückführung von Wohnraum zur Wohnnutzung zu erzwingen statt nur eine unverändert weiterhin bestehende Zweckentfremdung durch Bußgeld zu ahnden. Solche Anordnungen sind künftig auch von Gesetzes wegen sofort vollziehbar.

Allerdings ist derzeit nicht absehbar, wann die Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes tatsächlich beschlossen wird. Nach Inkrafttreten wäre zudem zuerst die Umsetzung der neuen Möglichkeiten in die städtische Zweckentfremdungsverbotssatzung erforderlich. Es ist daher aktuell keine belastbare Prognose möglich, ab wann der Verwaltung tatsächlich die besseren rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Ob und wie viele Stellen für die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots neu geschaffen werden sollen, kann daher im Rahmen des regulären Stellenplanverfahrens zum Haushalt 2022/2023 geprüft und entschieden werden.



Finanzielle Auswirkungen


A Personalkosten

Bei Ansatz der Werte aus Anlage 2.1 und 2.2 zum Rundschreiben 016/2020 entstehen für die neu zu schaffenden Stellen folgende Personalkosten
3,0 Stellen in A 11 (Sachbearbeitung) 290.700 €/a
1,0 Stelle in EG 9b (Baukontrolle) 66.500 €/a
0,5 Stelle in EG 8 (Geschäftszimmer) 27.000 €/a
0,5 Stelle in A 14 (juristische Sachbearbeitung) 65.850 €/a.

Die Mehraufwendungen im Jahr 2021 werden aus der Deckungsreserve gedeckt.





B laufende Sachkosten

Aus den Stellenschaffungen entstehen voraussichtlich Sachmittelbedarfe in Höhe von insgesamt 8.000 €/a für Arbeitsmittel und Mobilitätskosten.

Die erforderliche Budgeterhöhung kann aus Mehreinnahmen durch Verfahrensgebühren gedeckt werden.


C Raumbedarfe

Für die Unterbringung der zusätzlichen Mitarbeiter sind zusätzliche Büroflächen erforderlich. Das Dienstgebäude weist keine Raumreserven mehr auf und soll zudem in den nächsten Jahren während des laufenden Betriebs mit temporäre Verschiebungen im Gebäude komplettsaniert werden.

Alternativ könnten beim Baurechtsamt durch verstärktes mobiles Arbeiten im Home Office Modelle von Desksharing entwickelt werden, um so einen zusätzlicher Raumbedarf zu vermeiden. Dazu müssten neben der Beschaffung von Laptops an Stelle von Desktopgeräten (im Rahmen der ohnehin anstehenden Ersatzbeschaffungen und der dafür vorgesehenen Finanzmittel) die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen in Form von Dienstvereinbarungen geschaffen werden.




Beteiligte Stellen

Referat AKR

Referat WFB erkennt keinen vordringlichen Bedarf für die beantragten Stellenschaffungen
und hat auf das übliche Stellenplanverfahren für den DHH 2022/2023 verwiesen. Entstehende Raum- und Sachmittelbedarfe sollen aus dem Budget des Baurechtsamts gedeckt werden.


Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag 459/2020 vom 05.11.2020 Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei

Erledigte Anträge/Anfragen

Antrag 459/2020 vom 05.11.2020 Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei



Peter Pätzold
Bürgermeister


Anlagen

-

Anlagen>



zum Seitenanfang