Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
SI
GRDrs
1127/2019
Stuttgart,
11/11/2019
Haushalt
2020/2021
Unterlage für die
1
. Lesung des
Verwaltungsausschuss
zur
nichtöffentlichen
Behandlung am
20.11.2019
Familien und Alleinerziehende mit Kindern aus Sozialhotels befreien
Beantwortung / Stellungnahme
Zu Ziffer 1
Am letzten Stichtag 5. November 2019 waren bei der Zentralen Fachstelle der Wohnungsnotfallhilfe des Sozialamts der Landeshauptstadt Stuttgart 141 Familien und Alleinerziehende mit insgesamt 502 Personen in Sozialunterkünften registriert.
In der Vormerkdatei für eine Sozialmietwohnung sind derzeit ca. 1.985 Familien und Alleinerziehende vorgemerkt. Wie viele davon in Sozialunterkünften untergebracht sind, ist nicht erfasst.
Die Verwaltung ist stets bestrebt, auslaufende Belegungs-Bindungen zu verlängern oder auch neue Belegungsrechte zu schaffen.
Im "Bündnis für Wohnen" haben sich die beteiligten Wohnungsbauunternehmen inkl. SWSG dazu bereit erklärt, jährlich 150 neue Belegungsbindungen zu schaffen. Insbesondere aufgrund der geringen Fluktuation im Mietwohnungsbestand lassen sich die Zielzahlen nicht vollständig erreichen. Die Kosten für den Ankauf von Belegungsrechten lassen sich nicht vorab beziffern, sondern müssten im Einzelfall gutachterlich bewertet werden.
Üblicherweise sollten Belegungsbindungen zusätzlich mit Mietpreisbindungen versehen werden. Der finanzielle Ausgleich besteht dann in einem abgezinsten Einmalbetrag, der an das Wohnungsbauunternehmen bzw. die Vermieterin/den Vermieter ausbezahlt wird. Der Ausgleich soll das finanzielle Delta zwischen subventionierter Miete im Vergleich zur ortsüblichen Vergleichsmiete über die Dauer der Mietpreis- und Belegungsbindung abdecken. Aus Gründen des EU-Rechts (Überkompensation) und des Haushaltsrechts ist es für die Kommune nicht zulässig, Nachlässe in unbegrenztem Ausmaß zu gewähren.
Die Höhe der Ausgleichsleistung ist von Lage und Ausstattung der Immobilie abhängig. Kosten können daher nicht genannt werden, da sie stets im Einzelfall zu bewerten sind.
Bei dem angespannten Stuttgarter Grundstücksmarkt erscheint es fraglich, ob das Angebot seitens der Wohnungsbauunternehmer bzw. der Vermieter angenommen wird.
Seitens der Verwaltung wird abschließend angemerkt, dass die Vermittlung und Belegung von Sozialmietwohnungen nach den Kriterien der Vormerk- und Belegungsrichtlinien erfolgt. Kriterien sind insbesondere die Dringlichkeit und die Wartezeit. Das Punktesystem hat sich bewährt und sorgt für eine angemessene Berücksichtigung aller betroffenen Wohnungssuchenden mit einem Wohnberechtigungsschein A. Dabei werden Familien und Alleinerziehende in Sozialhotels mit einer entsprechend hohen Wertigkeit in der Vormerkdatei berücksichtigt.
Zu Ziffer 3
Um drohenden Wohnungsverlust abzuwenden und den Erhalt der Wohnung langfristig zu sichern, werden Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger von der Fachstelle Wohnungssicherung im Sachgebiet Städtische Wohnungsnotfallhilfe des Sozialamts der Landeshauptstadt Stuttgart durch Beratung und Erschließung von finanziellen Hilfen unterstützt. Häufigster Grund für den drohenden Wohnungsverlust sind Mietschulden.
Wird bei Gericht eine Räumungsklage wegen Mietrückständen erhoben, erhält die Fachstelle zur Wohnungssicherung hierüber eine entsprechende Mitteilung. Hintergrund ist die Schutzvorschrift des § 569 III BGB. Danach wird eine fristlose Kündigung unwirksam, wenn sich eine öffentliche Stelle zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn in den vergangenen zwei Jahren bereits Mietschulden nach § 569 III BGB übernommen wurden.
Sofern bei Mietschuldnern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs.8 SGB II). Es ist also nur in besonderen Einzelfällen eine Übernahme als Beihilfe möglich.
Für Mietschuldner, die keine laufenden Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, sind entsprechende Leistungen nach § 36 SGB XII möglich.
Zudem können auch Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten übernommen werden, wenn dies bei drohender Wohnungslosigkeit zur Sicherung der Wohnung gerechtfertigt und notwendig ist.
Wurden bei SGB II-Empfängern Mietschulden übernommen, wird das entsprechende Darlehen durch eine monatliche Aufrechnung von 10 % des Regelsatzes des Haushaltsvorstandes zurückgeführt (aktuell 42,00 EUR).
Diese Aufrechnungsregelung gibt es in der Sozialhilfe nicht. Nach § 36 SGB XII können Mietschulden in Form der Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.
Künftige Mietzahlungen können bei SGB II-Empfängern durch die direkte Überweisung der Miete an den Vermieter sichergestellt werden, sofern in dieser Höhe Ansprüche auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft bestehen (werden lediglich aufstockende Leistung erbracht, muss die Differenz vom Mieter selbst gezahlt werden).
Die Zusammenarbeit zwischen der Fachstelle für Wohnungslosigkeit und dem Jobcenter ist in einer Kooperationsvereinbarung geregelt. Es ist sichergestellt, dass sehr zeitnah und wann immer möglich auch präventiv reagiert wird, um auch bereits im Vorfeld weitere Rechts- und Verfahrenskosten zu vermeiden.
Die gesetzlichen Regelungen sind in der weit überwiegenden Anzahl der Verfahren ausreichend, um den Wohnungsverlust abzuwenden. Ein Notfallfonds kann ergänzend Leistungen erbringen, wenn zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich sind, um Vermieterinteressen angemessen zu berücksichtigen und dies zum Erhalt der Wohnung erforderlich ist.
Der Einsatz eines Notfallfonds für Hilfen als freiwillige soziale Leistung – über die beschriebenen gesetzlichen Möglichkeiten hinaus – könnte sich wie folgt gestalten:
1. Übernahme von Mietschulden als Beihilfe
vor
Kündigungsrelevanz
Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten können Mietschulden und andere Rückstände erst dann übernommen werden, wenn die Vermieterin/der Vermieter aufgrund des entstandenen Rückstands berechtigt ist, zu kündigen. Wenn Forderungen offenbleiben, weil sie nicht kündigungsrelevant sind, wirkt sich das in aller Regel negativ auf das Mietverhältnis aus und die Vermieter versuchen dann gelegentlich auf anderen Wegen das Mietverhältnis zu beenden (z. B. mit einer Eigenbedarfskündigung).
Bei angenommenen jährlich 15 Übernahmen von Mietschulden für Familien und Alleinerziehende mit Kindern und einer Durchschnittsmiete bei Haushalten mit minderjährigen Kindern von 770 EUR monatlich würden
jährlich Kosten in Höhe von 11.550 EUR
entstehen.
2. Übernahme nicht kündigungsrelevanter Anwalts- und Gerichtskosten des
Vermieters
Im Jahr 2018 waren in 104 Fällen Familien und Alleinerziehende von einer Räumungsklage aufgrund von Mietschulden betroffen, die nicht kündigungsrelevante Anwalts- und Gerichtskosten nach sich gezogen haben. Im Mietrecht gibt es die Möglichkeit, bei erstmaligen Mietschulden, durch Übernahme der Mietrückstände, eine Kündigung zu „heilen“. Die in diesen Fällen entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten werden nicht vom zuständigen Sozialleistungsträger übernommen. Eine Übernahme dieser Kosten könnte dazu beitragen, das künftige Mietverhältnis unbelastet fortzusetzen.
Bei Übernahme der Anwalts- und Gerichtskosten in 75 % der Fälle. D. h. bei 78 Haushalten würden
jährlich Kosten in Höhe von 117.000 EUR
(78 x 1.500 EUR) entstehen.
3. Übernahme der Kosten für einen Rechtsbeistand für die
Mieter
Haushalte mit einem Einkommen, das geringfügig über der Einkommensgrenze für Beratungs- und Prozesskostenhilfe liegt, haben häufig Schwierigkeiten, ihre rechtlichen Interessen angemessen durchzusetzen und somit den Wohnungsverlust abzuwenden.
Von den Haushalten mit minderjährigen Kindern, die in der Fachstelle Wohnungssicherung des Sozialamts beraten werden, beziehen ca. 1/3 keine Leistungen nach SGB II oder SGB XII. Dies waren 2018 ca.115 Haushalte.
Um für diese Haushalte in bestimmten Fallkonstellationen eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt zu finanzieren, würden bei einer geschätzten Fallzahl von ca. jährlich 40 Fällen und Kosten pro Fall von ca. 1.000 EUR insgesamt
jährlich Kosten in Höhe von ca. 40.000 EUR
entstehen.
Die Gesamtsumme würde sich somit auf
jährlich 168.550 EUR
belaufen. Eine Ausstattung des
Notfallfonds mit 150.000 EUR
pro Jahr
als freiwillige soziale Leistung könnte die Erprobung der oben genannten Maßnahmen ermöglichen.
Folgende Sachverhalte müssen bei der Einrichtung eines Notfallfonds beachtet werden:
Eine vollständige Prävention von Wohnungsverlusten bei Familien und Alleinerziehenden wird auch mit einem Notfallfonds aufgrund der mietrechtlichen Voraussetzungen nicht möglich sein.
Auch bei besonderen sozialen Schwierigkeiten (z. B. Spielsucht, psychische Erkrankungen etc.) kann unter Umständen eine Räumung der Wohnung nicht verhindert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn trotz der Beratung durch die Präventive Wohnraumsicherung für Familien mehrfach erneute Mietrückstände entstanden sind und eine positive Entwicklung nicht erkennbar ist.
Ein Notfallfonds wäre für 2 Jahre zu erproben. Bei der Einrichtung eines solchen Notfallfonds müssten beim Sozialamt zudem zusätzliche personelle Ressourcen (in Relation zur Höhe der zu verwaltenden Summe) bereitgestellt werden (vgl. Ziffer 4 des Antrags).
Vorliegende Anträge/Anfragen
---
767/2019 Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei
Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin
<Anlagen>