Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 09.10.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Schmidt de
Betreff: "Tarifliche Ballungsraumzulage jetzt"
- Anträge Nr. 179/2019 vom 10.05.2019 und
Nr. 244/2019 vom 22.07.2019 (beide SPD)

Die im Betreff genannten Anträge sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Mit dem Antrag, so StR Körner (SPD), werde die Stadtspitze dazu aufgefordert, mit der Gewerkschaft Tarifgespräche zu einer Stuttgart-Zulage aufzunehmen. Die Gewerkschaft habe dieses Gesprächsangebot bereits unterbreitet. Bei der Zulage gehe es darum, für untere Lohn- und Einkommensgruppen Nachteile auszugleichen. V.a. die Wohnkosten seien in Stuttgart deutlich höher als in anderen Städten. Er verweist auf ein Gutachten des Deutschen Beamtenbundes zur Beamtenbesoldung, wonach zunehmend in den unteren Lohngruppen das Problem herrsche, dass mit der Bezahlung nicht mehr das Abstandsgebot (mindestens 115 % des Existenzminimums) erreicht werde. Diese Kolleg*innen hätten ein "handfestes materielles Problem" in Stuttgart. Zahlreiche Mitarbeiter*innen hätten die Stadt bereits verlassen, weil sie sich diese hohen Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten könnten. Bei einer Stuttgart-Zulage gehe es also v.a. darum, Personal zu halten. Er schlage einen Betrag von rund 200 Euro pro Monat vor, der bis zu einer gewissen Gehaltsstufe absteigend gezahlt werde. Im Erzieher*innen-Bereich gebe es bereits eine Zulage; Probleme gebe es mittlerweile aber auch in anderen Berufsgruppen. Ihm sei bekannt, dass das Landesrecht derzeit eine Übertragung für Beamt*innen nicht zulasse. Hier müsse die Landeshauptstadt klare Signale an das Land senden.

StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) begrüßt die Aufnahme von Gesprächen zu diesem virulenten Thema. Sie betont, dass das Anliegen nachvollziehbar sei. Die Kosten für eine derartige Zulage beliefen sich im Jahr auf rund 30 Mio. Euro. Daher sei eine Zulage "in dieser Breite" jedoch nicht darstellbar. Nichtsdestotrotz müssten für die Einkommensgruppen unter EG 9 Lösungen gefunden werden. Zur Höhe der Zulage wünsche sie sich Vorschläge seitens der Verwaltung mit entsprechenden Beispielrechnungen. Bevor mit der Gewerkschaft verhandelt werde, müsse zunächst der Gesamtpersonalrat Gespräche mit der Verwaltung aufnehmen, um Ideen zu erarbeiten.

Eine Ballungsraumzulage lehnt StRin Ripsam (CDU) aufgrund der hohen Kosten ab. Die Behandlung des Themas sei Aufgabe der Tarifpartner, nicht des Ausschusses. Sie wirft die Frage auf, wie die rund 3.200 Mitarbeiter*innen in EG8/A8 besser qualifiziert werden könnten, um in höhere Vergütungsgruppen zu gelangen. Auch die Eingruppierung müsse angesichts der gestiegenen Anforderungen für die Mitarbeiter*innen überprüft werden. Die Fragestellung gehe an die Grundsubstanz des Systems. Sie schlage vor, den Sachverhalt innerhalb der Haushaltsplanberatungen zu diskutieren.

StR Adler (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) betont die Notwendigkeit einer Ballungsraumzulage. Es sei "skurril" zu sagen, dass sich die Stadt Stuttgart eine derartige Zulage derzeit nicht leisten könne. In der Vergangenheit übliche Einsparmethoden erzeugten nicht nur Belastung und Frustration in der Belegschaft, sondern ein veritables Demokratieproblem. Der Zustand, dass Beschlüsse des Gemeinderates auf die lange Bank geschoben würden, könne mit einer Ballungsraumzulage zur Personalrekrutierung beendet werden.

Für StR Dr. Oechsner (FDP) ist Personalpolitik schwierig, aber es gebe durchaus Handlungsbedarf. Die Herangehensweise müsse sein, dass zunächst die Tarifpartner die Möglichkeit einer Zulage oder optimalerweise eines ganz neuen Tarifsystems schafften. Erst wenn dieses Instrument vorliege, könne über die Höhe einer Zulage gesprochen werden. Die Stadt müsse handlungsfähig erhalten werden; dies gelinge nur über ausreichend Personal.

Auch für StRin von Stein (FW) ist Personalerhaltung und -gewinnung ein wichtiges Thema. Sie sehe jedoch sehr stark die Tarifpartner in der Pflicht. Das gesamte System der unteren Lohngruppen müsse überdacht werden.

Die Intention des Antrages ist für StR Ebel (AfD) "in Ordnung". Es sei jedoch nicht ersichtlich, warum dies als tarifliche Maßnahme geregelt werden müsse. Es gebe die Möglichkeit, mit dem Personalrat eine betriebliche Vereinbarung zu treffen oder einfach mehr zu bezahlen. Verhandlungen mit der Gewerkschaft seien unnötig.

Auf Zustimmung stößt die Ballungsraumzulage bei StR Walter (PULS). Im Erzieher*innen-Bereich seien die positiven Effekte bereits zu erkennen. Angesichts des demographischen Wandels werde diese Zulage "früher oder später" ohnehin umgesetzt werden.

Für Frau Häußler (GPR) ist es wichtig, ein "großes Signal" zugunsten einer Ballungsraumzulage zu geben. Sie erläutert das Verfahren in München anhand eines Schreibens des Bayerischen Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV Bayern). Danach gebe es die Zulage für die städtischen Beschäftigten in München als tarifierte Vereinbarung zwischen ver.di und Stadt seit 1990. Diese sei bisher mit einer Höhe von 134 Euro/Monat an die Entgeltgruppen unter EG 10 gezahlt worden. Auf Beschluss des Münchener Stadtrates vom 26.06.2019 sei die Stadtverwaltung aufgefordert worden, mit ver.di eine Erhöhung der Ballungsraumzulage auf 270 Euro zu verhandeln. Die Auszubildenden sollten 140 Euro bekommen. Ab EG 10 solle eine Zulage von 135 Euro gezahlt werden. Des Weiteren solle die Erhöhung des Kinderzuschlages auf 50 Euro pro Kind (unter EG 10) bzw. 25 Euro pro Kind (ab EG 10) verhandelt werden. Der KAV Bayern habe dem Antrag der Stadt München, mit ver.di zu verhandeln, in seiner Sitzung am 09.07.2019 zugestimmt. Als Begründung sei die Sonderstellung Münchens bezüglich Lohnniveau und Lebenshaltungskosten genannt worden. Des Weiteren habe sie einer Internetrecherche entnommen, dass der Münchener Stadtrat ein kostenloses Jobticket der Zone M für alle Beschäftigten beschlossen habe. Zusätzlich gebe es kostenfreie ÖPNV-Fahrten für Menschen in Mangelberufen, wenn diese aus dem weiteren Umland nach München pendelten. Sie begrüße es, wenn ähnliche Vereinbarungen auch für Stuttgart gefunden werden könnten. Ein Erstgespräch am 17.10.2019 zwischen Stadtverwaltung und ver.di könne sie bestätigen.

Den wesentlichen Unterschied zwischen Stuttgart und München erläutert EBM Dr. Mayer. Aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften sei München in der Lage, eine Ballungsraumzulage auch an Beamte - "also an alle" - zu bezahlen. Dies sei in Stuttgart nicht möglich; hier könne eine Zulage nur an die Angestellten gezahlt werden, an Beamte nicht. Er halte diese Ungleichbehandlung für ein großes Problem. Beamte seien nicht nur in höheren Lohngruppen, sondern auch in A8, A9 und A10 tätig. Es gebe in Baden-Württemberg kein Landesgesetz, das eine solche Zulage ermögliche. Zudem sei diese Zulage nicht nur für die Kreisfreie Stadt München, sondern den Ballungsraum beschlossen worden, was dazu geführt habe, dass viele Umlandkommunen „unter großem Ächzen“ nachziehen mussten. Wenn eine gleichberechtige Zulage angestrebt werde, müsse diese vom Landesgesetzgeber für den Ballungsraum Stuttgart beschlossen werden. Er betont, dass es bereits Arbeitsmarktzulagen für spezielle Mangelberufe in Höhe von ca. 6 Mio. Euro pro Jahr gebe. Darüber hinaus würden weitere rund 25 Mio. Euro für Jobtickets, Betriebsrestaurants etc. ausgegeben. Den Termin zwischen Standverwaltung und ver.di könne er bestätigen, weise aber deutlich darauf hin, dass die Stadt Stuttgart nicht der Tarifpartner sei.

StRin Nuber-Schöllhammer erklärt, mit Münchener Stadträt*innen gesprochen zu haben. Der elementare Unterschied sei, dass in München im Vorfeld festgelegt worden sei, über die Summe von 270 Euro "im großen Stil" zu verhandeln. Sie wünsche für Stuttgart eine Auslotung der Möglichkeiten und Kosten, bevor ein entsprechender Verhandlungsauftrag erteilt werde.

StR Körner bittet um die Darstellung der Gesprächsergebnisse zwischen Stadtverwaltung und ver.di in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 06.11.2019. Die Forderung von StRin Nuber-Schöllhammer nach einer detaillierten Auflistung unterstütze er. Je nachdem wie gerechnet werde, ergäben sich unterschiedliche Summen für eine Zulage. Es gebe beispielsweise rund 9000 Beschäftigte bis EG13, davon seien 3000 Erzieher*innen, die bereits eine Zulage erhielten. Würden 200 Euro maximal und dann abschmelzend bezahlt, ergebe sich eine durchschnittliche Summe von 100 Euro/Monat, was bei 6000 Beschäftigten Kosten von ca. 7 Mio. pro Jahr verursache.

Einen Vorschlag zum weiteren Verfahren äußert EBM Dr. Mayer. Es werde zunächst das angekündigte Gespräch geführt. Zeitgleich werde eine schriftliche Beantwortung des Antrages vorgenommen, in der die Kosten einer Ballungsraumzulage aufgeschlüsselt würden. Anhand der Formulierung des Antrages ergebe sich derzeit eine Summe von 32,7 Mio. Euro (E1 - E13, 200 Euro für Beschäftigte, 100 Euro für Auszubildende, nicht abgeschmolzen). Eine Alternativrechnung bis E10 werde mitaufgenommen. Damit könne innerhalb der Fraktionen das weitere Vorgehen besprochen werden.

Diese Aufstellung, so StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), sei wichtig, "um selbst rechnen zu können". Selbstverständlich würden bereits Zulagen bezahlt, aber offensichtlich sei der Status quo nicht ausreichend. "Beruhigende Zusatzinformationen" zu Jobticket und Kantine lösten das Problem nicht.

EBM Dr. Mayer ergänzt, dass ebenfalls dargestellt werde, welche Implikationen eine Zulage für die Eigenbetriebe habe. Er gibt erneut die extrem problematische Ungleichbehandlung zwischen Beamt*innen und Angestellten zu bedenken.

Dies könne nicht von der Hand gewiesen werden, so StRin Ripsam. Daher könne München nicht mit Stuttgart verglichen werden. Eine Zulage, die an alle Beschäftigten gezahlt werde, nehme den bisherigen Vorteil der Erzieher*innen. Damit würde das Problem des Erzieher*innenmangels erneut aufgerufen.

Frau Häußler erläutert, dass das Problem mit einer Zulage für Beamt*innen auch in Bayern bestanden habe. Dort seien dann die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gleichberechtige Zahlung geschaffen worden. Das Land Baden-Württemberg verzeichne ebenfalls Personalmangel und habe Interesse daran, mehr Mitarbeiter*innen zu gewinnen.



Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen mehr ergeben, stellt EBM Dr. Mayer fest:
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