Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB-BiP
GRDrs 36/2019
Stuttgart,
04/25/2019



Neuzugewanderte an Beruflichen Schulen
mit dem Fokus auf Spracherwerb




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich08.05.2019



Beschlußantrag:

1. Das Konzept zur Stärkung der Ausbildungsverhältnisse von Neuzugewanderten mit bestehendem zusätzlichen Unterstützungsbedarfen wird zur Kenntnis genommen. 2. Die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft wird mit der Umsetzung des Modellprojekts (Juni 2019 bis August 2020) beauftragt. Dieses beinhaltet Sprachstandstestungen, Einrichtung von berufsbezogenen Deutschsprachkursen, die Etablierung von Ausbildungsmanager/inne/n an ausgewählten Berufsschulstandorten, die Begleitung von bedarfsorientierten individuellen Ausbildungsverlängerungen sowie die Unterstützung der Kommunikation zu den Betrieben. 3. Das Modellprojekt stellt eine vorübergehende und befristete Übernahme einer freiwilligen Aufgabe dar. Das bereits aufgenommene Gespräch mit dem Land wird anhand der Evaluationsergebnisse zum Ende der Modellphase klären, ob eine Verantwortungsübernahme seitens des Landes erfolgt bzw. wie der Kostenersatz geregelt wird. 4. Das Schulverwaltungsamt wird ermächtigt, 5 Ausbildungsmanager/innen mit einem jeweiligen Beschäftigungsumfang von 50% in voraussichtlich Entgeltgruppe 10 sowie eine Teilzeitkraft für die Verwaltung (voraussichtlich 20 % in Entgeltgruppe EG 10) für den Zeitraum von 01.07.2019 bis 31.08.2020 (14 Monate) im Rahmen eines Modellprojekts zu beschäftigen. Für den gleichen Zeitraum wird die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft ermächtigt, eine/-n Mitarbeiter/-in (Beschäftigungsumfang voraussichtlich 30% in Entgeltgruppe EG 13) zu beschäftigen. 5. Die Mittel in Höhe von 261.185,00 EUR stehen für die Zeit des Modellprojekts, verteilt auf zwei Haushaltsjahre im Budget der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft zur Verfügung.




Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

In der Sitzung des Schulbeirats am 20.11.2018 haben die geschäftsführenden Schulleiter über die Situation von Neuzugewanderten in Ausbildung berichtet. Die Berichterstattung machte sehr deutlich, dass ein hoher Handlungsdruck besteht, da aufgrund von Deutschsprachdefiziten bei vielen Auszubildenden das Ausbildungsverhältnis von schulischer Seite akut abbruchgefährdet ist.

Eine erste Abfrage der beruflichen Schulen ergab, dass ca. 40 % der neu zugewanderten Auszubildenden aufgrund des vorhandenen Sprachniveaus (A1 und A2) dringend zusätzliche Unterstützung benötigen, um die Ausbildung erfolgreich zu Ende zu führen. In Zahlen sind dies knapp 400 Schüler/-innen. Tendenz ist steigend, zumal weitere Schüler/-innen (ca. 50%) das Sprachniveau B1 besitzen und auch diese Auszubildenden zusätzliche Unterstützung benötigen. Weitere Informationen können dem Positionspapier der beruflichen Schulen in der Anlage I entnommen werden.

Nach Bekanntwerden der Problemsituation hat die Stadt Stuttgart das Kultusministerium angeschrieben und darüber informiert, damit auch von Landesseite entsprechende Maßnahmen frühzeitig geplant werden.

Die Unterzeichnerin hatte aufgrund der Meldung seitens der beruflichen Schulen im Februar zu einem Ausbildungsgipfel zum Thema eingeladen. Folgende Akteure nahmen auf Leitungsebene teil: die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, das Regierungspräsidium, die Bundesagentur für Arbeit Stuttgart, die Abteilung Integrationspolitik, das Jobcenter, das Jugendamt, das Schulverwaltungsamt und die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft.

Bei diesem Ausbildungsgipfel wurde eine gemeinsame Problemdiagnose erzielt sowie die Bereitschaft aller Beteiligten eingeholt, die Situation über eine gemeinsame Zusammenarbeit zu verbessern. Dies wurde in einer von allen geteilte Absichtserklärung, die gleichzeitig auch eine Selbstverpflichtung darstellt, formal festgehalten (Anlage II).


Zu 1.
Konzept zur Stärkung der Ausbildungsverhältnisse von Neuzugewanderten


Im Rahmen des Ausbildungsgipfels sowie bei vielen weiteren Gesprächen mit den zuständigen Ämtern und Kooperationspartnern hat sich ein dreistufiges Vorgehen herauskristallisiert. Dieses wurde in der Arbeitsgruppe bestätigt, die unter Federführung der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft mit den am Ausbildungsgipfel beteiligten Akteuren eingerichtet wurde.



1. Schritt: Situation an den beruflichen Schulen
Umsetzung:
2. Schritt: Die Ausbildungssituation insgesamt
Umsetzung:
3. Schritt: Der Bildungsweg in den Beruf
Umsetzung:

Zu 2.
Modellprojekt zur Verbesserungen der Situation bei den Ausbildungsbetrieben


Die Arbeitsgruppe tagte erstmals am 22. März 2019 und hat die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation (1. Schritt) konkretisiert, die im Folgenden als Modellprojekt zur Umsetzung vorgeschlagen werden. Die Gesamtkoordination des Modellprojekts findet durch die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft statt.

Das Modellprojekt erstreckt sich zunächst auf fünf öffentliche Berufsschulstandorte. Die Auswahl der Standorte erfolgt in Abstimmung mit dem Schulverwaltungsamt und berücksichtigt den Bedarf an der Schule, die räumliche Situation und die Handlungsbereitschaft der Akteure vor Ort. Es ist zunächst auf 14 Monate befristet (Juli 2019 bis August 2020).

Das Modellprojekt beinhaltet folgende Elemente:

Sprachstandserhebungen
Zukünftig erfolgen Sprachstandstestungen an den Beruflichen Schulen. Getestet werden alle Auszubildenden, die entweder keinen Schulabschluss in Deutschland erworben haben oder kein aktuelles Sprachzertifikat (nicht älter als 6 Monate) von mindestens Sprachniveau B2 nach dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen besitzen. Die Durchführung der Testungen sollen am Standort der Schulen über einen Sprachkursanbieter erfolgen. Die Durchführung findet zunächst an ausgewählten Projektstandorten statt.

Die Sprachstandtestungen werden nach Möglichkeit bei den im derzeit ersten Ausbildungsjahr befindenden Berufsschüler/innen im Juli und August 2019 erfolgen, bei den im neuen Schuljahr hinzukommenden Auszubildenden im September und Oktober 2019.

Durch die einheitliche Sprachtestung wird der Sprachkursbedarf – differenziert nach Standorten und nach Sprachniveau – methodisch gesichert erhoben. Dieser Bedarf ist die Grundlage für die Planung aller weiteren Unterstützungsmaßnahmen.

Berufsbezogene Deutschkurse
Über die Deutschsprachförderverordnung des Bundes (DeuFöV), die über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beantragt werden können, werden Sprachkurse über die Sprachkursträger eingerichtet und angeboten. Die Kurse vermitteln berufsbezogene Sprachinhalte auf den verschiedenen Sprachniveaus und beinhalten zwischen 400-500 Unterrichtseinheiten, die innerhalb eines Jahres umgesetzt werden müssen.

In der Umsetzung der Sprachkurse sind folgende Punkte zu beachten:
Der Zugang zu den Kursen ist so beschaffen, dass sie allen neu zugewanderten Auszubildenden unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus offenstehen. Ein erstes Planungsgespräch mit den Sprachkursträgern erfolgte hierzu bereits.

Die Umsetzung der Sprachkurse soll nach der Sprachtestung ab Beginn des kommenden Ausbildungsjahres im Herbst 2019 beginnen.

Vor Ort braucht es zur Koordination und Steuerung sowie zur Abstimmung mit den Auszubildenden, Betrieben, Kammern und ggf. weiteren Ansprechpersonen (Agentur für Arbeit, Jobcenter, etc.) eine zuständige Stelle an der Berufsschule.

Ausbildungsmanager/innen
An ausgewählten Berufsschulen werden zur modellhaften Erprobung sogenannte Ausbildungsmanager/innen tätig. Diese übernehmen für alle neuzugewanderten Auszubildenden mit Deutschsprachproblemen (unabhängig des Aufenthaltstitels, des Alters, des Migrationsgrunds, des Herkunftslands (EU, Drittstaaten), des Ausbildungsgangs) an den Berufsschulen die Aufgaben: Die Ausbildungsmanager/innen sind somit vorwiegend koordinierend und administrativ tätig und sind Mittlerstelle zwischen Berufsschule, Auszubildenden, Sprachkursträger, Betrieb, Kammern, Jobcenter, der Berufsberatung der Agentur für Arbeit, dem Jugendmigrationsdienst sowie weiteren relevanten Akteuren.

Die Ausbildungsmanager/innen werden fachlich den Schulleitungen der jeweiligen Beruflichen Schulen zugeordnet, da eine enge Absprache zwischen Schulleitung und Ausbildungsmanager/in notwendig ist. Anstellungsträger und Dienstvorgesetzter ist die Landeshauptstadt Stuttgart (Schulverwaltungsamt). Die Ausbildungsmanager/innen werden in der Modellphase an fünf Berufsschulen eingesetzt und haben einen Ermächtigungsumfang von jeweils 50%. Eine Eingruppierung erfolgt dem Aufgabenprofil entsprechend in voraussichtlich TVöD E10.

Die Besetzung der Ausbildungsmanager/innen soll schnellstmöglich erfolgen. Angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Besetzung bis in den Spätherbst zieht.

Ausbildungsverlängerung
Im Rahmen der bestehenden Ausbildungsverordnung können Ausbildungsbetrieb und Auszubildende/r einen individuellen Antrag zur Ausbildungsverlängerung bei den Kammern stellen. Die Ausbildungsverlängerung kann zu jedem Zeitpunkt beantragt werden, wenn berechtigte Gründe für eine Verlängerung vorliegen. Dazu findet über die Kammern jeweils eine Einzelfallprüfung statt.

An Berufsschulen an denen viele Auszubildende aufgrund ihrer sprachlichen Kompetenzen dem ersten Ausbildungsjahr kaum folgen konnten, wird angestrebt, dass eine separate Berufsschulklasse mit Wiederholern erprobt wird. Das bedeutet: Da die Berufsschüler/innen mit einer Ausbildungsverlängerung ein weiteres Ausbildungsjahr erhalten, können die Berufsschulinhalte des ersten Ausbildungsjahrs über zwei Jahre gezogen werden. Die dadurch verlangsamte Vermittlung der Berufsschulinhalte, kombiniert mit der sprachsensiblen Vermittlung der Fachinhalte und einem zusätzlichen berufsbezogenen Sprachkurs erhöhen die Chancen auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss.

Dieses Vorgehen mit eigenen Klassen für Auszubildende mit verlängerter Ausbildungszeit sind an Berufsfachschulen in Stuttgart bereits erprobt und erzielen dort sehr gute Ergebnisse.

Da die Erprobung solcher Klassen einen hohen Organisationsbedarf, z.B. im Hinblick auf Lehrkräfte, Anpassung des Curriculums, Absprachen mit Betrieben, räumliche Organisation, etc. erfordern, ist dies nur an maximal zwei Berufsschulstandorten vorgesehen, an denen zudem ein/e Ausbildungsmanager/in angesiedelt ist. Die Erprobung ist im kommenden Berufsschuljahr, ab Herbst 2019, vorgesehen.

Information und Sensibilisierung der Betriebe über die Kammern
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) werden im Frühherbst 2019, sobald die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umsetzung kommen können, die Ausbildungsbetriebe mit einem zentralen Schreiben darüber informieren. In dem Informationsschreiben werden die Herausforderungen an den beruflichen Schulen beschrieben, auf die notwendige Sprachkompetenz für eine erfolgreiche Ausbildung eingegangen, die neu etablierten Instrumente, wie die Sprachtestungen, die Sprachkurse und die Ausbildungsmanager/innen vorgestellt sowie auf die dafür erforderliche Mitwirkung (Freistellung für den Sprachkursbesuch und ggf. weiterer Maßnahmen) hingewiesen.



Zu 4.
Anstellung der Ausbildungsmanager/innen und weitere Personalbedarfe während des Modellprojekts

Die Einstellung der Ausbildungsmanager/innen im Rahmen des Modellprojekts (5 Ausbildungsmanager/-innen mit einem Beschäftigungsumfang von 50%, einem Aufgabenprofil entsprechend voraussichtlich in EG 10) in den Strukturen der Stadt (Schulverwaltungsamt) erfolgt befristet und außerhalb des Stellenplans.

Für die Begleitung und Verwaltung des Modellprojekts ist ein Mehraufwand von insgesamt 50% Sachbearbeitung in der Verwaltung zu veranschlagen. Dieses teilt sich auf zu: 20 % verwaltungstechnische Aufgaben beim Schulverwaltungsamt (EG 10) sowie zu 30 % zur inhaltlichen Projektbegleitung bei der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft (EG 13). Die Einstellung erfolgt befristet und außerhalb des Stellenplans.


Zu 5.
Finanzierung und weitere Schritte

Das vorgeschlagene Modellprojekt wird zunächst für 14 Monate (Juli 2019 bis August 2020) geplant. Für diesen Zeitraum stehen zur Deckung Mittel der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft zur Verfügung.

Über die Weiterführung des Modells für zwei weitere Schuljahre (2020/21 und 2021/22) sowie die Ausweitung auf voraussichtlich acht bis zehn Berufsschulstandorte wird im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 entschieden.

Im ersten Halbjahr 2021 wird ein ausführlicher Bericht über das Modellvorhaben eingebracht. Dafür wird im Projektverlauf eine Evaluation erstellt. Dies kann die Grundlage für eine ggf. erforderliche dauerhafte Lösung im Kontext der dann anstehenden Haushaltsberatungen sein. Das bereits aufgenommene Gespräch mit dem Land wird anhand der Evaluationsergebnisse zum Ende der Modellphase klären, ob eine Verantwortungsübernahme seitens des Landes erfolgt bzw. wie der Kostenersatz geregelt wird.

Finanzielle Auswirkungen


Modellprojekt
(Juli 2019 bis August 2020)
Gesamtsumme
davon entfällt auf
(in EUR)
HHJ 2019
(6 Monate)
HHJ 2020
(8 Monate)
Personalkosten Ausbildungsmanager/-innen
(250%, EG 10)
196.000,00
84.00,00
112.000,00
Personalkosten zur Projektverwaltung
(20%, EG 10)
15.680,00
6.720,00
8.960,00
Personalkosten zur Projektbegleitung
(30%, EG 13)
29.505,00
12.645,00
16.860,00
Sachkosten (Schulung, Evaluation, etc.)
20.000,00
15.000,00
5.000,00
Gesamtsumme
261.185,00
118.365,00
142.820,00

Die hierfür erforderlichen Mittel für das Modellprojekt (14 Monate) in Höhe von
261.185 Euro stehen im THH 810 - Bürgermeisteramt, Kostenstelle 80405200, JB-BiP, zur Verfügung. Sie werden zur Deckung der entstehenden Personalkosten vom Sach- in den Personalkostenhaushalt umgeschichtet.






Beteiligte Stellen

Die Referate SI, AKR und WFB haben mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

-

Erledigte Anträge/Anfragen

-



Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

Anlage I: Positionspapier Neuzugewanderte in Ausbildung der Beruflichen Schulen
Anlage II: Absichtserklärung des Ausbildungsgipfels "Neuzugewanderte Jugendliche"


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