Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
375
11
VerhandlungDrucksache:
650/2016
GZ:
JB
Sitzungstermin: 21.09.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe de
Betreff: Entwicklung in der Inobhutnahme und den Inobhutnahmeeinrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) und dafür notwendiges Personal

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 15.09.2016, GRDrs 650/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Von der aktuellen Lage im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) wird Kenntnis genommen.

2. Der Neuorganisation des Inobhutnahme-Bereichs (ION-Bereichs) wird zugestimmt. Die Personalschlüssel zur Betreuung der UMF durch sozialpädagogische Fachkräfte in der vorläufigen Inobhutnahme und der Anschlussinobhutnahme werden anerkannt und sind Grundlage für die Personalbedarfsberechnung. Zur Sicherung der Betreuung der UMF im ION-Bereich und um die notwendigen organisatorischen Veränderungen umsetzen zu können, sind nachfolgend aufgezeigte Personalressourcen zusätzlich zur Verfügung zu stellen:

3. Sobald der Auslastungsgrad der UMF-Inobhutnahmeplätze länger als 3 Monate unter 90 % liegt, erfolgt ein Stellenabbau in entsprechender Höhe.

4. Für die Ausstattung der neuen Inobhutnahmeeinrichtungen werden einmalige Mittel in 2016 in Höhe von 263.000 € zur Verfügung gestellt.

5. Für den Personalbedarf gem. Ziff. 2, die Ausstattung der ION-Plätze sowie für eine Kampagne zur Gewinnung von Pflegepersonal werden folgende Aufwendungen bzw. Auszahlungen überplanmäßig im Teilergebnishaushalt 510, Jugendamt, bereitgestellt:

6. Beschäftigte, die bereits in der Anschluss-ION arbeiten, erhalten als übertarifliche freiwillige Leistung bezüglich ihrer Eingruppierung in S15 Bestandsschutz. Dies gilt nicht für Beschäftigte, die ihrer Eingruppierung und Qualifikation entsprechende andere Arbeitsplätze ablehnen, oder aus freien Stücken heraus auf anders bewerteten Arbeitsplätzen arbeiten wollen.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Einführend merkt BMin Fezer an, die Vorlage sei mit dem Ziel, eine flexible Struktur zu finden, verwaltungsintern sorgfältig abgestimmt worden. Insbesondere im letzten Jahr sei die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) angestiegen. Mittlerweile könne im Zuge der allgemein zurückgehenden Flüchtlingszahlen bei den UMF ebenfalls ein Rückgang festgestellt werden. Da angesichts der globalen Situation derzeit keine Entwarnung gegeben werden könne, wolle die Verwaltung ein System aufbauen, welches es ermöglicht, eine gegebenenfalls in Zukunft gestiegene Anzahl von UMF aufzunehmen und diese gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu betreuen.

Der unterbreitete Vorschlag unterscheide zwischen den Bereichen vorläufige Inobhutnahme (ION), Anschluss - Inobhutnahme und Pflegekinder. Diese Bereiche habe man verwaltungsintern unterschiedlich strukturiert. Damit gingen gewisse Personalveränderungen einher. Darüber hinaus werde zu den Platzzahlen und insbesondere zu der Betreuung ein System vorgeschlagen, welches die Verwaltung zum einen in die Lage versetzt, bei einem Anstieg kurzfristig stellenplanmäßig Betreuungspersonal zu erhöhen, und zum anderen, bei einem Absinken, befristete Verträge nicht zu verlängern.

Der Verwaltungsvorschlag sehe vor, dass der gesamte finanzielle Aufwand durch das Land abgedeckt wird.

Für StR Dr. Reiners (CDU) ergeben sich folgende Fragen:

- Sind die bereits geschaffenen Stellen voll besetzt bzw. wie viel Stellen sind aus welchen Gründen nicht besetzt?

- Ist es nicht möglich durch organisatorische Maßnahmen, auf neue Stellen zu verzichten?

- Warum soll dem Verwaltungsvorschlag trotz abnehmender UMF-Zahlen gefolgt werden; er geht davon aus, dass die Zahl der ankommenden UMF nicht ansteigt.

Für StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) stellt die Aufnahme von UMF eine gesellschaftliche Herausforderung dar. Für sie besteht ein Konsens darüber, dass sich die Stadt dieser Aufgabe annehmen muss. Die Vorlage zeige angesichts unsicherer Prognosen die Notwendigkeit einer flexiblen Vorgehensweise auf.

StR Perc (SPD) bezeichnet die Vorlage als sinnvolle und gute Reaktion der Verwaltung auf Erfordernisse. Sinngemäß äußert sich StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS).

Den 122 betreuenden Personen, so StR Prof. Dr. Maier (AfD), stünden lediglich 97 zu betreuende Personen gegenüber. Dies sei ein krasses Missverhältnis. Vor diesem Hintergrund und angesichts der mangels Personal angespannten Situationen beim Amt für öffentliche Ordnung und den Bezirksämtern sowie der rückläufigen UMF-Zahlen sei die Schaffung weiterer drei Stellen nicht gerechtfertigt. Er lehnt den Beschlussantrag ab.

Durch Herrn NN (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) (GPR) wird die Vorlage grundsätzlich begrüßt. Die Situation im vergangenen Jahr sei für das Personal unzumutbar gewesen. Es seien damals arbeitsrechtlichen Vorgaben missachtet worden, um den gestellten Aufgaben gerecht werden zu können. Insofern seien Überlegungen, wie künftig solchen Entwicklungen schnell und flexibel begegnet werden kann, sinnvoll. Kritisch werte der GPR, dass nun ein System aufgebaut werden soll, welches "eine Art atmende Belegschaft" vorsehe. Die zukünftig erforderliche Arbeitsleistung im UMF-Bereich lasse sich zwar schwer einschätzen, aber die Beschäftigten kämen durch befristete Verträge in permanent unsichere und ungute Situation. Es stelle sich die Frage, ob für die Beschäftigten nicht mehr Sicherheit geschaffen werden kann. Eine Standardlösung, dies räumt er ein, habe aber auch er nicht.

Auf StR Dr. Reiners eingehend betont BMin Fezer, die Tatsache, dass es derzeit deutlich weniger Flüchtlinge bzw. UMF gebe, sage, angesichts der weltpolitischen Situation, nichts über die Zukunft aus. Derzeit würden sich weltweit über 60 Mio. Menschen auf der Flucht befinden. Angesichts dessen geht sie von einem Anstieg des Flüchtlingszustroms aus. Da das vorgeschlagene System Flexibilität vorsehe, handle es sich um einen guten Vorschlag.

Im Gegensatz zum Jahr 2015, so Herr NN (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) (Jugendamt) habe man nun mit der Nutzung des Gebäudes im Bürgerhospital die Möglichkeit, die gesamte ION an einer Stelle zu bündeln. Die Frage sei gewesen, wie viel Plätze dort geschaffen und wie viel Plätze mit Personal ausgestattet werden sollen. Nachdem in den letzten 6 Monaten, in diesem Zeitraum sei die Vorlage entstanden, die Zahlen immer wieder der aktuellen Entwicklung hätten angepasst werden müssen, werde nun von 115 Plätzen in der ION ausgegangen. Diese 115 Plätze seien mit einem Personalschlüssel versehen auf den die Stadt keinen Einfluss habe; der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) gebe für die Betriebserlaubnis vor, wie viel Fachkräfte beschäftigt werden müssten. Die hohe Anzahl der Mitarbeiter resultiere daraus, dass täglich ein 24-Stunden-Dienst erfolge. Alle durch den KVJS vorgegebenen Parameter wiesen einen Korridor auf. Die Verwaltung halte jeweils das für eine Betriebserlaubnis erforderliche Minimum dieser Parameter ein.

StRin Deparnay-Grunenberg kann die Inhalte der Anlagen 1 b und 1 d nicht in Einklang bringen. Für StR Perc ergibt sich in der Anschluss-ION eine Herabstufung der Beschäftigten von ehemals S 15 auf neu S 12. Da Bestandschutz gewährt werde würden sich unterschiedliche Entlohnungen des dort eingesetzten Personals ergeben. Die SPD-Gemeinderatsfraktion befürworte, nicht zuletzt im Sinne eines kollegialen Miteinanders, gleiche Entlohnung bei gleicher Tätigkeit. Ebenfalls kritisch bewertet StR Rockenbauch die vorgesehene Eingruppierung nach S 12. Dies sei der Gewinnung von motiviertem Personal abträglich. Von ihm wird für den Fall, dass die Landesmittel lediglich S 12 abdecken, signalisiert, dass Bereitschaft besteht, hier städtische Mittel einzusetzen. Für den Gesamtpersonalrat kritisiert Herr NN (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht), dass auch zu dieser Vorlage, die Beteiligungstatbestände des Personalrates beinhaltet, die Verwaltung keine Stellungnahme des GPR eingeholt hat. Von ihm werden Zweifel geäußert, ob in Punkto Stellenbewertung die Verwaltung wie in der Vorlage beschrieben, vorgehen kann. Zu erkennen gibt er, dass für die Personalvertretung noch Fragen offen sind. Wie mit diesen verfahren wird, macht er vom weiteren Verfahren mit der Vorlage abhängig.

Laut Herrn NN (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) zielt die Personalplanung darauf ab, dass beispielsweise ein Zugang von 10 UMF in einer Nacht personell geschultert werden kann. Dies setze voraus, dass die genannten 115 Plätze in der ION nicht voll belegt würden. Mit dem Haupt- und Personalamt sei nicht zuletzt aus Gründen der Pflegesatzfinanzierung vereinbart worden, dass ab einer 90%igen Belegung eine personelle Nachsteuerung stattfindet.

Am Anfang des letzten Jahres seien ausschließlich unbefristete Verträge in S 15 abgeschlossen worden. Nun wolle die Verwaltung die Verträge befristen, um bei zurückgehenden Flüchtlingszahlen Personal wieder abbauen zu können. Wenn mehr als 115 UMF in die ION kämen, müsste zur Vermeidung der letztjährigen Verhältnisse (Überlastungssituationen bei der Mitarbeiterschaft) personell nach oben nachgesteuert werden.

Einigkeit bestehe zudem mit dem Haupt- und Personalamt hinsichtlich der Bewertung der Stellen. 2015 sei eine Trennung von vorläufiger ION und Anschluss-ION erfolgt. Stellen in der vorläufigen ION seien immer nach S 15 bewertet worden und Stellen in der Anschluss-ION nach S 12. Die Aufgaben der Arbeitsplätze in der Anschluss-ION seien nicht dieselben bzw. nicht so komplex wie in der vorläufigen ION, da bei den in der Anschluss-ION befindlichen Fällen bereits vieles abgeklärt sei (z. B. Verwandtschaftsverhältnisse, Vormundbestellung, Schulplatz). Alle Stellen seien besetzt. Da bei den S 15-Stellen ein Überhang bestehe, würden frei werdende S 15-Stellen nur noch mit nach S 12 vergüteten Personen besetzt. So müsse auch deshalb vorgegangen werden, da es im HZE-Bereich noch Kinderhäuser und Wohngruppen mit eigenen Stellenbewertungen gebe; alle Stellenbewertungen müssten von den Arbeitsinhalten her in ein Schema passen. Bei unbefristeten S 15-Verträgen hätten die Beschäftigten einen Anspruch auf S 15. Daher würden diese dort beschäftigt, wo Stellen entsprechend bewertet sind. Dies sei ein übliches Vorgehen.

Wie bereits ausgeführt seien alle Stellen besetzt. Der unterbreitete Vorschlag beinhalte einen kleinen Aufschlag beim Personalschlüssel aufgrund der Ausweitung von 101 auf 115 Plätze. Sollten von den 115 Plätzen künftig nur 80 belegt sein würde die Verwaltung die mit der Vorlage beantragten Stellen nicht besetzen. Mit einem freien Träger wäre die organisatorische Flexibilität beim ION-System nicht möglich.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben stellt BMin Fezer fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt bei 1 Gegenstimme mehrheitlich wie beantragt.

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